Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.Lonrad Ferdinand Meyers kleine Novellen. Page." Sie beginnt in Nürnberg in den Tagen des Jahres 1632, wo der Lonrad Ferdinand Meyers kleine Novellen. Page." Sie beginnt in Nürnberg in den Tagen des Jahres 1632, wo der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0626" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154073"/> <fw type="header" place="top"> Lonrad Ferdinand Meyers kleine Novellen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2702" prev="#ID_2701" next="#ID_2703"> Page." Sie beginnt in Nürnberg in den Tagen des Jahres 1632, wo der<lb/> Schwedenkönig in Nürnberg verweilte und seine kriegerische Kraft und Kunst<lb/> umsonst wider Wallensteins verschanztes Lager erprobte. An Stelle der ver-<lb/> schiednen Pagen aus nürnbergischen Patriziergeschlechtern, welche schon an seiner<lb/> Seite gefallen sind, wünscht Gustcwus Adolfus Rex den Sohn des reichen<lb/> Handelsherrn Leubelfing in Dienst zu nehmen. Vater und Sohn entsetzen sich<lb/> gleichmäßig vor der drohenden, schicksalsreichen Ehre, die der Alte leichtfertig<lb/> beim Wein, bei einer großen Gasterei, welche er dem Schwedenkönig in seinem<lb/> reichen Hause veranstaltet, heraufbeschworen hat. Wie die Patrizier von Nürn¬<lb/> berg noch beraten, wo Remedur zu finden sei, blitzt in dem Kopfe eines jungen<lb/> im Hause befindlichen Väschens, der tapfern, den protestantischen König und<lb/> Helden schwärmerisch anbetenden Guste Leubelfing der Gedanke auf, in Männer¬<lb/> tracht für den zaghaften Vetter einzustehen und auf diese Weise dem Angebeteten<lb/> näher zu kommen. Aus dem tollen Einfall wird in der Hast des Augenblickes<lb/> Ernst. Auguste von Leubelfing lebt als Page neben dem König eine „zärtliche,<lb/> wilde, selige und ängstliche Fabel. Berauschende Stunden, gerade nach vollen¬<lb/> deten achtzehn unmündigen Jahren beginnend und diese auslöschend wie die<lb/> Sonne einen Schatten." Aber das leichtfertig und traumselig begonnene Aben¬<lb/> teuer führt das Mädchen durch wunderliche Schicksale und schwere innere Kämpfe<lb/> in den Tod. Sie wird erkannt, als es zu spät ist, daß sie Schranken und<lb/> Grenzen des Weiblichen überschritten hat, sucht sich loszureißen und wird dann<lb/> doch wieder im schwedischen Lager und in möglichster Nähe durch die dunkle<lb/> Furcht gehalten, welche sich ihrer für ihren Helden bemächtigt hat. Sie ist sich<lb/> der Rachsucht bewußt, mit welcher der Fürst von Lauenburg dem Schweden¬<lb/> könig gegenübersteht, und die dunkeln Warnungen, die der Friedländer im Lager<lb/> vor Nürnberg an König Gustav Adolf gerichtet hat, sind dem vermeintlichen<lb/> Pagen tief in die Brust gesunken. So treibt es Gustel Leubelfing, auf dem<lb/> Marsche nach Naumburg und Lützen sich der Obhut des Obersten Ale Tode zu<lb/> entziehen und in die Nähe des Königs zurückzukehren, der dies stillschweigend,<lb/> ohne Ahnung des eigentlichen Sachverhalts, duldet. Aber umsonst sucht sie<lb/> ihrem Helden bei der letzten Rüstung desselben den Harnisch auszureden, umsonst<lb/> bleibt sie in dem wilden Schlachtsturme bei Lützen an Gustav Adolfs Seite.<lb/> Totwund erreicht sie mit der Leiche des Königs das Pfarrhaus von Menchen,<lb/> wo sie zuerst als Weib erkannt wird und wo die wenigen, die um die Sache<lb/> wissen, den Beschluß fassen, daß das tapfere Mädchen Angust von Leubelfing<lb/> bleiben, ihr Nürnbergischer Vetter aber, die Memme, welche indeß den Namen<lb/> Laubfinger angenommen hat und Handelsherr zu Leipzig geworden ist, als<lb/> Laubsinger weiter leben soll. So darf sie denn auch im Tode in Ehren neben<lb/> dem König ruhen: „Als die Kirchthore den mit ungeduldigen Geberde», aber<lb/> ehrfürchtigen Mienen Eindringenden sich öffneten, lagen die beiden vor dem<lb/> Altare gebettet auf zwei schrägen, der König höher, der Page niedriger und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0626]
Lonrad Ferdinand Meyers kleine Novellen.
