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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Frankreichs Kriegsbereitschaft.

der reitenden Artillerie läßt sehr viel zu wünschen übrig. General de Gallifet
sagte zur Zeit der Konferenzen in Tours sehr richtig, daß er nicht zu hoffen
wage, die deutsche Reiterei von der französischen übertroffen zu sehen. Ohne
unbescheiden zu sein, dürfen wir es aussprechen, daß die französische Kavallerie
die unsrige nicht allein nicht übertrifft, sondern bei weitem nicht erreicht."

Die Kriegsformation der französischen Armee weist etwa 23 Armeekorps
mit 620 000 Jnfanteristen. 42 600 Reitern, 79 600 Artilleristen, 6700 Mann
Genie und 5800 Pontounieren, im ganzen 754100 Mann und 2622 Feld¬
geschütze auf. Das deutsche Heer dagegen zählt etwa 675 000 Mann mit 2040
Geschützen, also ungefähr 101 000 Mann und 582 Feldkanonen weniger als das
französische. Prüfen wir aber die Zusammensetzung der französischen Feldtruppen,
so ergiebt sich, daß die in den Jahrgängen der Reserve vorhandene Zahl von
Leuten der "ersten Portion" bei der Infanterie nicht ausreicht, um die Gesamt¬
summe der nötigen Verstärkungsmannschaften zu liefern, sodaß man mindestens
100 000 Mann der zweiten Portion entnehmen muß, die nicht vollständig aus¬
gebildet ist. Feruer übertrifft unsre Reiterei die französische in erster Linie erheblich
an Schwadron- und Kopfzahl. Stellt man sämtliche Batterien sofort ins
Feld, so bleiben als Ersatztruppen in Frankreich die Depotkompagnien der In¬
fanterie, der Jäger und des Genies sowie 84 Doppelschwadronen, im ganzen
etwa 96 000 Mann zurück. Unsre Ersatztruppen dagegen würden sich auf
246 000 Mann mit 444 Geschützen belaufen und 93 Schwadronen enthalten.
Die französischen Besatznngs- und Feldreservetruppen würden sich bei einem
Kriege ungefähr folgendermaßen zusammensetzen: 180 000 für den Feldgebrauch
verwendbare Territoriale (Landwehr) mit 48 Schwadronen und 54 Feldbatterien
und 420 000 weniger ausgebildete Mannschaften der Territorialarmee mit
100 Schwadronen und 90 Batterien zu Ausfällen, desgleichen 190 Kompagnien
Linienartillerie mit 38 600 Mann, also im ganzen 638 600 Mann mit 684
Feldgeschützen und 148 Schwadronen. Sonach würde die Gesamtwehrkraft
Frankreichs auf 1487 300 Soldaten mit 3486 Feldgeschützen, diejenige Deutsch¬
lands nur auf 1 287 690 Streiter mit 2892 Kanonen anzuschlagen, die
erstere also um 199 000 Mann und 594 Geschütze stärker sein. Nun ist aber
die große Mehrzahl der deutscheu Truppen vollkommen gleichmüßig ausgebildet,
was von den französischen nicht gilt. Sodann ist mit der genannten Ziffer die
Wehrkraft Deutschlands nicht erschöpft, da noch tausende von ausgebildeten Leuten
in uniformirte Truppenteile gesteckt werden können, wogegen Frankreich nichts
derart zu leisten vermag. Ferner ist das deutsche Offizierkorps dem französischen
bei weitem überlegen, desgleichen ist, wie wir sahen, unsre Kavallerie viel besser
als die der Franzosen.

Wollten wir aber hier auch gleiche Qualität annehmen, so wird die
Aussicht auf Sieg wesentlich davon bedingt, daß man die Massen zu rechter
Zeit und am rechten Orte verwenden kann. Die ersten Schläge entscheiden


Frankreichs Kriegsbereitschaft.

der reitenden Artillerie läßt sehr viel zu wünschen übrig. General de Gallifet
sagte zur Zeit der Konferenzen in Tours sehr richtig, daß er nicht zu hoffen
wage, die deutsche Reiterei von der französischen übertroffen zu sehen. Ohne
unbescheiden zu sein, dürfen wir es aussprechen, daß die französische Kavallerie
die unsrige nicht allein nicht übertrifft, sondern bei weitem nicht erreicht."

