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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Don Atome.

Versuche, sich aus seiner übel" Lage zu befreien, und mit ihrer thatkräftigen
Hilfe gelangt er glücklich durch die Hecke,

Ähnlich ergeht es ihnen in allen Lebenslagen, Don Atome redet, Fiammetta
handelt. Endlich, nachdem die mannichfachste Not den unverbesserlichen Träumer
nicht hat wecken können, gelingt die Heilung dadurch, daß Fiammetta dem
Schergen des Gesetzes, der ihren' lieben Herrn prügeln will, sich selbst entgegen¬
stellt. ' Als sie die für ihn bestimmten Schläge empfängt, erwacht Adoues
Zorn, er entreißt dem andern den Stock, und in der engergischeu Thätigkeit des
Schlagens wird ihm endlich klar, daß und wozu er Kräfte besitzt, nämlich dazu,
sich und Fiammetta zu behüten und zu beschützen. Und so findet denn die Rede
einer ihm wohlgesinnten Frau bei ihm ein offnes Ohr, die ihm den geheimen
Sinn des Auftrags seiner Mutter dahin erläutert, daß er auf dieser Reise sich
selbst und Fiammetta habe finden lind gewinnen sollen. Er greift zu und thut
nun das Gelübde, in den nächsten fünf Jahren die alten Weltweisen und ihre
Aussprüche nicht wieder in seinen Reden zu Worte kommen zu lassen, freilich
nur, um zunächst immer wieder in seinen alten Fehler zurückzufallen. Aber
seine Hochachtung vor den Alten ist dadurch, daß seiue Gönnerin durch die
Erklärung des eigentlichen Sinnes" des mütterlichen Vermächtnisses ihn mit
samt seinem Studium der vielen weisen Männer des Altertums beschämt hat,
wesentlich gesunken; und wenn er auch noch gelegentlich in der Geschwindigkeit
für den Begriff der Schönheit die Definition von sieben oder acht Weisen des
Altertums vorbringt, so hat mau doch die Zuversicht, daß Fiammettcis Wort
gelten werde, die auf Don Adoues Frage, da er mit ihr in See stechen will,
wer am Steuer sitzen werde, antwortet: Von nun an, dächte ich, einzig Ihr.

Aber nicht bloß die beiden Haupthelden sind vortrefflich charakterisirt; auch
die zahlreiche" Gestalten, mit denen sie auf ihrer Wanderung in Berührung
kommen, zeigen des Dichters Menschenkenntnis und feine Kenntnis des italienischen
Volkes im besondern, alle sind sie lebenswahr geschildert: der betrügerische
Wirt, der verschmitzte Pfaffe, der blinde Bettler und Prvzessionsgreis. ebenso
wie die Personen der höheren Gesellschaftskreise, die in der Erzählung eine
Rolle spielen. In dem Ganzen aber herrscht ein so kräftiger, harmloser Humor, eine
so fröhliche Unbefangenheit der Darstellung, die auf der sichersten Beherrschung des
Stoffes beruht, das; man von Anfang bis zu Ende gefesselt wird und anch die
mitunter etwas lang geratenen Sätze und die sick etwas lang ausspinnende
Klosterepisode im zweiten Teile gern mit in den Kauf nimmt. "Don Atome" ist
eins der erfrischendsten und erquickendsten Bücher, das die erzählende Literatur
der Gegenwart hervorgebracht hat. Am ehesten ließe sich vielleicht, so sonderbar
es anch neben dem oben angegebenen Vergleich mit Don Quixote klingen mag,
Eichendorffs "Aus dem Leben eines Taugenichts" als ein Buch nennen, das
die gleiche Frische, Anmut und dichterische Liebenswürdigkeit besitzt.




Arc""s,oder W. 1883.59
Don Atome.

Versuche, sich aus seiner übel» Lage zu befreien, und mit ihrer thatkräftigen
Hilfe gelangt er glücklich durch die Hecke,

Ähnlich ergeht es ihnen in allen Lebenslagen, Don Atome redet, Fiammetta
handelt. Endlich, nachdem die mannichfachste Not den unverbesserlichen Träumer
nicht hat wecken können, gelingt die Heilung dadurch, daß Fiammetta dem
Schergen des Gesetzes, der ihren' lieben Herrn prügeln will, sich selbst entgegen¬
stellt. ' Als sie die für ihn bestimmten Schläge empfängt, erwacht Adoues
Zorn, er entreißt dem andern den Stock, und in der engergischeu Thätigkeit des
Schlagens wird ihm endlich klar, daß und wozu er Kräfte besitzt, nämlich dazu,
sich und Fiammetta zu behüten und zu beschützen. Und so findet denn die Rede
einer ihm wohlgesinnten Frau bei ihm ein offnes Ohr, die ihm den geheimen
Sinn des Auftrags seiner Mutter dahin erläutert, daß er auf dieser Reise sich
selbst und Fiammetta habe finden lind gewinnen sollen. Er greift zu und thut
nun das Gelübde, in den nächsten fünf Jahren die alten Weltweisen und ihre
Aussprüche nicht wieder in seinen Reden zu Worte kommen zu lassen, freilich
nur, um zunächst immer wieder in seinen alten Fehler zurückzufallen. Aber
seine Hochachtung vor den Alten ist dadurch, daß seiue Gönnerin durch die
Erklärung des eigentlichen Sinnes" des mütterlichen Vermächtnisses ihn mit
samt seinem Studium der vielen weisen Männer des Altertums beschämt hat,
wesentlich gesunken; und wenn er auch noch gelegentlich in der Geschwindigkeit
für den Begriff der Schönheit die Definition von sieben oder acht Weisen des
Altertums vorbringt, so hat mau doch die Zuversicht, daß Fiammettcis Wort
gelten werde, die auf Don Adoues Frage, da er mit ihr in See stechen will,
wer am Steuer sitzen werde, antwortet: Von nun an, dächte ich, einzig Ihr.

