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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die internationale Kunstausstellung in München.

großen Vorbildes zu wünschen wäre, damit er auch als Porträtist zu so respek¬
tabel" Leistungen käme wie als Genremaler. Lenbach und Gabriel Max sind
auf der Ausstellung garnicht vertreten -- Piloty ist also von seinen besten
Hilfstruppen verlassen. Auch Leiht gehört schon eigentlich nicht mehr zu den
seinigen, da er seinem Lehrmeister bald aus der Schule gelaufen und den allen
Meistern nachgegangen ist. Lenbach hat im Grunde dasselbe gethan, und bald
Tizian, bald Rubens und van Dyck zum Meister genommen. Aus diesen dreien
hat er sich einen eignen Stil zusammengebraut, welcher so sehr den Hanptaccent
auf die malerische Haltung legt, daß Zeichnung und Modellirung dabei über
Bord fliegen.

In der Schule von Diez halten sich beide Elemente die Wage: Ich betone
absichtlich die Schule. Denn der Meister selbst hat sich eine so furiose Art der
Malerei angewöhnt, daß man meist mit den Finessen und Pikcinterie" des Ko¬
lorits vorlieb nehmen muß. Die Figuren darf man beileibe nicht scharf kon-
troliren. Die Umrisse sind gewöhnlich so zickzackförmig, die Extremitäten so
hingewischt, daß man ordentlich froh sein kann, wenn sich die Ecken und Ende"
in graue Schatten verlieren. Wenn sich Diez Mühe giebt, wenn er seinen
Capricen nicht folgt, sondern sich ernsthaft an die Arbeit macht, wie z. B. auf
dem köstlichen "Picknick im Freien" (Kostüm des 18. Jahrhunderts, in der Ber¬
liner Nativnalgalerie), zeigt er sich freilich als geistreichen Zeichner, mit dem
es nicht viele aufnehmen können. Was er auf die Münchener Ausstellung ge¬
schickt hat, eine kleine "Anbetung der Hirten," ist wenig mehr als eine Skizze,
eine Studie im Genre Rembrandts, nur etwas farbiger, dafür aber auch nicht
so frei und so pikant in der Beleuchtung. Man hat den Meister, für dessen
künstlerische Bedeutung sein eignes Werk weniger zeugt als die Arbeiten seiner
Schüler, mit vollem Recht durch eine erste Medaille geehrt, sodaß der Sieg
seiner Schule dadurch gewissermaßen eine offizielle Bestätigung erhalten hat.
Dieselbe Auszeichnung ist zweien seiner Schüler zu Teil geworden, Ludwig Löfftz
und Klaus Meyer. Der letztere war vor Jahresfrist über München hinaus
uoch nicht bekannt geworden. Heute feiert man ihn als einen der ersten Genre¬
maler der Münchener Schule. Aber auch er ist wie Leiht im wesentlichen ein
Nachahmer. Nicht nur die Motive der beiden Bilder, welche seinen Ruf ge¬
macht haben, sind aus Holland geholt, auch die ganze malerische Behandlungs-
iveise ist holländischen Meistern nachgebildet. Man wird an Jan van der Meer
von Delft, an Pieter de Hooch, an Dirk Hals, an Palamedes erinnert -- von
jedem hat sich der Münchener Künstler etwas geborgt und aus diesen Anleihen
ein Ganzes gestaltet, welches durch unbeschreibliche technische Finessen einen großen
Reiz ausübt. Auf dem einen in Berlin zur Ausstellung gelangten Bilde sieht
man ein holländisches Ehepaar des 17. Jahrhunderts in einer Stube, durch
deren kleine viereckige Fensterscheiben ein kühles, grauliches Licht bringt. Die
Frau näht Weißzeug und ver Mann raucht aus eiuer Knlkpfeife, sodaß der
bläuliche Tabaksdampf sich mit dem grauen Lichte verschmilzt. Ein ungemein
einfaches Motiv, welches nur durch die große Natürlichkeit des Vortrags und
durch das pikante Kolorit wirkt. Das Münchener Bild führt uns in ein Be-
guinenkloster: die Oberin sitzt an einem Tische und prüft Leinenzeug, die
Schwestern ihr gegenüber auf der Bank sind mit Näharbeit beschäftigt, links
blickt man durch die geöffnete Thür auf einen Vorraum, über welchen noch eine
Schwester dahinschreitet. Also ein Arrangement, eine Anordnung der Räumlich-
keiten wie bei Pieter de Hooch, nur daß statt des goldigen, warmen Lichtes,


