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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Davidsbiindleö.

mag, man möchte sagen, Iwlöus volsns und ohne etwas davon zu wissen als
stilles Mitglied des Bundes von Schumann betrachtet worden sein. In diesem
Sinne gehörte auch Mendelssohn nnter die Bündler. Sicher zählten zu ihnen
Stephen Heller (Jecmquirit) und Zuccalmaglio (Se. Diamond), außerdem eine große
Reihe heute vergessener. Auch eine Bttndlerin fehlte nicht: Clara Wieck (Chiara),
bald Schumanns Verlobte. Rührend ist die noch unenträtsclte Gestalt des
"alten Hauptmanns," dem die andern so gern und so schön vorspielten. "Sein
Zuhören erhöhte -- bekennt einer der Bündler --, ich herrschte über ihn, führte
ihn, wohin ich wollte, und dennoch kam es mir vor, als empfing ich erst alles
von ihm. Wenn er dann mit einer leisen, klaren Stimme zu sprechen anfing,
und über die hohe Würde der Kunst, so geschah es wie aus höherer Eingebung,
so unpersönlich, dichterisch und wahr. Das Wort Tadel kannte er gar nicht.
Mußte er gezwungen etwas unbedeutendes anhören, so sah man ihm an, daß
es für ihn gar nicht existire."

Florestan und Eusebius waren aber nicht bloß schriftstellerisch thätig, sie
suchten gleichzeitig auch durch eigne Schöpfungen ihre Gedanken zur That zu
machen. Die ganze Reihe von Schumanns Klavierwerken bis zum "Faschings¬
schwank" kann man als Davidsbündlerkompositioneu bezeichnen, in denen die
Doppelnatur Schumanns in derselben Weise zum Ausdruck kommt wie in seinen
Kritiken. Jansen beschränkt sich auf die Besprechung derjenigen, die Schumann
selbst bei der Veröffentlichung ausdrücklich als Werke des Florestan und Eusebius
bezeichnet hat oder bezeichnen wollte, begnügt sich auch mit Notizen über ihre
Entstehungsgeschichte und erste Aufnahme und verzichtet auf eine ästhetische
Würdigung derselben. Aber auch so sind seine Mitteilungen von hohem Interesse.
Die besprochenen Werke sind: die ^is-ruoll-Sonate (1836), "Clara zugeeignet
von Florestan und Eusebius," die Walther Goethe, dem Enkel des Dichters,
gewidmeten "Davidsbündlertäuze" (1837), der "Carnaval," das "Kouzert ohne
Orchester" und die "symphonischen Etüden." Die prachtvolle und äußerst
launige letzte Nummer des "Carnaval," der "Marsch der Davidsbündler gegen
die Philister" -- oder wie Schumann, trotz seines Eifers, die französischen Noten¬
titel dnrch deutsche zu ersetzen, dem Verleger zuliebe thörichterweise schreiben
mußte: MÄrous clss OaviÄsbüuÄlsr eoutrs iss l^uilistins --, hat dazu ver¬
leitet, auch die "Davidsbündlertünze" so aufzufassen, als handle es sich um
"Tänze, welche die Davidsbündler mit den Philistern hatten." Diese Ansicht
ist bisher allgemein nnter den Schumannspielcrn verbreitet gewesen. Jansen
überrascht uns durch die Mitteilung von zwei Stellen ans Briefen Schumanns
an seine Braut, die eine gänzlich andre Auffassung an die Hand geben. Am
Sylvester 1837 schreibt er ihr: "Die Davidstänze und Fantasiestücke werden
in acht Tagen fertig -- ich schicke sie dir, wenn dn willst. In den Tänzen sind
viele Hochzcitsgedanken -- sie sind in der schönsten Erregung entstanden, wie
ich mich nur je besinnen kann. Ich werde sie dir einmal erklären." Und im


Die Davidsbiindleö.

mag, man möchte sagen, Iwlöus volsns und ohne etwas davon zu wissen als
stilles Mitglied des Bundes von Schumann betrachtet worden sein. In diesem
Sinne gehörte auch Mendelssohn nnter die Bündler. Sicher zählten zu ihnen
Stephen Heller (Jecmquirit) und Zuccalmaglio (Se. Diamond), außerdem eine große
Reihe heute vergessener. Auch eine Bttndlerin fehlte nicht: Clara Wieck (Chiara),
bald Schumanns Verlobte. Rührend ist die noch unenträtsclte Gestalt des
„alten Hauptmanns," dem die andern so gern und so schön vorspielten. „Sein
Zuhören erhöhte — bekennt einer der Bündler —, ich herrschte über ihn, führte
ihn, wohin ich wollte, und dennoch kam es mir vor, als empfing ich erst alles
von ihm. Wenn er dann mit einer leisen, klaren Stimme zu sprechen anfing,
und über die hohe Würde der Kunst, so geschah es wie aus höherer Eingebung,
so unpersönlich, dichterisch und wahr. Das Wort Tadel kannte er gar nicht.
Mußte er gezwungen etwas unbedeutendes anhören, so sah man ihm an, daß
es für ihn gar nicht existire."

Florestan und Eusebius waren aber nicht bloß schriftstellerisch thätig, sie
suchten gleichzeitig auch durch eigne Schöpfungen ihre Gedanken zur That zu
machen. Die ganze Reihe von Schumanns Klavierwerken bis zum „Faschings¬
schwank" kann man als Davidsbündlerkompositioneu bezeichnen, in denen die
Doppelnatur Schumanns in derselben Weise zum Ausdruck kommt wie in seinen
Kritiken. Jansen beschränkt sich auf die Besprechung derjenigen, die Schumann
selbst bei der Veröffentlichung ausdrücklich als Werke des Florestan und Eusebius
bezeichnet hat oder bezeichnen wollte, begnügt sich auch mit Notizen über ihre
Entstehungsgeschichte und erste Aufnahme und verzichtet auf eine ästhetische
Würdigung derselben. Aber auch so sind seine Mitteilungen von hohem Interesse.
Die besprochenen Werke sind: die ^is-ruoll-Sonate (1836), „Clara zugeeignet
von Florestan und Eusebius," die Walther Goethe, dem Enkel des Dichters,
gewidmeten „Davidsbündlertäuze" (1837), der „Carnaval," das „Kouzert ohne
Orchester" und die „symphonischen Etüden." Die prachtvolle und äußerst
launige letzte Nummer des „Carnaval," der „Marsch der Davidsbündler gegen
die Philister" — oder wie Schumann, trotz seines Eifers, die französischen Noten¬
titel dnrch deutsche zu ersetzen, dem Verleger zuliebe thörichterweise schreiben
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leitet, auch die „Davidsbündlertünze" so aufzufassen, als handle es sich um
„Tänze, welche die Davidsbündler mit den Philistern hatten." Diese Ansicht
ist bisher allgemein nnter den Schumannspielcrn verbreitet gewesen. Jansen
überrascht uns durch die Mitteilung von zwei Stellen ans Briefen Schumanns
an seine Braut, die eine gänzlich andre Auffassung an die Hand geben. Am
Sylvester 1837 schreibt er ihr: „Die Davidstänze und Fantasiestücke werden
in acht Tagen fertig — ich schicke sie dir, wenn dn willst. In den Tänzen sind
viele Hochzcitsgedanken — sie sind in der schönsten Erregung entstanden, wie
ich mich nur je besinnen kann. Ich werde sie dir einmal erklären." Und im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/688>, abgerufen am 08.09.2024.