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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Georg Waitz.

Untersuchung und Kenntlichmachung der von diesem benutzten Quellen zu For-
schungen über die ganze Historiographie bis zu den Anfängen der Staufer.

Unmöglich können hier alle von Waitz für die Nomnnonw besorgten Aus¬
gaben besprochen oder auch uur aufgezählt werden; nur derjenige, der selbst
Tag für Tag mit unsern mittelalterlichen Geschichtsquellen zu arbeiten gewohnt
ist, vermag die gewaltige Arbeitskraft des Herausgebers ganz zu wür¬
dige". Geradezu staunen muß mau aber, wenn man erwägt, wie viel noch un-
gedruckt in den Sammlungen der NouurQWtg. vou Waitzscheu Arbeiten liegt.
Ein sogenanntes Direktorium der sämtliche" Quellen deutscher Geschichte bis zum
Beginn der Neuzeit dankt ihm Plan und Anlage, von einer Menge von Hand¬
schriften wurden Kollationen angefertigt, die erst lange Jahre nachher von
andren Mitarbeitern ihren Ausgaben zu Gründe gelegt wurden, eine ga"ze
Reihe von Kaiserurkunden wurden teils aus den Originalen, teils aus Chartularen
kopirt. Wissenschaftliche, für die UomnnMtÄ unternommene Reisen führten
Waitz nach Südfrankreich, nach Paris, Metz, Neues, Trier, nach Thüringen und
Sachsen. In Paris führte eine mündliche Hinweisung von Kunst zu der wich¬
tigen Entdeckung jener an den Rand eines uralten Kodex geschriebenen Nach¬
richten über Vulfila, in Merseburg wurden die beiden kleinen in alliterirender
Form aufgezeichneten Zaubersprüche aus den grauesten Jahrhunderten unsrer
Vorzeit aufgefunden.

Wohl durfte Waitz später gestehen, daß es reiche Lehr- und Wanderjahre
gewesen, die ein gütiges Geschick ihm bereitet. Sie fanden ihren Abschluß durch
einen ehrenvollen Ruf als ordentlicher Professor der Geschichte nach Kiel. Fünf
Jahre akademischer Wirksamkeit folgten. Die Schleswig-holsteinischen Verhält¬
nisse brachten es mit sich, daß Waitz auch auf dem politischen Kampfplatze seine
Kräfte maß. Es war das gute alte Recht des deutscheu Landes, für welches
er in Verbindung mit mehreren seiner Kollegen schriftstellerisch eintrat, in
Gemeinschaft mit Droysen ist er es gewesen, der die von den Kollegen aufge¬
setzte Arbeit in letzter Redaktion feststellte. Der Konflikt mit der dänischen Re¬
gierung blieb nicht aus. Schon war der Ruf nach Göttingen an Waitz ge¬
langt und angenommen, als die gewaltsamen Erschütterungen des Jahres 1848
auch in Schleswig-Holstein sich geltend machten. Dem Patrioten war sein
Weg vorgeschrieben. Er stellte sich der in Kiel eingesetzten provisorischen Re¬
gierung zur Verfügung. Von dieser als politischer Agent nach Berlin gesandt,
arbeitete er darauf hin, für die preußischen Truppen den Befehl zum Über¬
schreiten der Eider, später die Aufnahme Schleswigs in den deutschen Bund
zu erwirken. Während dieses Aufenthaltes in der preußischen Hauptstadt waren
die Wahlen zur Nationalversammlung in Frankfurt ausgeschrieben. Der Wahl¬
kreis Kiel entsandte Waitz. Er selbst' hat seine dortige Thätigkeit in den kurze"
Worten zusammengefaßt: "Ich schloß mich der Partei des Kasinos, später des
Weidenbusches an. Als Mitglied des Verfassungsausschusses und des soge-


Grmzboten IV. 1883. 16
Georg Waitz.

Untersuchung und Kenntlichmachung der von diesem benutzten Quellen zu For-
schungen über die ganze Historiographie bis zu den Anfängen der Staufer.

Unmöglich können hier alle von Waitz für die Nomnnonw besorgten Aus¬
gaben besprochen oder auch uur aufgezählt werden; nur derjenige, der selbst
Tag für Tag mit unsern mittelalterlichen Geschichtsquellen zu arbeiten gewohnt
ist, vermag die gewaltige Arbeitskraft des Herausgebers ganz zu wür¬
dige». Geradezu staunen muß mau aber, wenn man erwägt, wie viel noch un-
gedruckt in den Sammlungen der NouurQWtg. vou Waitzscheu Arbeiten liegt.
Ein sogenanntes Direktorium der sämtliche» Quellen deutscher Geschichte bis zum
Beginn der Neuzeit dankt ihm Plan und Anlage, von einer Menge von Hand¬
schriften wurden Kollationen angefertigt, die erst lange Jahre nachher von
andren Mitarbeitern ihren Ausgaben zu Gründe gelegt wurden, eine ga»ze
Reihe von Kaiserurkunden wurden teils aus den Originalen, teils aus Chartularen
kopirt. Wissenschaftliche, für die UomnnMtÄ unternommene Reisen führten
Waitz nach Südfrankreich, nach Paris, Metz, Neues, Trier, nach Thüringen und
Sachsen. In Paris führte eine mündliche Hinweisung von Kunst zu der wich¬
tigen Entdeckung jener an den Rand eines uralten Kodex geschriebenen Nach¬
richten über Vulfila, in Merseburg wurden die beiden kleinen in alliterirender
Form aufgezeichneten Zaubersprüche aus den grauesten Jahrhunderten unsrer
Vorzeit aufgefunden.

