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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Georg Manz,

nisse der Quellen nur als nachträgliche Belege unsrer Kombinationen zu ver¬
wenden. Was einem Möser gestattet war, darf nicht jeder wagen, und am
Ende bauen wir lange genug zu thu" gehabt, um das Bild des deutscheu Alter¬
tums auch von seiner Übermalung zu reinigen. Andre freilich haben der Ver¬
fassungsgeschichte einen ähnlichen Vvnvnrf gemacht: was sie den einen zu wellig,
that sie andern, namentlich in diesem ersten Baude, zu viel. Diesen Wider¬
spruch habe ich sorgfältig zu beachten mich bemüht und mir manche" Abzug ge¬
fallen lassen, aber freilich mehr darauf verzichten können, wirklich nach einem
Zusammenhang in dem staatlichen und sonstigen Leben der alten Deutschen zu
suchen. Wo so Großes später entgegentritt, da muß eine Grundlage gewesen
sein, von der aus es möglich war, nicht bloß für sich, sondern allgemein für
die abendländische Welt eine staatliche Entwicklung zu begründen, auf der die
Gegenwart beruht." Goldne Worte, die das eigenartige wahrhafte Streben des
Mannes uns enthüllen, uns zeigen, wie hoch und ernst er das ihm aufgegebene
Tagewerk betrachtet.

Fast zahllos sind die kleinern Arbeiten des Meisters, wie sie in Rezensionen,
größern und kleinern Artikeln, zu denen namentlich die Göttinger gelehrten
Anzeigen und die sonstigen Blätter der dortigen Gesellschaft der Wissenschaften
bereitwillig ihre Spalten öffneten, niedergelegt wurden. Und nicht bloß der
historischen Arbeit war die Kraft unsres Lehrers gewidmet, es ist wohl allgemein
bekannt, mit welch liebevoller Sorgfalt er die Briefschaften zusammenstellte, die
er in den zwei Bänden des Buches "Caroline" (Caroline Schelling) und in
dem jüngst erschienenen Nachtrag dazu mit erläuternden Bemerkungen ver¬
bunden niederlegte. Rechnet man hinzu, daß jeder der Schüler und Freunde
stets bei all seinen wissenschaftlichen Nöten in Waitz den liebevollsten, bereit¬
willigsten Förderer und Teilnehmer fand, daß die Universität ihm wiederholt
die höchste" Ehrenämter, die sie zu vergeben und die doch immer eine gewaltige
Arbeitskraft erfordern, anvertraute, daß er ein überaus thätiges Mitglied der
Münchener historischen Kommission war, daneben die Prüfungen für die Staats¬
examina abzuhalten hatte, daß eine ausgebreitete Korrespondenz mit peinlichster
Sorgfalt unterhalten wurde, so ergreift uns gerechtes Staunen über die schier
unverwüstliche Arbeitskraft des einzigen Mannes. Von Jahr zu Jahr mehrte
sich die Zahl seiner Schüler, es kam dahin, daß man in Deutschland fast all¬
gemein glaubte, eine rationelle Ausbildung könne der junge Historiker nur in
Göttingen holen.

Als die Neuordnung der Nonumsnt" <F6rmWms unabweisbare Notwendig¬
keit geworden war, sie von dem ncugeeinten deutschen Reiche geplant und durch¬
geführt wurde, war die allgemeine Stimme, nur Waitz dürfe die Leitung an¬
vertraut werden. Es war ein Aufgeben der akademischen Thätigkeit, ein Sich¬
losreißen von vielen angenehm gewordenen Lebensgewohnheiten damit verbunden.
Aber Waitz zögerte nicht, als er den Ruf erhielt. Seit acht Jahren wirkt er


Georg Manz,

nisse der Quellen nur als nachträgliche Belege unsrer Kombinationen zu ver¬
wenden. Was einem Möser gestattet war, darf nicht jeder wagen, und am
Ende bauen wir lange genug zu thu» gehabt, um das Bild des deutscheu Alter¬
tums auch von seiner Übermalung zu reinigen. Andre freilich haben der Ver¬
fassungsgeschichte einen ähnlichen Vvnvnrf gemacht: was sie den einen zu wellig,
that sie andern, namentlich in diesem ersten Baude, zu viel. Diesen Wider¬
spruch habe ich sorgfältig zu beachten mich bemüht und mir manche» Abzug ge¬
fallen lassen, aber freilich mehr darauf verzichten können, wirklich nach einem
Zusammenhang in dem staatlichen und sonstigen Leben der alten Deutschen zu
suchen. Wo so Großes später entgegentritt, da muß eine Grundlage gewesen
sein, von der aus es möglich war, nicht bloß für sich, sondern allgemein für
die abendländische Welt eine staatliche Entwicklung zu begründen, auf der die
Gegenwart beruht." Goldne Worte, die das eigenartige wahrhafte Streben des
Mannes uns enthüllen, uns zeigen, wie hoch und ernst er das ihm aufgegebene
Tagewerk betrachtet.

Fast zahllos sind die kleinern Arbeiten des Meisters, wie sie in Rezensionen,
größern und kleinern Artikeln, zu denen namentlich die Göttinger gelehrten
Anzeigen und die sonstigen Blätter der dortigen Gesellschaft der Wissenschaften
bereitwillig ihre Spalten öffneten, niedergelegt wurden. Und nicht bloß der
historischen Arbeit war die Kraft unsres Lehrers gewidmet, es ist wohl allgemein
bekannt, mit welch liebevoller Sorgfalt er die Briefschaften zusammenstellte, die
er in den zwei Bänden des Buches „Caroline" (Caroline Schelling) und in
dem jüngst erschienenen Nachtrag dazu mit erläuternden Bemerkungen ver¬
bunden niederlegte. Rechnet man hinzu, daß jeder der Schüler und Freunde
stets bei all seinen wissenschaftlichen Nöten in Waitz den liebevollsten, bereit¬
willigsten Förderer und Teilnehmer fand, daß die Universität ihm wiederholt
die höchste» Ehrenämter, die sie zu vergeben und die doch immer eine gewaltige
Arbeitskraft erfordern, anvertraute, daß er ein überaus thätiges Mitglied der
Münchener historischen Kommission war, daneben die Prüfungen für die Staats¬
examina abzuhalten hatte, daß eine ausgebreitete Korrespondenz mit peinlichster
Sorgfalt unterhalten wurde, so ergreift uns gerechtes Staunen über die schier
unverwüstliche Arbeitskraft des einzigen Mannes. Von Jahr zu Jahr mehrte
sich die Zahl seiner Schüler, es kam dahin, daß man in Deutschland fast all¬
gemein glaubte, eine rationelle Ausbildung könne der junge Historiker nur in
Göttingen holen.

Als die Neuordnung der Nonumsnt» <F6rmWms unabweisbare Notwendig¬
keit geworden war, sie von dem ncugeeinten deutschen Reiche geplant und durch¬
geführt wurde, war die allgemeine Stimme, nur Waitz dürfe die Leitung an¬
vertraut werden. Es war ein Aufgeben der akademischen Thätigkeit, ein Sich¬
losreißen von vielen angenehm gewordenen Lebensgewohnheiten damit verbunden.
Aber Waitz zögerte nicht, als er den Ruf erhielt. Seit acht Jahren wirkt er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/135>, abgerufen am 01.09.2024.