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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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lNcicchiavelli,

Gegner waren, als die, welche, mit ihr unzufrieden, seine Freunde wurden und
ihm bei der Besitznahme halfen, (Edda,) Vor allem (21, Kapitel) muß ein
Fürst sich bemühen, durch jede seiner Handlungen sich den Ruf eines großen und
ausgezeichneten Mannes zu erwerben, Auch dann wird ein Fürst geachtet, wenn
er wahrer Freund und wahrer Feind ist, d, h, wenn er ohne Nebengedanken sich
sür einen und gegen einen andern erklärt, ein Auftreten, welches immer nützlicher
sein wird als Neutralität. Denn geraten zwei Machthaber in unsrer Nachbarschaft
in Streit, so sind sie entweder so geartet, daß wir, falls einer Sieger bleibt, von
ihm zu fürchten haben, oder sie sind nicht so. In beiden Fällen wird es uns
immer nützlicher sein, wenn wir uns offen erklären und ehrlichen Krieg führen.
Denn im erstem Falle wirst du, wenn du dich nicht erklärst, immer die Beute
des Siegers zur Freude und Befriedigung des Besiegten und hast keinen Anspruch
auf Schutz und Zuflucht; denn wer siegt, mag keine Freunde, die Verdacht er¬
wecken und ihm im Unglücke nicht beistehen, und wer unterliegt, gewährt dir keine
Zuflucht, weil du uicht mit den Waffen in der Hand sein Geschick hast teilen
wollen, , , , Immer wird es geschehen, daß der, welcher nicht unser Freund ist,
uns zur Neutralität bestimmen will, und der, welcher unser Freund ist, verlangen
wird, daß wir uns offen mit den Waffen erklären. In den meisten Fällen schlagen
unentschlossene Fürsten, um der augenblicklichen Gefahr zu entgehen, diesen Weg
der Neutralität ein und führen dadurch meist ihren Sturz herbei. Wenn aber der
Fürst sich entschieden für die eine Partei ausspricht, so hat derjenige, auf dessen
Seite er sich gestellt, falls er siegt, Verpflichtungen gegen ihn, wenn er auch
noch so mächtig ist und wir seinem Belieben überlassen wären,, ., Die Menschen
sind nie so ehrlos, daß sie uns mit solchem Undank unterdrückten. Ferner sind die
Siege nie so entscheidend, daß der Sieger nicht einige Rücksicht nehmen müßte,
und zwar namentlich auf die Gerechtigkeit. Wenn aber der, an den man sich an¬
geschlossen hat, unterliegt, so hat man eine Zuflucht bei ihm, und solange er im¬
stande ist, unterstützt er uns, und wir werden Genossen bei einem Geschick, das
sich wieder bessern kann. Im zweiten Fall aber, wenn die, welche mit einander
kämpften, von der Art sind, daß wir vom Sieger nichts zu fürchten haben, ist eS
umso klüger, Partei zu nehmen, weil wir ans den Untergang des einen mit Hilfe
dessen hinstreben, der ihn, wenn er klug gewesen wäre, hätte retten müssen, und
dieser, wenn er die Oberhand behält, unserm Belieben preisgegeben ist, und es ist
unmöglich für ihn, mit unsrer Unterstützung nicht zu siegen. Hier ist aber zu be¬
merken, daß ein Fürst Wohl darauf zu achten hat, niemals, um andern Schade"
zuzufügen, mit einem Mächtigern, als er selbst ist, ein Bündnis einzugehen, es
sei denn, daß die Not ihn dazu triebe; denn wenn er siegt, so bleibt man seiner
Willkür überlassen, und die Fürsten müssen soviel als möglich vermeiden, von der
Willkür andrer abzuhängen.

(Schluß folgt.)




lNcicchiavelli,

Gegner waren, als die, welche, mit ihr unzufrieden, seine Freunde wurden und
ihm bei der Besitznahme halfen, (Edda,) Vor allem (21, Kapitel) muß ein
Fürst sich bemühen, durch jede seiner Handlungen sich den Ruf eines großen und
ausgezeichneten Mannes zu erwerben, Auch dann wird ein Fürst geachtet, wenn
er wahrer Freund und wahrer Feind ist, d, h, wenn er ohne Nebengedanken sich
sür einen und gegen einen andern erklärt, ein Auftreten, welches immer nützlicher
sein wird als Neutralität. Denn geraten zwei Machthaber in unsrer Nachbarschaft
in Streit, so sind sie entweder so geartet, daß wir, falls einer Sieger bleibt, von
ihm zu fürchten haben, oder sie sind nicht so. In beiden Fällen wird es uns
immer nützlicher sein, wenn wir uns offen erklären und ehrlichen Krieg führen.
Denn im erstem Falle wirst du, wenn du dich nicht erklärst, immer die Beute
des Siegers zur Freude und Befriedigung des Besiegten und hast keinen Anspruch
auf Schutz und Zuflucht; denn wer siegt, mag keine Freunde, die Verdacht er¬
wecken und ihm im Unglücke nicht beistehen, und wer unterliegt, gewährt dir keine
Zuflucht, weil du uicht mit den Waffen in der Hand sein Geschick hast teilen
wollen, , , , Immer wird es geschehen, daß der, welcher nicht unser Freund ist,
uns zur Neutralität bestimmen will, und der, welcher unser Freund ist, verlangen
wird, daß wir uns offen mit den Waffen erklären. In den meisten Fällen schlagen
unentschlossene Fürsten, um der augenblicklichen Gefahr zu entgehen, diesen Weg
der Neutralität ein und führen dadurch meist ihren Sturz herbei. Wenn aber der
Fürst sich entschieden für die eine Partei ausspricht, so hat derjenige, auf dessen
Seite er sich gestellt, falls er siegt, Verpflichtungen gegen ihn, wenn er auch
noch so mächtig ist und wir seinem Belieben überlassen wären,, ., Die Menschen
sind nie so ehrlos, daß sie uns mit solchem Undank unterdrückten. Ferner sind die
Siege nie so entscheidend, daß der Sieger nicht einige Rücksicht nehmen müßte,
und zwar namentlich auf die Gerechtigkeit. Wenn aber der, an den man sich an¬
geschlossen hat, unterliegt, so hat man eine Zuflucht bei ihm, und solange er im¬
stande ist, unterstützt er uns, und wir werden Genossen bei einem Geschick, das
sich wieder bessern kann. Im zweiten Fall aber, wenn die, welche mit einander
kämpften, von der Art sind, daß wir vom Sieger nichts zu fürchten haben, ist eS
umso klüger, Partei zu nehmen, weil wir ans den Untergang des einen mit Hilfe
dessen hinstreben, der ihn, wenn er klug gewesen wäre, hätte retten müssen, und
dieser, wenn er die Oberhand behält, unserm Belieben preisgegeben ist, und es ist
unmöglich für ihn, mit unsrer Unterstützung nicht zu siegen. Hier ist aber zu be¬
merken, daß ein Fürst Wohl darauf zu achten hat, niemals, um andern Schade»
zuzufügen, mit einem Mächtigern, als er selbst ist, ein Bündnis einzugehen, es
sei denn, daß die Not ihn dazu triebe; denn wenn er siegt, so bleibt man seiner
Willkür überlassen, und die Fürsten müssen soviel als möglich vermeiden, von der
Willkür andrer abzuhängen.

(Schluß folgt.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/252>, abgerufen am 27.07.2024.