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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Macchiavelli.

Unter diesen Voraussetzungen werden eine Reihe von übelständen beseitigt
werden. "Nach den erörterten Bestimmungen, sagen die Motive, wird derjenige,
welcher sich bei einem Miennnternehmcn beteiligen will, kein Interesse mehr
haben, ein Auftreten als Aktionär zu vermeiden und Strohmänner vorzuschieben.
Mit der Haftung des zeitigen ^soll heißen: gegenwärtigen^ Aktionärs geht die Aus¬
übung der Aktionärrechte Hand in Hand, Zeichner und Mormänner haften nur sub-
sidiär für eine begrenzte Zeit und unter Wiedererlangung des Aktienrechts, aber von
dieser Haftung kann niemand dnrch Liberirung oder Reduzirung entbunden werden.
Die Bestimmungen des Entwurfs werden daher anch dazu beitragen, die Aktie
für ungemessene Spekulationen ungeeignet zu machen und Gründungen zu Zwecken
der Agiotage zu verhüten."

In der That muß darauf das Ziel des Entwurfs gerichtet sein, denn in
jener großen Milliardenepvche trat die wirtschaftliche Bedürfnisfrage gänzlich
zurück; es galt nur neue Börsenwerte zu schaffen, sowie im vorigen Jahrhundert
neue Tnlpensorten aufkamen, lediglich um der Spielwut zu fröhnen. Was
kümmerte auch den Gründer, ob die Gesellschaft, die er ins Leben rief, wirklich
lebensfähig war, ob der Abnehmer der Aktie ein wertloses Stück Papier empfing;
er selbst lief bei seinen Manipulationen keinerlei Gefahr und hatte nur den
leichten Gewinn einzustreichen. Das wird, wenn der Entwurf zum Gesetz er¬
hoben wird, nicht mehr möglich sein. Denn der erste Zeichner wird dadurch,
daß er die Aktie an den Mann bringt, nicht wie bisher gänzlich von dem
Schicksal der Gesellschaft gelöst. Zwei Jahre lang muß er befürchten, von der¬
selben in Anspruch genommen zu werden, und das ist ein Zeitraum, in welchem
eine Menge von Illusionen schwinden können. Wer sich also künftighin bei
einem Aktienunternehmen beteiligen will, der muß es ernstlich thun. Die Aktie
soll eben kein Spekulationsvbjekt im Sinne wilder Börsenagiotage sein. Der
hohe Nominalbetrag in Verbindung mit dieser strengen Haftung wird schon der
"ungezügelten Lust" die nötigen Zügel anlegen. (Schluß folgt.)




Macchiavelli.
2.

cum wir den ?rineixs gerecht beurteilen wollen, so müssen wir
uns zunächst das Volk, dem der Verfasser angehörte, dann die
Zeit, in der er schrieb, endlich den Zweck seines Buches vor
Augen halten.

Macchiavelli war Italiener, und es liegt im Charakter der Ita¬
liener, wie aller Südländer, sich mehr auf List und Ränke zu verlassen, als auf offnes


Macchiavelli.

Unter diesen Voraussetzungen werden eine Reihe von übelständen beseitigt
werden. „Nach den erörterten Bestimmungen, sagen die Motive, wird derjenige,
welcher sich bei einem Miennnternehmcn beteiligen will, kein Interesse mehr
haben, ein Auftreten als Aktionär zu vermeiden und Strohmänner vorzuschieben.
Mit der Haftung des zeitigen ^soll heißen: gegenwärtigen^ Aktionärs geht die Aus¬
übung der Aktionärrechte Hand in Hand, Zeichner und Mormänner haften nur sub-
sidiär für eine begrenzte Zeit und unter Wiedererlangung des Aktienrechts, aber von
dieser Haftung kann niemand dnrch Liberirung oder Reduzirung entbunden werden.
Die Bestimmungen des Entwurfs werden daher anch dazu beitragen, die Aktie
für ungemessene Spekulationen ungeeignet zu machen und Gründungen zu Zwecken
der Agiotage zu verhüten."

