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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Frankreich, Arran und Lhina.

Herrlichkeit verschafft. Zu seinem Nachfolger war ein Sproß seines Hauses be¬
stimmt, aber die patriotische Partei zog einen andern Prinzen vor, der sich
entweder durch mehr Intelligenz oder durch mehr Eifer bester für ihre Pläne
eignete. Die Franzosen können sich also, wenn es ihnen beliebt, einmischen, um
den beiseite geschobenen Thronerben zu seinem Recht und Besitz zu verhelfen
und sich ihn günstig zu stimmen oder um für ihre eignen Ansprüche zu kämpfen.
Auf jeden Fall wird ein Vorgehen der Franzosen gegen die Hauptstadt von
Aunam dem Zögern auf chinesischer Seite ein Ende machen und den Streit
zwischen den beiden Mächten zum Ausbruche bringen. Eine Beschießung der
Hauptstadt Huc stellt den Anspruch Frankreichs in möglichst bestimmter Form
auf und nötigt die chinesischen Staatsmänner, auch ihrerseits nicht mehr auf
krummen, sondern auf geraden Wegen weiterzugehen. Admiral Courbet be¬
absichtigt, wie es heißt, zuerst die Forts einzunehmen, welche den Fluß sperren,
und dann eine Weile sich ruhig zu verhalten und abzuwarten, welche Wirkung
sein Vorgehen in Peking üben wird. Ist dieselbe eine ungünstige, so wird er
Verstärkungen aus Frankreich an sich ziehe", eine kleine Armee bilden und weiter
stromaufwärts marschiren. Er wird dabei des Beistandes von Kriegsschiffen ent¬
behren. Vermag man heilten Marsch nicht aufzuhalten, so wird er sich endlich,
dritthalb deutsche Meilen von der Mündung des Flusses vor Huc, einer von
französischen Offizieren des vorigen Jahrhunderts nach europäischen Grundsätzen
regelmäßig befestigten Stadt von 70 000 Einwohnern befinden, die aber so aus¬
gedehnt ist, daß zu ihrer Verteidigung fünfzigtausend Main? erforderlich sein
würden. Admiral Cvurbet wird viel Mut, viel Geschick und viel Glück nötig
haben, wenn er sich dieses nach dem Muster des alten Vaubanschen Straßburg be-
festigten Platzes bemächtigen will. (Nach neuern Pariser Nachrichten, die indeß
der Bestätigung bedürfen, wäre der Admiral bereits vor der Stadt eingetroffen,
und die Beschießung derselben hätte begonnen.)

Wir meinen, daß nach dem Gesagten die Absendung von fünftausend Mann
Verstärkung nicht genügen wird, wenn die Pläne Frankreichs an den Ostgrenzen
Siams mit Aussicht auf Erfolg in Angriff genommen werden sollen. Selbst
zehntausend Mann frischer Truppen werden kaum dazu hinreichen. Ein Feld¬
zug in den Bambussümpfen des Delta am Roten Flusse war schon beschwerlich
genug, und nun kommt noch der Marsch gegen Huc hinzu. Das Klima Tonkins
wird als "pestilenzialisch" geschildert, und gesetzt auch, der Ausdruck liefe auf
Übertreibung hinaus, so weiß mau doch aus frühern Kriegen in diesen feuchten,
heißen Marschgegenden Hinterindiens, wie rasch dort Menschen verbraucht werden.
Krankheit bringt dort immer mehr Soldaten um als Stahl und Blei, und
starke Märsche, Kampiren auf nassem Boden im Dunst der Malaria der Mo¬
räste werden die Bataillone der Franzosen sehr bald zusammenschwindcn lassen.
Soll das Unternehmen also vollständig gelingen, so werden wiederholt starke
Nachschübe von Truppen ans Frankreich die Lücken ausfüllen müssen, welche


Frankreich, Arran und Lhina.

Herrlichkeit verschafft. Zu seinem Nachfolger war ein Sproß seines Hauses be¬
stimmt, aber die patriotische Partei zog einen andern Prinzen vor, der sich
entweder durch mehr Intelligenz oder durch mehr Eifer bester für ihre Pläne
eignete. Die Franzosen können sich also, wenn es ihnen beliebt, einmischen, um
den beiseite geschobenen Thronerben zu seinem Recht und Besitz zu verhelfen
und sich ihn günstig zu stimmen oder um für ihre eignen Ansprüche zu kämpfen.
Auf jeden Fall wird ein Vorgehen der Franzosen gegen die Hauptstadt von
Aunam dem Zögern auf chinesischer Seite ein Ende machen und den Streit
zwischen den beiden Mächten zum Ausbruche bringen. Eine Beschießung der
Hauptstadt Huc stellt den Anspruch Frankreichs in möglichst bestimmter Form
auf und nötigt die chinesischen Staatsmänner, auch ihrerseits nicht mehr auf
krummen, sondern auf geraden Wegen weiterzugehen. Admiral Courbet be¬
absichtigt, wie es heißt, zuerst die Forts einzunehmen, welche den Fluß sperren,
und dann eine Weile sich ruhig zu verhalten und abzuwarten, welche Wirkung
sein Vorgehen in Peking üben wird. Ist dieselbe eine ungünstige, so wird er
Verstärkungen aus Frankreich an sich ziehe», eine kleine Armee bilden und weiter
stromaufwärts marschiren. Er wird dabei des Beistandes von Kriegsschiffen ent¬
behren. Vermag man heilten Marsch nicht aufzuhalten, so wird er sich endlich,
dritthalb deutsche Meilen von der Mündung des Flusses vor Huc, einer von
französischen Offizieren des vorigen Jahrhunderts nach europäischen Grundsätzen
regelmäßig befestigten Stadt von 70 000 Einwohnern befinden, die aber so aus¬
gedehnt ist, daß zu ihrer Verteidigung fünfzigtausend Main? erforderlich sein
würden. Admiral Cvurbet wird viel Mut, viel Geschick und viel Glück nötig
haben, wenn er sich dieses nach dem Muster des alten Vaubanschen Straßburg be-
festigten Platzes bemächtigen will. (Nach neuern Pariser Nachrichten, die indeß
der Bestätigung bedürfen, wäre der Admiral bereits vor der Stadt eingetroffen,
und die Beschießung derselben hätte begonnen.)

