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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

gebciudc wie die Kommunikation auf dem gesamten Ausstellimgsfclde auf Brettern
bewerkstelligt werden, weil das Terrain, durch massenhafte Kiesaufschüttuugen
erst geschaffen, so feucht ist, daß es einigermaßen erhebliche Wasserquantitäten
nur sehr laugsam absorbiren kaun.

Jeder Fremde hatte erwartet, daß die holländischen Gärtner wetteifern
würden, ihren traditionellen Ruhm vor dem internationalen Publikum zu ent¬
falte". Aber die Gärtner sind nicht dazu gekommen. Weil niemand zu dieser
Privatunternehmung, welche nicht einmal die Negierung des eignen Landes mit
voller Autorität zu unterstützen für zweckmäßig faud, großes Vertrauen hatte,
beeilte sich auch niemand mit der Einsendung von Ausstellungsobjekten. Im
Mai, wo die holländische Hyazinthen- und Tulpeuzucht noch mit Ehren hätte
auftreten können, war das 'Ausstelluugsfeld eine Wüstenei voll uneröffneter
Kokil, ein Waarenlager, auf welchem die zarten Sprößlinge des Lenzes eine
schlechte Figur gemacht hätten, auch wenn es ihnen nicht an der zu ihrem Ge-
deihen nötigen Gartenerde gefehlt haben würde. Im Monat August will mau
das Versäumte nachholen, indem man eine Ausstellung von Blumenzwiebeln
arrangirt und dazu hübsche kolorirte Abbildungen von Hyazinthen und Tulpen
giebt! Sonst mußten drei oder vier Treibhäuser die Gartenkunst Hollands
repräsentiren, und mit Rücksicht auf den kolonialen Charakter der Ausstellung
trat noch ein Gewächshaus mit tropischen Pflanzen hinzu. Es enthält schöne
Exemplare, die teils zum Blühen gebracht worden sind, bietet aber für den
Botaniker nicht mehr als die großen Palmcnhciuser in Köln, Berlin und Frank¬
furt am Main. Der Raum ist obenein so beschränkt, daß nicht zehn Personen "
zu gleicher Zeit in demselben zirkuliren können. Und ein so klägliches, nach
allen Richtungen unzulängliches und unvollkommenes Unternehmen umgiebt sich
mit den Prätcntionen einer Weltausstellung!

Wir wollen jedoch über den großen Schattenseiten dieser gewaltsam im-
provisirten und auf einen gänzlich unfruchtbaren Boden gepflanzten Ausstellung
den soliden Kern nicht vergessen, welcher durch den hohlen Pomp des Haupt¬
gebäudes fast in den Hintergrund gedrängt wird. Dieser Kern ist das eigent¬
liche Kolonialgebäude, dessen Hauptaxe mit jenem parallel läuft, das aber kaum
den sechsten Teil von dem Flächeninhalte des Hauptgebäudes einnimmt. Es
enthält eine, wie es scheint, erschöpfende Übersicht über die Flora und Fauna,
über die Rohprodukte und die Judnstrieerzeugnisse der indischen Kolonien. Der
Kaufmann und der Gelehrte werden hier in gleichem Maße befriedigt; während
dem erstern Kaffee, Zucker, Öle, Tabak, Reis, Farb- und Nutzhölzer, kurzum
der ganze Reichtum oft- und westindischer Kultur in zahllosen Proben und
Qualitäten vorgeführt werden, bietet die Ausstellung dem andern den Nutzen
eines nach wissenschaftlichen Prinzipien geordneten ethnographischen Museums
von kolossalen Umfange. Vor diesem ungeheuern Lehr- und Studienmaterial
wird der Wunsch rege, dasselbe auf die Dauer in dieser Vereinigung erhalten


Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

gebciudc wie die Kommunikation auf dem gesamten Ausstellimgsfclde auf Brettern
bewerkstelligt werden, weil das Terrain, durch massenhafte Kiesaufschüttuugen
erst geschaffen, so feucht ist, daß es einigermaßen erhebliche Wasserquantitäten
nur sehr laugsam absorbiren kaun.

Jeder Fremde hatte erwartet, daß die holländischen Gärtner wetteifern
würden, ihren traditionellen Ruhm vor dem internationalen Publikum zu ent¬
falte». Aber die Gärtner sind nicht dazu gekommen. Weil niemand zu dieser
Privatunternehmung, welche nicht einmal die Negierung des eignen Landes mit
voller Autorität zu unterstützen für zweckmäßig faud, großes Vertrauen hatte,
beeilte sich auch niemand mit der Einsendung von Ausstellungsobjekten. Im
Mai, wo die holländische Hyazinthen- und Tulpeuzucht noch mit Ehren hätte
auftreten können, war das 'Ausstelluugsfeld eine Wüstenei voll uneröffneter
Kokil, ein Waarenlager, auf welchem die zarten Sprößlinge des Lenzes eine
schlechte Figur gemacht hätten, auch wenn es ihnen nicht an der zu ihrem Ge-
deihen nötigen Gartenerde gefehlt haben würde. Im Monat August will mau
das Versäumte nachholen, indem man eine Ausstellung von Blumenzwiebeln
arrangirt und dazu hübsche kolorirte Abbildungen von Hyazinthen und Tulpen
giebt! Sonst mußten drei oder vier Treibhäuser die Gartenkunst Hollands
repräsentiren, und mit Rücksicht auf den kolonialen Charakter der Ausstellung
trat noch ein Gewächshaus mit tropischen Pflanzen hinzu. Es enthält schöne
Exemplare, die teils zum Blühen gebracht worden sind, bietet aber für den
Botaniker nicht mehr als die großen Palmcnhciuser in Köln, Berlin und Frank¬
furt am Main. Der Raum ist obenein so beschränkt, daß nicht zehn Personen »
zu gleicher Zeit in demselben zirkuliren können. Und ein so klägliches, nach
allen Richtungen unzulängliches und unvollkommenes Unternehmen umgiebt sich
mit den Prätcntionen einer Weltausstellung!

Wir wollen jedoch über den großen Schattenseiten dieser gewaltsam im-
provisirten und auf einen gänzlich unfruchtbaren Boden gepflanzten Ausstellung
den soliden Kern nicht vergessen, welcher durch den hohlen Pomp des Haupt¬
gebäudes fast in den Hintergrund gedrängt wird. Dieser Kern ist das eigent¬
liche Kolonialgebäude, dessen Hauptaxe mit jenem parallel läuft, das aber kaum
den sechsten Teil von dem Flächeninhalte des Hauptgebäudes einnimmt. Es
enthält eine, wie es scheint, erschöpfende Übersicht über die Flora und Fauna,
über die Rohprodukte und die Judnstrieerzeugnisse der indischen Kolonien. Der
Kaufmann und der Gelehrte werden hier in gleichem Maße befriedigt; während
dem erstern Kaffee, Zucker, Öle, Tabak, Reis, Farb- und Nutzhölzer, kurzum
der ganze Reichtum oft- und westindischer Kultur in zahllosen Proben und
Qualitäten vorgeführt werden, bietet die Ausstellung dem andern den Nutzen
eines nach wissenschaftlichen Prinzipien geordneten ethnographischen Museums
von kolossalen Umfange. Vor diesem ungeheuern Lehr- und Studienmaterial
wird der Wunsch rege, dasselbe auf die Dauer in dieser Vereinigung erhalten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/518>, abgerufen am 08.09.2024.