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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Line unbekannte Schrift Tuthers über die Musik.

ich nicht zufrieden; denn die Musica ist eine Gabe und Geschenk Gottes, nicht
ein Menschengeschenk. So vertreibet sie auch den Teufel und macht die Leute
fröhlich. Man vergißt dabei alles Zornes, Unkeuschheit, Hoffahrt und andre
Laster. Ich gebe nach der Theologie der Musica den nächsten looum und
höchste Ehre!" Und an einer andern Stelle: "Der Teufel ist ein trauriger
Geist und macht traurige Leute, darum kaun er Fröhlichkeit nicht leiden: daher
kommts auch, daß er vor der Musica aufs weiteste flieht, bleibt nicht, wenn
mau singt, besonders geistliche Lieder. Also linderte David mit seiner Harfe
dem Saul seine Anfechtung, da ihn der Teufel plagte."

Als der genannte Johann Walther, Luthers treuer Gehilfe bei der Ein¬
richtung der deutschen Messe, der seit 1530 an der Schule zu Torgau den
Musikunterricht erteilte, im Jahre 1538 sein "Lob und Preis der löblichen
Kunst Musica" herausgab, schmückte Luther dies Gedicht mit einer poetischen
"Vorrede auf alle guten Gesangbücher," dem bekannten Lobe der "Frau
Musica," das anhebt mit den Worten:


Für allen freuten auf Erden
Kan niemand kein feiner werden,
Denn die ich geb mit mein singen
Und mit manchem süssen klingen.

In demselben Jahre verfaßte Luther aber auch eine "allen Liebhabern der
freien Kunst Musica" gewidmete Vorrede, die bisher sämtlichen Herausgeber"
von Luthers Werken entgangen und daher in keiner Ausgabe seiner
Werke verzeichnet ist. Eine Untersuchung über das Leben und Wirken
Walthers führte zu der Entdeckung dieses Schatzes, der Jahre lang unbenutzt
geruht hat und nun zum Glück gerade in demjenigen Jahre ans Licht gezogen
worden ist, in welchem wir die Wiederkehr des vierhundertsten Geburtstages
Luthers feiern.

Bisher nahm man an, daß Johann Walthers "Lob und Preis der löb¬
lichen Kunst Musica," welches 1538 erschien und von welchem auf der königlichen
Bibliothek zu Berlin sowie auf den großherzoglichen Bibliotheken zu Weimar
und Oldenburg Exemplare vorhanden sind (auf der letztern jedoch mit hand¬
schriftlich unrichtig ergänzten Titel), im Jahre 1564 von neuem gedruckt worden
sei. Eine Vergleichung der 1564 erschienenen Ausgabe, von der die königliche
Universitätsbibliothek zu Göttingen ein Exemplar besitzt, mit denen von 1538
lehrte jedoch, daß wir es hier mit einem zweiten, von dem ersten völlig ver¬
schiedenen Werke zu thun haben, dessen Wert deshalb umso höher anzuschlagen
ist, weil es den deutschen Originaldruck der eben erwähnten Vorrede Luthers
enthält.

Zwar hat bereits N. Forkel in seiner "Geschichte der Musik" (Bd. 2,
S. 76--79) dieses Vorwort unter der Überschrift Duoomion Nusioss abge-


Line unbekannte Schrift Tuthers über die Musik.

ich nicht zufrieden; denn die Musica ist eine Gabe und Geschenk Gottes, nicht
ein Menschengeschenk. So vertreibet sie auch den Teufel und macht die Leute
fröhlich. Man vergißt dabei alles Zornes, Unkeuschheit, Hoffahrt und andre
Laster. Ich gebe nach der Theologie der Musica den nächsten looum und
höchste Ehre!" Und an einer andern Stelle: „Der Teufel ist ein trauriger
Geist und macht traurige Leute, darum kaun er Fröhlichkeit nicht leiden: daher
kommts auch, daß er vor der Musica aufs weiteste flieht, bleibt nicht, wenn
mau singt, besonders geistliche Lieder. Also linderte David mit seiner Harfe
dem Saul seine Anfechtung, da ihn der Teufel plagte."

Als der genannte Johann Walther, Luthers treuer Gehilfe bei der Ein¬
richtung der deutschen Messe, der seit 1530 an der Schule zu Torgau den
Musikunterricht erteilte, im Jahre 1538 sein „Lob und Preis der löblichen
Kunst Musica" herausgab, schmückte Luther dies Gedicht mit einer poetischen
„Vorrede auf alle guten Gesangbücher," dem bekannten Lobe der „Frau
Musica," das anhebt mit den Worten:


Für allen freuten auf Erden
Kan niemand kein feiner werden,
Denn die ich geb mit mein singen
Und mit manchem süssen klingen.

In demselben Jahre verfaßte Luther aber auch eine „allen Liebhabern der
freien Kunst Musica" gewidmete Vorrede, die bisher sämtlichen Herausgeber»
von Luthers Werken entgangen und daher in keiner Ausgabe seiner
Werke verzeichnet ist. Eine Untersuchung über das Leben und Wirken
Walthers führte zu der Entdeckung dieses Schatzes, der Jahre lang unbenutzt
geruht hat und nun zum Glück gerade in demjenigen Jahre ans Licht gezogen
worden ist, in welchem wir die Wiederkehr des vierhundertsten Geburtstages
Luthers feiern.

Bisher nahm man an, daß Johann Walthers „Lob und Preis der löb¬
lichen Kunst Musica," welches 1538 erschien und von welchem auf der königlichen
Bibliothek zu Berlin sowie auf den großherzoglichen Bibliotheken zu Weimar
und Oldenburg Exemplare vorhanden sind (auf der letztern jedoch mit hand¬
schriftlich unrichtig ergänzten Titel), im Jahre 1564 von neuem gedruckt worden
sei. Eine Vergleichung der 1564 erschienenen Ausgabe, von der die königliche
Universitätsbibliothek zu Göttingen ein Exemplar besitzt, mit denen von 1538
lehrte jedoch, daß wir es hier mit einem zweiten, von dem ersten völlig ver¬
schiedenen Werke zu thun haben, dessen Wert deshalb umso höher anzuschlagen
ist, weil es den deutschen Originaldruck der eben erwähnten Vorrede Luthers
enthält.

Zwar hat bereits N. Forkel in seiner „Geschichte der Musik" (Bd. 2,
S. 76—79) dieses Vorwort unter der Überschrift Duoomion Nusioss abge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/86>, abgerufen am 08.09.2024.