Aber nicht bloß die beiden Haupthelden sind vortrefflich charakterisirt; auch
die zahlreiche» Gestalten, mit denen sie auf ihrer Wanderung in Berührung
kommen, zeigen des Dichters Menschenkenntnis und feine Kenntnis des italienischen
Volkes im besondern, alle sind sie lebenswahr geschildert: der betrügerische
Wirt, der verschmitzte Pfaffe, der blinde Bettler und Prvzessionsgreis. ebenso
wie die Personen der höheren Gesellschaftskreise, die in der Erzählung eine
Rolle spielen. In dem Ganzen aber herrscht ein so kräftiger, harmloser Humor, eine
so fröhliche Unbefangenheit der Darstellung, die auf der sichersten Beherrschung des
Stoffes beruht, das; man von Anfang bis zu Ende gefesselt wird und anch die
mitunter etwas lang geratenen Sätze und die sick etwas lang ausspinnende
Klosterepisode im zweiten Teile gern mit in den Kauf nimmt. „Don Atome" ist
eins der erfrischendsten und erquickendsten Bücher, das die erzählende Literatur
der Gegenwart hervorgebracht hat. Am ehesten ließe sich vielleicht, so sonderbar
es anch neben dem oben angegebenen Vergleich mit Don Quixote klingen mag,
Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts" als ein Buch nennen, das
die gleiche Frische, Anmut und dichterische Liebenswürdigkeit besitzt.




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[0473] Don Atome. Versuche, sich aus seiner übel» Lage zu befreien, und mit ihrer thatkräftigen Hilfe gelangt er glücklich durch die Hecke, Ähnlich ergeht es ihnen in allen Lebenslagen, Don Atome redet, Fiammetta handelt. Endlich, nachdem die mannichfachste Not den unverbesserlichen Träumer nicht hat wecken können, gelingt die Heilung dadurch, daß Fiammetta dem Schergen des Gesetzes, der ihren' lieben Herrn prügeln will, sich selbst entgegen¬ stellt. ' Als sie die für ihn bestimmten Schläge empfängt, erwacht Adoues Zorn, er entreißt dem andern den Stock, und in der engergischeu Thätigkeit des Schlagens wird ihm endlich klar, daß und wozu er Kräfte besitzt, nämlich dazu, sich und Fiammetta zu behüten und zu beschützen. Und so findet denn die Rede einer ihm wohlgesinnten Frau bei ihm ein offnes Ohr, die ihm den geheimen Sinn des Auftrags seiner Mutter dahin erläutert, daß er auf dieser Reise sich selbst und Fiammetta habe finden lind gewinnen sollen. Er greift zu und thut nun das Gelübde, in den nächsten fünf Jahren die alten Weltweisen und ihre Aussprüche nicht wieder in seinen Reden zu Worte kommen zu lassen, freilich nur, um zunächst immer wieder in seinen alten Fehler zurückzufallen. Aber seine Hochachtung vor den Alten ist dadurch, daß seiue Gönnerin durch die Erklärung des eigentlichen Sinnes" des mütterlichen Vermächtnisses ihn mit samt seinem Studium der vielen weisen Männer des Altertums beschämt hat, wesentlich gesunken; und wenn er auch noch gelegentlich in der Geschwindigkeit für den Begriff der Schönheit die Definition von sieben oder acht Weisen des Altertums vorbringt, so hat mau doch die Zuversicht, daß Fiammettcis Wort gelten werde, die auf Don Adoues Frage, da er mit ihr in See stechen will, wer am Steuer sitzen werde, antwortet: Von nun an, dächte ich, einzig Ihr. Aber nicht bloß die beiden Haupthelden sind vortrefflich charakterisirt; auch die zahlreiche» Gestalten, mit denen sie auf ihrer Wanderung in Berührung kommen, zeigen des Dichters Menschenkenntnis und feine Kenntnis des italienischen Volkes im besondern, alle sind sie lebenswahr geschildert: der betrügerische Wirt, der verschmitzte Pfaffe, der blinde Bettler und Prvzessionsgreis. ebenso wie die Personen der höheren Gesellschaftskreise, die in der Erzählung eine Rolle spielen. In dem Ganzen aber herrscht ein so kräftiger, harmloser Humor, eine so fröhliche Unbefangenheit der Darstellung, die auf der sichersten Beherrschung des Stoffes beruht, das; man von Anfang bis zu Ende gefesselt wird und anch die mitunter etwas lang geratenen Sätze und die sick etwas lang ausspinnende Klosterepisode im zweiten Teile gern mit in den Kauf nimmt. „Don Atome" ist eins der erfrischendsten und erquickendsten Bücher, das die erzählende Literatur der Gegenwart hervorgebracht hat. Am ehesten ließe sich vielleicht, so sonderbar es anch neben dem oben angegebenen Vergleich mit Don Quixote klingen mag, Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts" als ein Buch nennen, das die gleiche Frische, Anmut und dichterische Liebenswürdigkeit besitzt. Arc„»s,oder W. 1883.59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/473>, abgerufen am 08.09.2024.