Die internationale Kunstausstellung in München.

großen Vorbildes zu wünschen wäre, damit er auch als Porträtist zu so respek¬
tabel» Leistungen käme wie als Genremaler. Lenbach und Gabriel Max sind
auf der Ausstellung garnicht vertreten — Piloty ist also von seinen besten
Hilfstruppen verlassen. Auch Leiht gehört schon eigentlich nicht mehr zu den
seinigen, da er seinem Lehrmeister bald aus der Schule gelaufen und den allen
Meistern nachgegangen ist. Lenbach hat im Grunde dasselbe gethan, und bald
Tizian, bald Rubens und van Dyck zum Meister genommen. Aus diesen dreien
hat er sich einen eignen Stil zusammengebraut, welcher so sehr den Hanptaccent
auf die malerische Haltung legt, daß Zeichnung und Modellirung dabei über
Bord fliegen.

In der Schule von Diez halten sich beide Elemente die Wage: Ich betone
absichtlich die Schule. Denn der Meister selbst hat sich eine so furiose Art der
Malerei angewöhnt, daß man meist mit den Finessen und Pikcinterie» des Ko¬
lorits vorlieb nehmen muß. Die Figuren darf man beileibe nicht scharf kon-
troliren. Die Umrisse sind gewöhnlich so zickzackförmig, die Extremitäten so
hingewischt, daß man ordentlich froh sein kann, wenn sich die Ecken und Ende»
in graue Schatten verlieren. Wenn sich Diez Mühe giebt, wenn er seinen
Capricen nicht folgt, sondern sich ernsthaft an die Arbeit macht, wie z. B. auf
dem köstlichen „Picknick im Freien" (Kostüm des 18. Jahrhunderts, in der Ber¬
liner Nativnalgalerie), zeigt er sich freilich als geistreichen Zeichner, mit dem
es nicht viele aufnehmen können. Was er auf die Münchener Ausstellung ge¬
schickt hat, eine kleine „Anbetung der Hirten," ist wenig mehr als eine Skizze,
eine Studie im Genre Rembrandts, nur etwas farbiger, dafür aber auch nicht
so frei und so pikant in der Beleuchtung. Man hat den Meister, für dessen
künstlerische Bedeutung sein eignes Werk weniger zeugt als die Arbeiten seiner
Schüler, mit vollem Recht durch eine erste Medaille geehrt, sodaß der Sieg
seiner Schule dadurch gewissermaßen eine offizielle Bestätigung erhalten hat.
Dieselbe Auszeichnung ist zweien seiner Schüler zu Teil geworden, Ludwig Löfftz
und Klaus Meyer. Der letztere war vor Jahresfrist über München hinaus
uoch nicht bekannt geworden. Heute feiert man ihn als einen der ersten Genre¬
maler der Münchener Schule. Aber auch er ist wie Leiht im wesentlichen ein
Nachahmer. Nicht nur die Motive der beiden Bilder, welche seinen Ruf ge¬
macht haben, sind aus Holland geholt, auch die ganze malerische Behandlungs-
iveise ist holländischen Meistern nachgebildet. Man wird an Jan van der Meer
von Delft, an Pieter de Hooch, an Dirk Hals, an Palamedes erinnert — von
jedem hat sich der Münchener Künstler etwas geborgt und aus diesen Anleihen
ein Ganzes gestaltet, welches durch unbeschreibliche technische Finessen einen großen
Reiz ausübt. Auf dem einen in Berlin zur Ausstellung gelangten Bilde sieht
man ein holländisches Ehepaar des 17. Jahrhunderts in einer Stube, durch
deren kleine viereckige Fensterscheiben ein kühles, grauliches Licht bringt. Die
Frau näht Weißzeug und ver Mann raucht aus eiuer Knlkpfeife, sodaß der
bläuliche Tabaksdampf sich mit dem grauen Lichte verschmilzt. Ein ungemein
einfaches Motiv, welches nur durch die große Natürlichkeit des Vortrags und
durch das pikante Kolorit wirkt. Das Münchener Bild führt uns in ein Be-
guinenkloster: die Oberin sitzt an einem Tische und prüft Leinenzeug, die
Schwestern ihr gegenüber auf der Bank sind mit Näharbeit beschäftigt, links
blickt man durch die geöffnete Thür auf einen Vorraum, über welchen noch eine
Schwester dahinschreitet. Also ein Arrangement, eine Anordnung der Räumlich-
keiten wie bei Pieter de Hooch, nur daß statt des goldigen, warmen Lichtes,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/634>, abgerufen am 05.12.2024.