Die Kriegsformation der französischen Armee weist etwa 23 Armeekorps
mit 620 000 Jnfanteristen. 42 600 Reitern, 79 600 Artilleristen, 6700 Mann
Genie und 5800 Pontounieren, im ganzen 754100 Mann und 2622 Feld¬
geschütze auf. Das deutsche Heer dagegen zählt etwa 675 000 Mann mit 2040
Geschützen, also ungefähr 101 000 Mann und 582 Feldkanonen weniger als das
französische. Prüfen wir aber die Zusammensetzung der französischen Feldtruppen,
so ergiebt sich, daß die in den Jahrgängen der Reserve vorhandene Zahl von
Leuten der „ersten Portion" bei der Infanterie nicht ausreicht, um die Gesamt¬
summe der nötigen Verstärkungsmannschaften zu liefern, sodaß man mindestens
100 000 Mann der zweiten Portion entnehmen muß, die nicht vollständig aus¬
gebildet ist. Feruer übertrifft unsre Reiterei die französische in erster Linie erheblich
an Schwadron- und Kopfzahl. Stellt man sämtliche Batterien sofort ins
Feld, so bleiben als Ersatztruppen in Frankreich die Depotkompagnien der In¬
fanterie, der Jäger und des Genies sowie 84 Doppelschwadronen, im ganzen
etwa 96 000 Mann zurück. Unsre Ersatztruppen dagegen würden sich auf
246 000 Mann mit 444 Geschützen belaufen und 93 Schwadronen enthalten.
Die französischen Besatznngs- und Feldreservetruppen würden sich bei einem
Kriege ungefähr folgendermaßen zusammensetzen: 180 000 für den Feldgebrauch
verwendbare Territoriale (Landwehr) mit 48 Schwadronen und 54 Feldbatterien
und 420 000 weniger ausgebildete Mannschaften der Territorialarmee mit
100 Schwadronen und 90 Batterien zu Ausfällen, desgleichen 190 Kompagnien
Linienartillerie mit 38 600 Mann, also im ganzen 638 600 Mann mit 684
Feldgeschützen und 148 Schwadronen. Sonach würde die Gesamtwehrkraft
Frankreichs auf 1487 300 Soldaten mit 3486 Feldgeschützen, diejenige Deutsch¬
lands nur auf 1 287 690 Streiter mit 2892 Kanonen anzuschlagen, die
erstere also um 199 000 Mann und 594 Geschütze stärker sein. Nun ist aber
die große Mehrzahl der deutscheu Truppen vollkommen gleichmüßig ausgebildet,
was von den französischen nicht gilt. Sodann ist mit der genannten Ziffer die
Wehrkraft Deutschlands nicht erschöpft, da noch tausende von ausgebildeten Leuten
in uniformirte Truppenteile gesteckt werden können, wogegen Frankreich nichts
derart zu leisten vermag. Ferner ist das deutsche Offizierkorps dem französischen
bei weitem überlegen, desgleichen ist, wie wir sahen, unsre Kavallerie viel besser
als die der Franzosen.

Wollten wir aber hier auch gleiche Qualität annehmen, so wird die
Aussicht auf Sieg wesentlich davon bedingt, daß man die Massen zu rechter
Zeit und am rechten Orte verwenden kann. Die ersten Schläge entscheiden


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[0389] Frankreichs Kriegsbereitschaft. der reitenden Artillerie läßt sehr viel zu wünschen übrig. General de Gallifet sagte zur Zeit der Konferenzen in Tours sehr richtig, daß er nicht zu hoffen wage, die deutsche Reiterei von der französischen übertroffen zu sehen. Ohne unbescheiden zu sein, dürfen wir es aussprechen, daß die französische Kavallerie die unsrige nicht allein nicht übertrifft, sondern bei weitem nicht erreicht." Die Kriegsformation der französischen Armee weist etwa 23 Armeekorps mit 620 000 Jnfanteristen. 42 600 Reitern, 79 600 Artilleristen, 6700 Mann Genie und 5800 Pontounieren, im ganzen 754100 Mann und 2622 Feld¬ geschütze auf. Das deutsche Heer dagegen zählt etwa 675 000 Mann mit 2040 Geschützen, also ungefähr 101 000 Mann und 582 Feldkanonen weniger als das französische. Prüfen wir aber die Zusammensetzung der französischen Feldtruppen, so ergiebt sich, daß die in den Jahrgängen der Reserve vorhandene Zahl von Leuten der „ersten Portion" bei der Infanterie nicht ausreicht, um die Gesamt¬ summe der nötigen Verstärkungsmannschaften zu liefern, sodaß man mindestens 100 000 Mann der zweiten Portion entnehmen muß, die nicht vollständig aus¬ gebildet ist. Feruer übertrifft unsre Reiterei die französische in erster Linie erheblich an Schwadron- und Kopfzahl. Stellt man sämtliche Batterien sofort ins Feld, so bleiben als Ersatztruppen in Frankreich die Depotkompagnien der In¬ fanterie, der Jäger und des Genies sowie 84 Doppelschwadronen, im ganzen etwa 96 000 Mann zurück. Unsre Ersatztruppen dagegen würden sich auf 246 000 Mann mit 444 Geschützen belaufen und 93 Schwadronen enthalten. Die französischen Besatznngs- und Feldreservetruppen würden sich bei einem Kriege ungefähr folgendermaßen zusammensetzen: 180 000 für den Feldgebrauch verwendbare Territoriale (Landwehr) mit 48 Schwadronen und 54 Feldbatterien und 420 000 weniger ausgebildete Mannschaften der Territorialarmee mit 100 Schwadronen und 90 Batterien zu Ausfällen, desgleichen 190 Kompagnien Linienartillerie mit 38 600 Mann, also im ganzen 638 600 Mann mit 684 Feldgeschützen und 148 Schwadronen. Sonach würde die Gesamtwehrkraft Frankreichs auf 1487 300 Soldaten mit 3486 Feldgeschützen, diejenige Deutsch¬ lands nur auf 1 287 690 Streiter mit 2892 Kanonen anzuschlagen, die erstere also um 199 000 Mann und 594 Geschütze stärker sein. Nun ist aber die große Mehrzahl der deutscheu Truppen vollkommen gleichmüßig ausgebildet, was von den französischen nicht gilt. Sodann ist mit der genannten Ziffer die Wehrkraft Deutschlands nicht erschöpft, da noch tausende von ausgebildeten Leuten in uniformirte Truppenteile gesteckt werden können, wogegen Frankreich nichts derart zu leisten vermag. Ferner ist das deutsche Offizierkorps dem französischen bei weitem überlegen, desgleichen ist, wie wir sahen, unsre Kavallerie viel besser als die der Franzosen. Wollten wir aber hier auch gleiche Qualität annehmen, so wird die Aussicht auf Sieg wesentlich davon bedingt, daß man die Massen zu rechter Zeit und am rechten Orte verwenden kann. Die ersten Schläge entscheiden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/389>, abgerufen am 01.09.2024.