Wohl durfte Waitz später gestehen, daß es reiche Lehr- und Wanderjahre
gewesen, die ein gütiges Geschick ihm bereitet. Sie fanden ihren Abschluß durch
einen ehrenvollen Ruf als ordentlicher Professor der Geschichte nach Kiel. Fünf
Jahre akademischer Wirksamkeit folgten. Die Schleswig-holsteinischen Verhält¬
nisse brachten es mit sich, daß Waitz auch auf dem politischen Kampfplatze seine
Kräfte maß. Es war das gute alte Recht des deutscheu Landes, für welches
er in Verbindung mit mehreren seiner Kollegen schriftstellerisch eintrat, in
Gemeinschaft mit Droysen ist er es gewesen, der die von den Kollegen aufge¬
setzte Arbeit in letzter Redaktion feststellte. Der Konflikt mit der dänischen Re¬
gierung blieb nicht aus. Schon war der Ruf nach Göttingen an Waitz ge¬
langt und angenommen, als die gewaltsamen Erschütterungen des Jahres 1848
auch in Schleswig-Holstein sich geltend machten. Dem Patrioten war sein
Weg vorgeschrieben. Er stellte sich der in Kiel eingesetzten provisorischen Re¬
gierung zur Verfügung. Von dieser als politischer Agent nach Berlin gesandt,
arbeitete er darauf hin, für die preußischen Truppen den Befehl zum Über¬
schreiten der Eider, später die Aufnahme Schleswigs in den deutschen Bund
zu erwirken. Während dieses Aufenthaltes in der preußischen Hauptstadt waren
die Wahlen zur Nationalversammlung in Frankfurt ausgeschrieben. Der Wahl¬
kreis Kiel entsandte Waitz. Er selbst' hat seine dortige Thätigkeit in den kurze»
Worten zusammengefaßt: „Ich schloß mich der Partei des Kasinos, später des
Weidenbusches an. Als Mitglied des Verfassungsausschusses und des soge-


Grmzboten IV. 1883. 16
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[0131] Georg Waitz. Untersuchung und Kenntlichmachung der von diesem benutzten Quellen zu For- schungen über die ganze Historiographie bis zu den Anfängen der Staufer. Unmöglich können hier alle von Waitz für die Nomnnonw besorgten Aus¬ gaben besprochen oder auch uur aufgezählt werden; nur derjenige, der selbst Tag für Tag mit unsern mittelalterlichen Geschichtsquellen zu arbeiten gewohnt ist, vermag die gewaltige Arbeitskraft des Herausgebers ganz zu wür¬ dige». Geradezu staunen muß mau aber, wenn man erwägt, wie viel noch un- gedruckt in den Sammlungen der NouurQWtg. vou Waitzscheu Arbeiten liegt. Ein sogenanntes Direktorium der sämtliche» Quellen deutscher Geschichte bis zum Beginn der Neuzeit dankt ihm Plan und Anlage, von einer Menge von Hand¬ schriften wurden Kollationen angefertigt, die erst lange Jahre nachher von andren Mitarbeitern ihren Ausgaben zu Gründe gelegt wurden, eine ga»ze Reihe von Kaiserurkunden wurden teils aus den Originalen, teils aus Chartularen kopirt. Wissenschaftliche, für die UomnnMtÄ unternommene Reisen führten Waitz nach Südfrankreich, nach Paris, Metz, Neues, Trier, nach Thüringen und Sachsen. In Paris führte eine mündliche Hinweisung von Kunst zu der wich¬ tigen Entdeckung jener an den Rand eines uralten Kodex geschriebenen Nach¬ richten über Vulfila, in Merseburg wurden die beiden kleinen in alliterirender Form aufgezeichneten Zaubersprüche aus den grauesten Jahrhunderten unsrer Vorzeit aufgefunden. Wohl durfte Waitz später gestehen, daß es reiche Lehr- und Wanderjahre gewesen, die ein gütiges Geschick ihm bereitet. Sie fanden ihren Abschluß durch einen ehrenvollen Ruf als ordentlicher Professor der Geschichte nach Kiel. Fünf Jahre akademischer Wirksamkeit folgten. Die Schleswig-holsteinischen Verhält¬ nisse brachten es mit sich, daß Waitz auch auf dem politischen Kampfplatze seine Kräfte maß. Es war das gute alte Recht des deutscheu Landes, für welches er in Verbindung mit mehreren seiner Kollegen schriftstellerisch eintrat, in Gemeinschaft mit Droysen ist er es gewesen, der die von den Kollegen aufge¬ setzte Arbeit in letzter Redaktion feststellte. Der Konflikt mit der dänischen Re¬ gierung blieb nicht aus. Schon war der Ruf nach Göttingen an Waitz ge¬ langt und angenommen, als die gewaltsamen Erschütterungen des Jahres 1848 auch in Schleswig-Holstein sich geltend machten. Dem Patrioten war sein Weg vorgeschrieben. Er stellte sich der in Kiel eingesetzten provisorischen Re¬ gierung zur Verfügung. Von dieser als politischer Agent nach Berlin gesandt, arbeitete er darauf hin, für die preußischen Truppen den Befehl zum Über¬ schreiten der Eider, später die Aufnahme Schleswigs in den deutschen Bund zu erwirken. Während dieses Aufenthaltes in der preußischen Hauptstadt waren die Wahlen zur Nationalversammlung in Frankfurt ausgeschrieben. Der Wahl¬ kreis Kiel entsandte Waitz. Er selbst' hat seine dortige Thätigkeit in den kurze» Worten zusammengefaßt: „Ich schloß mich der Partei des Kasinos, später des Weidenbusches an. Als Mitglied des Verfassungsausschusses und des soge- Grmzboten IV. 1883. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/131>, abgerufen am 27.07.2024.