Wir meinen, daß nach dem Gesagten die Absendung von fünftausend Mann
Verstärkung nicht genügen wird, wenn die Pläne Frankreichs an den Ostgrenzen
Siams mit Aussicht auf Erfolg in Angriff genommen werden sollen. Selbst
zehntausend Mann frischer Truppen werden kaum dazu hinreichen. Ein Feld¬
zug in den Bambussümpfen des Delta am Roten Flusse war schon beschwerlich
genug, und nun kommt noch der Marsch gegen Huc hinzu. Das Klima Tonkins
wird als „pestilenzialisch" geschildert, und gesetzt auch, der Ausdruck liefe auf
Übertreibung hinaus, so weiß mau doch aus frühern Kriegen in diesen feuchten,
heißen Marschgegenden Hinterindiens, wie rasch dort Menschen verbraucht werden.
Krankheit bringt dort immer mehr Soldaten um als Stahl und Blei, und
starke Märsche, Kampiren auf nassem Boden im Dunst der Malaria der Mo¬
räste werden die Bataillone der Franzosen sehr bald zusammenschwindcn lassen.
Soll das Unternehmen also vollständig gelingen, so werden wiederholt starke
Nachschübe von Truppen ans Frankreich die Lücken ausfüllen müssen, welche


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[0502] Frankreich, Arran und Lhina. Herrlichkeit verschafft. Zu seinem Nachfolger war ein Sproß seines Hauses be¬ stimmt, aber die patriotische Partei zog einen andern Prinzen vor, der sich entweder durch mehr Intelligenz oder durch mehr Eifer bester für ihre Pläne eignete. Die Franzosen können sich also, wenn es ihnen beliebt, einmischen, um den beiseite geschobenen Thronerben zu seinem Recht und Besitz zu verhelfen und sich ihn günstig zu stimmen oder um für ihre eignen Ansprüche zu kämpfen. Auf jeden Fall wird ein Vorgehen der Franzosen gegen die Hauptstadt von Aunam dem Zögern auf chinesischer Seite ein Ende machen und den Streit zwischen den beiden Mächten zum Ausbruche bringen. Eine Beschießung der Hauptstadt Huc stellt den Anspruch Frankreichs in möglichst bestimmter Form auf und nötigt die chinesischen Staatsmänner, auch ihrerseits nicht mehr auf krummen, sondern auf geraden Wegen weiterzugehen. Admiral Courbet be¬ absichtigt, wie es heißt, zuerst die Forts einzunehmen, welche den Fluß sperren, und dann eine Weile sich ruhig zu verhalten und abzuwarten, welche Wirkung sein Vorgehen in Peking üben wird. Ist dieselbe eine ungünstige, so wird er Verstärkungen aus Frankreich an sich ziehe», eine kleine Armee bilden und weiter stromaufwärts marschiren. Er wird dabei des Beistandes von Kriegsschiffen ent¬ behren. Vermag man heilten Marsch nicht aufzuhalten, so wird er sich endlich, dritthalb deutsche Meilen von der Mündung des Flusses vor Huc, einer von französischen Offizieren des vorigen Jahrhunderts nach europäischen Grundsätzen regelmäßig befestigten Stadt von 70 000 Einwohnern befinden, die aber so aus¬ gedehnt ist, daß zu ihrer Verteidigung fünfzigtausend Main? erforderlich sein würden. Admiral Cvurbet wird viel Mut, viel Geschick und viel Glück nötig haben, wenn er sich dieses nach dem Muster des alten Vaubanschen Straßburg be- festigten Platzes bemächtigen will. (Nach neuern Pariser Nachrichten, die indeß der Bestätigung bedürfen, wäre der Admiral bereits vor der Stadt eingetroffen, und die Beschießung derselben hätte begonnen.) Wir meinen, daß nach dem Gesagten die Absendung von fünftausend Mann Verstärkung nicht genügen wird, wenn die Pläne Frankreichs an den Ostgrenzen Siams mit Aussicht auf Erfolg in Angriff genommen werden sollen. Selbst zehntausend Mann frischer Truppen werden kaum dazu hinreichen. Ein Feld¬ zug in den Bambussümpfen des Delta am Roten Flusse war schon beschwerlich genug, und nun kommt noch der Marsch gegen Huc hinzu. Das Klima Tonkins wird als „pestilenzialisch" geschildert, und gesetzt auch, der Ausdruck liefe auf Übertreibung hinaus, so weiß mau doch aus frühern Kriegen in diesen feuchten, heißen Marschgegenden Hinterindiens, wie rasch dort Menschen verbraucht werden. Krankheit bringt dort immer mehr Soldaten um als Stahl und Blei, und starke Märsche, Kampiren auf nassem Boden im Dunst der Malaria der Mo¬ räste werden die Bataillone der Franzosen sehr bald zusammenschwindcn lassen. Soll das Unternehmen also vollständig gelingen, so werden wiederholt starke Nachschübe von Truppen ans Frankreich die Lücken ausfüllen müssen, welche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/502>, abgerufen am 08.09.2024.