In der That muß darauf das Ziel des Entwurfs gerichtet sein, denn in
jener großen Milliardenepvche trat die wirtschaftliche Bedürfnisfrage gänzlich
zurück; es galt nur neue Börsenwerte zu schaffen, sowie im vorigen Jahrhundert
neue Tnlpensorten aufkamen, lediglich um der Spielwut zu fröhnen. Was
kümmerte auch den Gründer, ob die Gesellschaft, die er ins Leben rief, wirklich
lebensfähig war, ob der Abnehmer der Aktie ein wertloses Stück Papier empfing;
er selbst lief bei seinen Manipulationen keinerlei Gefahr und hatte nur den
leichten Gewinn einzustreichen. Das wird, wenn der Entwurf zum Gesetz er¬
hoben wird, nicht mehr möglich sein. Denn der erste Zeichner wird dadurch,
daß er die Aktie an den Mann bringt, nicht wie bisher gänzlich von dem
Schicksal der Gesellschaft gelöst. Zwei Jahre lang muß er befürchten, von der¬
selben in Anspruch genommen zu werden, und das ist ein Zeitraum, in welchem
eine Menge von Illusionen schwinden können. Wer sich also künftighin bei
einem Aktienunternehmen beteiligen will, der muß es ernstlich thun. Die Aktie
soll eben kein Spekulationsvbjekt im Sinne wilder Börsenagiotage sein. Der
hohe Nominalbetrag in Verbindung mit dieser strengen Haftung wird schon der
„ungezügelten Lust" die nötigen Zügel anlegen. (Schluß folgt.)




Macchiavelli.
2.

cum wir den ?rineixs gerecht beurteilen wollen, so müssen wir
uns zunächst das Volk, dem der Verfasser angehörte, dann die
Zeit, in der er schrieb, endlich den Zweck seines Buches vor
Augen halten.

Macchiavelli war Italiener, und es liegt im Charakter der Ita¬
liener, wie aller Südländer, sich mehr auf List und Ränke zu verlassen, als auf offnes


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[0294] Macchiavelli. Unter diesen Voraussetzungen werden eine Reihe von übelständen beseitigt werden. „Nach den erörterten Bestimmungen, sagen die Motive, wird derjenige, welcher sich bei einem Miennnternehmcn beteiligen will, kein Interesse mehr haben, ein Auftreten als Aktionär zu vermeiden und Strohmänner vorzuschieben. Mit der Haftung des zeitigen ^soll heißen: gegenwärtigen^ Aktionärs geht die Aus¬ übung der Aktionärrechte Hand in Hand, Zeichner und Mormänner haften nur sub- sidiär für eine begrenzte Zeit und unter Wiedererlangung des Aktienrechts, aber von dieser Haftung kann niemand dnrch Liberirung oder Reduzirung entbunden werden. Die Bestimmungen des Entwurfs werden daher anch dazu beitragen, die Aktie für ungemessene Spekulationen ungeeignet zu machen und Gründungen zu Zwecken der Agiotage zu verhüten." In der That muß darauf das Ziel des Entwurfs gerichtet sein, denn in jener großen Milliardenepvche trat die wirtschaftliche Bedürfnisfrage gänzlich zurück; es galt nur neue Börsenwerte zu schaffen, sowie im vorigen Jahrhundert neue Tnlpensorten aufkamen, lediglich um der Spielwut zu fröhnen. Was kümmerte auch den Gründer, ob die Gesellschaft, die er ins Leben rief, wirklich lebensfähig war, ob der Abnehmer der Aktie ein wertloses Stück Papier empfing; er selbst lief bei seinen Manipulationen keinerlei Gefahr und hatte nur den leichten Gewinn einzustreichen. Das wird, wenn der Entwurf zum Gesetz er¬ hoben wird, nicht mehr möglich sein. Denn der erste Zeichner wird dadurch, daß er die Aktie an den Mann bringt, nicht wie bisher gänzlich von dem Schicksal der Gesellschaft gelöst. Zwei Jahre lang muß er befürchten, von der¬ selben in Anspruch genommen zu werden, und das ist ein Zeitraum, in welchem eine Menge von Illusionen schwinden können. Wer sich also künftighin bei einem Aktienunternehmen beteiligen will, der muß es ernstlich thun. Die Aktie soll eben kein Spekulationsvbjekt im Sinne wilder Börsenagiotage sein. Der hohe Nominalbetrag in Verbindung mit dieser strengen Haftung wird schon der „ungezügelten Lust" die nötigen Zügel anlegen. (Schluß folgt.) Macchiavelli. 2. cum wir den ?rineixs gerecht beurteilen wollen, so müssen wir uns zunächst das Volk, dem der Verfasser angehörte, dann die Zeit, in der er schrieb, endlich den Zweck seines Buches vor Augen halten. Macchiavelli war Italiener, und es liegt im Charakter der Ita¬ liener, wie aller Südländer, sich mehr auf List und Ränke zu verlassen, als auf offnes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/294>, abgerufen am 28.07.2024.