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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Dcividsbiindler.

Schumanns Freundeskreise"; die geschilderten Persönlichkeiten sind der Braun¬
schweigische Kapellmeister Gottlob Wiedebein, sodann zwei hervorragende Gestalten
aus dem Musikleben Leipzigs, Ludwig Schurke und Henriette Voigt, endlich
der Dichter und Schriftsteller Anton von Zuecalmaglio. Der vierte Hauptab¬
schnitt enthält 69 bisher ungedruckte Briefe Schumanns an 22 verschiedene
Adressen, der fünfte endlich die "Anmerkungen" zu den vomusgeheudeu vier
Hauptabschnitten, 234 an der Zahl. Dies alles in einem mäßigen Oktavband
von 254 Seiten!

Diese ganze Systematisirung hat etwas Pedantisches, was der Beschaffen¬
heit des Materials wenig angemessen ist. Jansen beschränkt sich ja darauf, nur
Neues und Unbekanntes vorzulegen. Da liegt es in der Natur der Sache, daß
seiue Mitteilungen einen fragmentarischen, aphoristischen Charakter haben. Truge
das Buch diesen offen zur Schau -- er hätte so gut zu Schumanns eigner
schriftstellerischer Art gepaßt! -- und wäre durch ein gutes Register, das ja
ohnehin noch beigegeben ist, dafür gesorgt, daß man sich leicht in dem mitge¬
teilten Material zurechtfände, so würde das Buch auch in seiner äußern Form
um vieles liebenswürdiger gewesen sein als jetzt, wo eine ängstliche Gliederung
des Stoffes versucht worden ist, die sich doch nicht konsequent hat durchführen
lassen. Wer sucht z. V. die eingehenden Mitteilungen über Schumanns Stellung
zu Hector Berlioz und über die Wandlung, die Schumanns Urteil über Berlioz
im Laufe der Zeit durchgemacht hat, im Anhang zu Florestans Aufsätzen über
eine Berliozsche Symphonie? Das hätte doch recht eigentlich vornhin in die
Geschichte der Davidsbündlcr gehört, ebenso wie die hier genannten "Porträt¬
skizzen," durch deren Abtrennung der Hauptteil um eine seiner schönsten und
interessantesten Partien gekommen ist. Von einem Buche über die Davids¬
bündlcr erwartet man ferner vor allen Dingen Antwort auf die Fragen: Wie
sind die Jugendwerke Schumanns entstanden und wie sind sie aufgenommen
worden? Diese Antwort muß man sich mühsam an allen Ecken und Enden des
Buches zusammensuchen, und doch war es unendlich viel wichtiger, gerade sie
im Zusammenhange zu erteilen, als z. B. eine Anzahl von Anekdoten zu einem
eignen Kapitel "Die Tafelrunde im Kasseebaum" zusammenzustellen. Und wenn
die mitgeteilten Briefe, die sich übrigens bis weit über die Davidsbündlerzeit
hinaus, bis zu dem Jahre vor Schumanns Tod erstrecken, für einen besondern
Teil ausgeschieden wurden, warum stehen die an Henriette Voigt gerichtete!?
nicht mit in diesem Teile? Auch sie sind ja bisher ungedruckt, wie die dabei¬
stehenden -- eckigen Gänsefüßchen beweisen. Man muß nämlich wissen, daß der
Herausgeber, wie er in der Vorrede mitteilt, sich drei verschiedner Sorten von
Gänsefüßchen bedient; mit der einen ("--") bezeichnet er alle bisher ungedruckten
Äußerungen Schumanns, mit der zweiten (" --") solche, die schon bekannt
waren, mit der dritten ("^") alle sonstigen Zitate. So oft nun Gänsefüßchen
kommen -- und sie kommen auf jeder Seite --, schlägt man natürlich immer


Die Dcividsbiindler.

Schumanns Freundeskreise"; die geschilderten Persönlichkeiten sind der Braun¬
schweigische Kapellmeister Gottlob Wiedebein, sodann zwei hervorragende Gestalten
aus dem Musikleben Leipzigs, Ludwig Schurke und Henriette Voigt, endlich
der Dichter und Schriftsteller Anton von Zuecalmaglio. Der vierte Hauptab¬
schnitt enthält 69 bisher ungedruckte Briefe Schumanns an 22 verschiedene
Adressen, der fünfte endlich die „Anmerkungen" zu den vomusgeheudeu vier
Hauptabschnitten, 234 an der Zahl. Dies alles in einem mäßigen Oktavband
von 254 Seiten!

Diese ganze Systematisirung hat etwas Pedantisches, was der Beschaffen¬
heit des Materials wenig angemessen ist. Jansen beschränkt sich ja darauf, nur
Neues und Unbekanntes vorzulegen. Da liegt es in der Natur der Sache, daß
seiue Mitteilungen einen fragmentarischen, aphoristischen Charakter haben. Truge
das Buch diesen offen zur Schau — er hätte so gut zu Schumanns eigner
schriftstellerischer Art gepaßt! — und wäre durch ein gutes Register, das ja
ohnehin noch beigegeben ist, dafür gesorgt, daß man sich leicht in dem mitge¬
teilten Material zurechtfände, so würde das Buch auch in seiner äußern Form
um vieles liebenswürdiger gewesen sein als jetzt, wo eine ängstliche Gliederung
des Stoffes versucht worden ist, die sich doch nicht konsequent hat durchführen
lassen. Wer sucht z. V. die eingehenden Mitteilungen über Schumanns Stellung
zu Hector Berlioz und über die Wandlung, die Schumanns Urteil über Berlioz
im Laufe der Zeit durchgemacht hat, im Anhang zu Florestans Aufsätzen über
eine Berliozsche Symphonie? Das hätte doch recht eigentlich vornhin in die
Geschichte der Davidsbündlcr gehört, ebenso wie die hier genannten „Porträt¬
skizzen," durch deren Abtrennung der Hauptteil um eine seiner schönsten und
interessantesten Partien gekommen ist. Von einem Buche über die Davids¬
bündlcr erwartet man ferner vor allen Dingen Antwort auf die Fragen: Wie
sind die Jugendwerke Schumanns entstanden und wie sind sie aufgenommen
worden? Diese Antwort muß man sich mühsam an allen Ecken und Enden des
Buches zusammensuchen, und doch war es unendlich viel wichtiger, gerade sie
im Zusammenhange zu erteilen, als z. B. eine Anzahl von Anekdoten zu einem
eignen Kapitel „Die Tafelrunde im Kasseebaum" zusammenzustellen. Und wenn
die mitgeteilten Briefe, die sich übrigens bis weit über die Davidsbündlerzeit
hinaus, bis zu dem Jahre vor Schumanns Tod erstrecken, für einen besondern
Teil ausgeschieden wurden, warum stehen die an Henriette Voigt gerichtete!?
nicht mit in diesem Teile? Auch sie sind ja bisher ungedruckt, wie die dabei¬
stehenden — eckigen Gänsefüßchen beweisen. Man muß nämlich wissen, daß der
Herausgeber, wie er in der Vorrede mitteilt, sich drei verschiedner Sorten von
Gänsefüßchen bedient; mit der einen (»—«) bezeichnet er alle bisher ungedruckten
Äußerungen Schumanns, mit der zweiten („ —") solche, die schon bekannt
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kommen — und sie kommen auf jeder Seite —, schlägt man natürlich immer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/683>, abgerufen am 08.09.2024.