Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.Die christlich-soziale Bewegung in England. thun. Aber Enormes ist geschehen. Und fast in allem, was geschah, haben die Fürwahr, auch bei uns giebt es noch viel zu thun. So groß zwar ist Unheilvoll ists doch allerwärts, Die christlich-soziale Bewegung in England. thun. Aber Enormes ist geschehen. Und fast in allem, was geschah, haben die Fürwahr, auch bei uns giebt es noch viel zu thun. So groß zwar ist Unheilvoll ists doch allerwärts, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0182" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154347"/> <fw type="header" place="top"> Die christlich-soziale Bewegung in England.</fw><lb/> <p xml:id="ID_500" prev="#ID_499"> thun. Aber Enormes ist geschehen. Und fast in allem, was geschah, haben die<lb/> christlichen Sozialisten die Initiative genommen, haben sie den Mut gehabt, mit<lb/> Lehre und Beispiel voranzugehen. Und welche Stellung auch der einzelne<lb/> Beobachter zu den verschiedenen Theoremen und Handlungen der christlichen<lb/> Sozialisten einnehmen mag, in dem einen Satz wird das Urteil aller über die<lb/> christlich-soziale Bewegung immer übereinstimmen: ?srtra.n8ion dsnöksoisnäo.</p><lb/> <p xml:id="ID_501"> Fürwahr, auch bei uns giebt es noch viel zu thun. So groß zwar ist<lb/> die Kluft zwischen den höhern und niedern Klassen in Deutschland nie gewesen,<lb/> als sie es in England war, denn wir besitzen einen breiteren Mittelstand, und<lb/> großer Reichtum grenzt nicht so hart an grenzenloses Elend. Aber eine immerhin<lb/> breite Kluft ist durch die sozialdemokratische Bewegung hervorgerufen worden,<lb/> und von feiten der höheren Klassen geschieht noch immer nichts, um die getrennten<lb/> Brüder wieder zurückzurufen. Nur der Reichskanzler, unterstützt von dem greisen<lb/> Kaiser, ist der einzige, welcher die sozialdemokratische Bewegung nicht bloß mit<lb/> der Polizei niederhalten will. Aber welche Mühe und Kämpfe für ihn, ehe er<lb/> mit seinen sozialpolitischen Reformen durchdringen kann, und welche Mühsal<lb/> steht noch bevor! Der Staat aber kann allein nicht alles durchführen, auch die<lb/> Gesellschaft muß das Ihrige thun. Der Liberalismus kennt keine andern Ziele<lb/> als die Entfesselung von den politischen Schranken, wodurch seine Herrschaft<lb/> gesichert werden soll; er ist trotz aller hochtönenden Phrasen nichts als die<lb/> Politik des Egoismus. Die konservative Partei aber verbohrt sich in Velleitäten<lb/> einer nicht mehr lebenskräftigen Orthodoxie; sie, die vor allem berufen wäre,<lb/> dem erhabenen Beispiele des Kaisers und seines ersten Gehilfen zu folgen. Aber<lb/> wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben. Die Überwindung des Materialismus<lb/> durch die Anerkennung des Waltens eines ewigen Sittengesetzes und durch die<lb/> Wahl der Richtschnur desselben für die Thätigkeit im öffentlichen und privaten<lb/> Leben gewinnt immer größeren Boden in allen Schichten unsers Volkes, und<lb/> passender als zu der Zeit, wo es ausgesprochen wurde, erscheint heute das<lb/> Wort Uhlands:</p><lb/> <quote> Unheilvoll ists doch allerwärts,<lb/> Doch seh' ich manches Augen glühen,<lb/> Und pochen hör' ich manches Herz.</quote><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0182]
Die christlich-soziale Bewegung in England.
thun. Aber Enormes ist geschehen. Und fast in allem, was geschah, haben die
christlichen Sozialisten die Initiative genommen, haben sie den Mut gehabt, mit
Lehre und Beispiel voranzugehen. Und welche Stellung auch der einzelne
Beobachter zu den verschiedenen Theoremen und Handlungen der christlichen
Sozialisten einnehmen mag, in dem einen Satz wird das Urteil aller über die
christlich-soziale Bewegung immer übereinstimmen: ?srtra.n8ion dsnöksoisnäo.
Fürwahr, auch bei uns giebt es noch viel zu thun. So groß zwar ist
die Kluft zwischen den höhern und niedern Klassen in Deutschland nie gewesen,
als sie es in England war, denn wir besitzen einen breiteren Mittelstand, und
großer Reichtum grenzt nicht so hart an grenzenloses Elend. Aber eine immerhin
breite Kluft ist durch die sozialdemokratische Bewegung hervorgerufen worden,
und von feiten der höheren Klassen geschieht noch immer nichts, um die getrennten
Brüder wieder zurückzurufen. Nur der Reichskanzler, unterstützt von dem greisen
Kaiser, ist der einzige, welcher die sozialdemokratische Bewegung nicht bloß mit
der Polizei niederhalten will. Aber welche Mühe und Kämpfe für ihn, ehe er
mit seinen sozialpolitischen Reformen durchdringen kann, und welche Mühsal
steht noch bevor! Der Staat aber kann allein nicht alles durchführen, auch die
Gesellschaft muß das Ihrige thun. Der Liberalismus kennt keine andern Ziele
als die Entfesselung von den politischen Schranken, wodurch seine Herrschaft
gesichert werden soll; er ist trotz aller hochtönenden Phrasen nichts als die
Politik des Egoismus. Die konservative Partei aber verbohrt sich in Velleitäten
einer nicht mehr lebenskräftigen Orthodoxie; sie, die vor allem berufen wäre,
dem erhabenen Beispiele des Kaisers und seines ersten Gehilfen zu folgen. Aber
wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben. Die Überwindung des Materialismus
durch die Anerkennung des Waltens eines ewigen Sittengesetzes und durch die
Wahl der Richtschnur desselben für die Thätigkeit im öffentlichen und privaten
Leben gewinnt immer größeren Boden in allen Schichten unsers Volkes, und
passender als zu der Zeit, wo es ausgesprochen wurde, erscheint heute das
Wort Uhlands:
Unheilvoll ists doch allerwärts,
Doch seh' ich manches Augen glühen,
Und pochen hör' ich manches Herz.
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