Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.Fritz Reuters Haushund. Vergönne, im Zusammenleben mit der treuen Gattin und Pflegerin, im Ver¬ Die befreiende und beseligende Kraft, die aus den Werken jedes wahren Humoristen -- Dortau is ein jeder beten, Wie viele Tausende schon sind von diesem Liebesmahl in allen Sinnen erquickt auf¬ So habe ich geschrieben 1863, sechs Jahre, bevor ich den hochverehrten Dichter von Seit dieser Zeit hat kein Besucher wieder ein Abschiedswort ins nidum Nur ein einziges mal noch öffnete sich das Haushund für Freundeshand.
Fritz Reuters Haushund. Vergönne, im Zusammenleben mit der treuen Gattin und Pflegerin, im Ver¬ Die befreiende und beseligende Kraft, die aus den Werken jedes wahren Humoristen — Dortau is ein jeder beten, Wie viele Tausende schon sind von diesem Liebesmahl in allen Sinnen erquickt auf¬ So habe ich geschrieben 1863, sechs Jahre, bevor ich den hochverehrten Dichter von Seit dieser Zeit hat kein Besucher wieder ein Abschiedswort ins nidum Nur ein einziges mal noch öffnete sich das Haushund für Freundeshand.
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Fritz Reuters Haushund.
Vergönne, im Zusammenleben mit der treuen Gattin und Pflegerin, im Ver¬
kehr mit erprobten Freunden, die gern zur Sommerszeit kamen. So war
Andersen im Juli 1873 sein Gast. „Das Leben ist das schönste Märchen"
steht von seiner Hand im Album. Spielhagen, der noch im Herbst desselben
Jahres Rast hielt und seinen ihm bisher persönlich unbekannten Genossen sah,
schrieb damals:
Die befreiende und beseligende Kraft, die aus den Werken jedes wahren Humoristen
und so auch aus Fritz Reuters Werken ans den Leser überströmt, sie ist es in letzter Linie,
die ihm aller Herzen in Ost und West und Nord und Süd erobert hat, weil sich keiner ihr
entziehen kann, so wenig wie der milden Frühlingssonne, die einen duftigen Pfingsttng durch¬
wärmt und durchleuchtet, und:
— Dortau is ein jeder beten,
De Lust to Lciw und Leweu hett.
Wie viele Tausende schon sind von diesem Liebesmahl in allen Sinnen erquickt auf¬
gestanden, wie viele Tausende! Und wie viele Tausende werden nach ihnen kommen und
werden auch erquickt aufstehen, und der Fülle wird kein Brosamen sehlen! Weltmnfassende,
unerschöpfliche Freigebigkeit eines Dichters! Wie armselig nehmen sich dagegen die Bettel-
brocken aus, welche die Könige der Erde mit allen ihren Millionen verteilen können! —
So habe ich geschrieben 1863, sechs Jahre, bevor ich den hochverehrten Dichter von
Angesicht zu Angesicht gesehen; und jetzt, da mir dies Glück zu Teil geworden ist, jetzt —
«kann ich jene Worte nnr — unterschreiben.
Seit dieser Zeit hat kein Besucher wieder ein Abschiedswort ins nidum
eingetragen. Nicht lange darnach wurde die Villa Reuter ein Trauerhaus.
Sonntag den 12. Juli 1874 ging Fritz Reuter ein in eine bessere Welt.
Nur ein einziges mal noch öffnete sich das Haushund für Freundeshand.
Richard Schmidt-Cabanis hat hier auf Wunsch der Witwe den von ihm ver¬
faßten innigen Nachruf aufgezeichnet:
Wo zieht ihr hin, ihr Vögelein?
Was treibt euch fort aus Sommers Pracht?
Soll schon verstummen Wald und Hain,
Da uoch die Sonne goldig lacht? „Wir wandern — wandern allzumal
Fernhin in das Thüringerland,
Zu stimmen ein in den Choral
An eines Sängergrabes Rund." Ihr Blumen und ihr Knospen all,
Was senket ihr die Köpfchen matt?
Wohin schwand eurer Düfte Schwall,
Da uoch der Schnitter Herbst nicht naht? „Hin sandten unser Blühen wir,
All unsern Schmelz und unsern Dust,
Daß sie vereinen sich zur Zier
Für eines deutscken Dichters Gruft,"
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