Page." Sie beginnt in Nürnberg in den Tagen des Jahres 1632, wo der
Schwedenkönig in Nürnberg verweilte und seine kriegerische Kraft und Kunst
umsonst wider Wallensteins verschanztes Lager erprobte. An Stelle der ver-
schiednen Pagen aus nürnbergischen Patriziergeschlechtern, welche schon an seiner
Seite gefallen sind, wünscht Gustcwus Adolfus Rex den Sohn des reichen
Handelsherrn Leubelfing in Dienst zu nehmen. Vater und Sohn entsetzen sich
gleichmäßig vor der drohenden, schicksalsreichen Ehre, die der Alte leichtfertig
beim Wein, bei einer großen Gasterei, welche er dem Schwedenkönig in seinem
reichen Hause veranstaltet, heraufbeschworen hat. Wie die Patrizier von Nürn¬
berg noch beraten, wo Remedur zu finden sei, blitzt in dem Kopfe eines jungen
im Hause befindlichen Väschens, der tapfern, den protestantischen König und
Helden schwärmerisch anbetenden Guste Leubelfing der Gedanke auf, in Männer¬
tracht für den zaghaften Vetter einzustehen und auf diese Weise dem Angebeteten
näher zu kommen. Aus dem tollen Einfall wird in der Hast des Augenblickes
Ernst. Auguste von Leubelfing lebt als Page neben dem König eine „zärtliche,
wilde, selige und ängstliche Fabel. Berauschende Stunden, gerade nach vollen¬
deten achtzehn unmündigen Jahren beginnend und diese auslöschend wie die
Sonne einen Schatten." Aber das leichtfertig und traumselig begonnene Aben¬
teuer führt das Mädchen durch wunderliche Schicksale und schwere innere Kämpfe
in den Tod. Sie wird erkannt, als es zu spät ist, daß sie Schranken und
Grenzen des Weiblichen überschritten hat, sucht sich loszureißen und wird dann
doch wieder im schwedischen Lager und in möglichster Nähe durch die dunkle
Furcht gehalten, welche sich ihrer für ihren Helden bemächtigt hat. Sie ist sich
der Rachsucht bewußt, mit welcher der Fürst von Lauenburg dem Schweden¬
könig gegenübersteht, und die dunkeln Warnungen, die der Friedländer im Lager
vor Nürnberg an König Gustav Adolf gerichtet hat, sind dem vermeintlichen
Pagen tief in die Brust gesunken. So treibt es Gustel Leubelfing, auf dem
Marsche nach Naumburg und Lützen sich der Obhut des Obersten Ale Tode zu
entziehen und in die Nähe des Königs zurückzukehren, der dies stillschweigend,
ohne Ahnung des eigentlichen Sachverhalts, duldet. Aber umsonst sucht sie
ihrem Helden bei der letzten Rüstung desselben den Harnisch auszureden, umsonst
bleibt sie in dem wilden Schlachtsturme bei Lützen an Gustav Adolfs Seite.
Totwund erreicht sie mit der Leiche des Königs das Pfarrhaus von Menchen,
wo sie zuerst als Weib erkannt wird und wo die wenigen, die um die Sache
wissen, den Beschluß fassen, daß das tapfere Mädchen Angust von Leubelfing
bleiben, ihr Nürnbergischer Vetter aber, die Memme, welche indeß den Namen
Laubfinger angenommen hat und Handelsherr zu Leipzig geworden ist, als
Laubsinger weiter leben soll. So darf sie denn auch im Tode in Ehren neben
dem König ruhen: „Als die Kirchthore den mit ungeduldigen Geberde», aber
ehrfürchtigen Mienen Eindringenden sich öffneten, lagen die beiden vor dem
Altare gebettet auf zwei schrägen, der König höher, der Page niedriger und
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