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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Liu Reichsmonopol auf Getreide - Einfuhr.

nach Absatzgelegenheiten umzusehen. Der Grund war leicht ersichtlich. Es
hatte eben ein Import stattgefunden, der zum wirklichen Bedarfs in gar keinem
Verhältnisse stand. Die Bauern hatten nun allerdings den schlechten Trost,
daß die Importeure in ihre eigne Grube mit hineingefallen waren, aber die
Lage war dadurch um nichts gebessert, und die Bauern mußten bis tief in den
Winter, ja teilweise bis in den Frühling hinein warten, ehe sie zu erbärmlichen
Preisen*) ihre Produkte absetzen konnten, und das alles ungeachtet des Um-
standes, daß die Aussichten auf die 1883er Winterfrucht sich bereits ungünstig
gestalteten, indem durch anhaltende Nässe an vielen Orten die Aussaat verdarb.

Der im allgemeinen gute Sommer des laufenden Jahres hat nun inzwischen
die Sachlage gebessert; man darf wohl sagen, daß die 1883er Ernte nicht eben
schlecht ausgefallen sei. Aber die Hoffnungen, welche der Produzent hieran knüpft,
sind gering, denn er wird unter den bestehenden Verhältnissen seine guten,
vielleicht vorzüglichen Körnerfrüchte trotz geringer Menge zu so niedrigen Preisen
verkaufen müssen, als ob die Qualität mittelmäßig oder die Ernte in Bezug
auf Menge unermeßlich reich ausgefallen wäre.

Daß wenige Jahre wie das geschilderte Jahr 1882 genügen werden,
um in den meisten Fällen das umlaufende Betriebskapital des Landwirtes auf¬
zuzehren, liegt auf der Hand. Es bleibt dann nur die Beschaffung von Geld
durch Veräußerung von Vieh oder Gütern, oder die Aufnahme von fremden
Kapitalien. Wohin beide Wege führen, braucht auch nicht weiter erörtert zu werden.

Wie schou gesagt, soll eine förmliche Darlegung der landwirtschaftlichen
Mißstände im Rahmen dieses Artikels nicht gegeben werden. Es ist von nie¬
mandem zu verlangen, daß er aus Treu und Glauben hinnehme, was hier von
einem, der ja möglicherweise pro äomo schreiben und deshalb übertreiben könnte,
vorgetragen wird. Wer sich die Mühe geben will, den angedeuteten Verhält¬
nissen selbst näherzutreten, wird finde", daß wir keineswegs zu schwarz sehen,
sondern daß die Lage der Dinge thatsächlich gerade schlecht genug ist, um
schleunige Abhilfe zu erfordern.

Auf welche Art könnte nun solche Abhilfe bewerkstelligt werden?

Zunächst möchte man sich versucht fühlen, wie dies die Vertreter des Han¬
dels gern thun, der deutschen Landwirtschaft den Rat zu geben, sich in dem
Maße, in welchem der Körnerbau weniger lohnend wird, von demselben ab¬
zuwenden und sich mehr auf den Bau von Handelsgewächsen zu legen. Hat
man doch Beispiele, daß Gegenden, die sich beim Bau von Körnerfrüchten keines¬
wegs glänzend stellten, durch Einführung der Tabak-, Hopfen- oder Rübenkultur



*) Mannheimer Notirungen vom 1. Februar 1883: Weizen (einheimischer) für 1000 Kgr.
1S0--196, Roggen 156-160, Gerste 1S0--160, Hafer 130--140. Also Preise, welche für
manchen Produzenten die Produktionskosten nicht deckten! Noch ein Beispiel: Berliner No-
tirungen vom 26. November 1882: Weizen 145--205, Roggen 125--145, Hafer 113--155.
Liu Reichsmonopol auf Getreide - Einfuhr.

nach Absatzgelegenheiten umzusehen. Der Grund war leicht ersichtlich. Es
hatte eben ein Import stattgefunden, der zum wirklichen Bedarfs in gar keinem
Verhältnisse stand. Die Bauern hatten nun allerdings den schlechten Trost,
daß die Importeure in ihre eigne Grube mit hineingefallen waren, aber die
Lage war dadurch um nichts gebessert, und die Bauern mußten bis tief in den
Winter, ja teilweise bis in den Frühling hinein warten, ehe sie zu erbärmlichen
Preisen*) ihre Produkte absetzen konnten, und das alles ungeachtet des Um-
standes, daß die Aussichten auf die 1883er Winterfrucht sich bereits ungünstig
gestalteten, indem durch anhaltende Nässe an vielen Orten die Aussaat verdarb.

Der im allgemeinen gute Sommer des laufenden Jahres hat nun inzwischen
die Sachlage gebessert; man darf wohl sagen, daß die 1883er Ernte nicht eben
schlecht ausgefallen sei. Aber die Hoffnungen, welche der Produzent hieran knüpft,
sind gering, denn er wird unter den bestehenden Verhältnissen seine guten,
vielleicht vorzüglichen Körnerfrüchte trotz geringer Menge zu so niedrigen Preisen
verkaufen müssen, als ob die Qualität mittelmäßig oder die Ernte in Bezug
auf Menge unermeßlich reich ausgefallen wäre.

Daß wenige Jahre wie das geschilderte Jahr 1882 genügen werden,
um in den meisten Fällen das umlaufende Betriebskapital des Landwirtes auf¬
zuzehren, liegt auf der Hand. Es bleibt dann nur die Beschaffung von Geld
durch Veräußerung von Vieh oder Gütern, oder die Aufnahme von fremden
Kapitalien. Wohin beide Wege führen, braucht auch nicht weiter erörtert zu werden.

Wie schou gesagt, soll eine förmliche Darlegung der landwirtschaftlichen
Mißstände im Rahmen dieses Artikels nicht gegeben werden. Es ist von nie¬
mandem zu verlangen, daß er aus Treu und Glauben hinnehme, was hier von
einem, der ja möglicherweise pro äomo schreiben und deshalb übertreiben könnte,
vorgetragen wird. Wer sich die Mühe geben will, den angedeuteten Verhält¬
nissen selbst näherzutreten, wird finde», daß wir keineswegs zu schwarz sehen,
sondern daß die Lage der Dinge thatsächlich gerade schlecht genug ist, um
schleunige Abhilfe zu erfordern.

Auf welche Art könnte nun solche Abhilfe bewerkstelligt werden?

Zunächst möchte man sich versucht fühlen, wie dies die Vertreter des Han¬
dels gern thun, der deutschen Landwirtschaft den Rat zu geben, sich in dem
Maße, in welchem der Körnerbau weniger lohnend wird, von demselben ab¬
zuwenden und sich mehr auf den Bau von Handelsgewächsen zu legen. Hat
man doch Beispiele, daß Gegenden, die sich beim Bau von Körnerfrüchten keines¬
wegs glänzend stellten, durch Einführung der Tabak-, Hopfen- oder Rübenkultur



*) Mannheimer Notirungen vom 1. Februar 1883: Weizen (einheimischer) für 1000 Kgr.
1S0—196, Roggen 156-160, Gerste 1S0—160, Hafer 130—140. Also Preise, welche für
manchen Produzenten die Produktionskosten nicht deckten! Noch ein Beispiel: Berliner No-
tirungen vom 26. November 1882: Weizen 145—205, Roggen 125—145, Hafer 113—155.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/237>, abgerufen am 01.09.2024.