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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

Eine für das Jahr 1885 in Aussicht genommene Weltausstellung würde von
der Pariser mir durch sieben Jahre getrennt sein, und dazwischen liegt noch
die unglückliche und verunglückte Amsterdamer Ausstellung, welche ebenfalls den
Charakter einer Weltausstellung usurpirt hat, abgesehen von den Weltausstellungen
in Sidney und Melbourne, welche ihre bestimmten Zwecke verfolgt und, wie es
scheint, zum Teil auch erreicht haben. Was kann also eine Weltausstellung in
zwei Jahren neues bieten? Nichts als ein neues Amüsement für den gut situirter
Teil der vergnügungslustigen Welt, aber keine ernstlichen Fortschritte der In¬
dustrie, welche dem einen oder dem andern Volke Nutzen verschaffen können.

Noch ein letzter Einwand der Fürsprecher ist zu beseitigen. Deutschland
hat sich, so sagen sie, seit 1873, wo es eine schwere, empfindliche Niederlage
erlitt, nicht wieder offiziell und allgemein an einer Weltausstellung beteiligt.
Die Aufforderung zu einer Beteiligung an der Amsterdamer Ausstellung ging
von privater Seite aus und erhielt erst in der letzten Stunde dadurch eine ge¬
wissermaßen offizielle Stütze, daß der Reichskanzler eine kleine Summe -- ich
glaube, 50 000 Mark -- zur Jnstallirung der deutschen Abteilung anwies. Er
that dies nur gedrängt durch Petitionen und Wohl nur, wie ich annehme, um
einem etwaigen Vorwurfe zu entgehen, daß er der deutscheu Industrie zur Aus¬
dehnung ihres Absatzgebietes nicht die Wege ebne, nicht aber in der Überzeugung,
daß eine Beteiligung Deutschlands an einem zweifelhaften Unternehmen privater
Natur ersprießliche Folgen haben könnte. Nun hat aber Deutschland, sagen jene
Fürsprecher weiter, während des letzten Jahrzehnts seine Industrie aus dem
tiefen Falle wieder zu einer so achtbaren Höhe emporgebracht, daß es gewisser¬
maßen eine Pflicht der Rcichsregiernng ist, die ganze Welt von der gänzlich
und günstig veränderten Sachlage in Kenntnis zu setzen. Würde diese Auf-
klciruug nicht aber weit wirksamer sein, wenn sie fortführe, sich so weiter unter
der Hand zu vollziehen, wie es seit einigen Jahren der Fall ist, und nicht durch
eine geräuschvolle, prahlerische Manifestation, der nur zu leicht ein ungünstiger
Rückschlag folgen kann? Wozu vor aller Welt die Resultate unsers eisernen
Fleißes, die Methode unsrer gewissenhaften Arbeit auskramen? Wozu auf unsre
Kosten andre Völker aus ihrer Lethargie aufrütteln oder von ihren Vorurteilen
befreien? Die praktischen Engländer, welche sich offiziell ganz und gar nicht""
der Amsterdamer Ausstellung beteiligt haben, mögen uns mit ihrer weisen Vor¬
sicht als Vorbild dienen. Sie vermögen vorläufig von einer Weltausstellung
nichts zu profitiren, weil ihnen die Pariser uoch in zu frischer, mehr oder weniger
angenehmer Erinnerung ist, und zur Ausdehnung ihres Exportgeschäftes be¬
dürfen sie nicht des schwerfälligen Apparats einer Weltausstellung. Und am
allerwenigsten wollen sie sich in die Karten gucken lassen, wo es sich um das
überseeische Geschäft handelt.

Daß sich infolge des Aufschwungs und der soliden Arbeit und Geschäfts¬
führung der deutschen Industrie allmählich eine Umwälzung zu Gunsten der


Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

Eine für das Jahr 1885 in Aussicht genommene Weltausstellung würde von
der Pariser mir durch sieben Jahre getrennt sein, und dazwischen liegt noch
die unglückliche und verunglückte Amsterdamer Ausstellung, welche ebenfalls den
Charakter einer Weltausstellung usurpirt hat, abgesehen von den Weltausstellungen
in Sidney und Melbourne, welche ihre bestimmten Zwecke verfolgt und, wie es
scheint, zum Teil auch erreicht haben. Was kann also eine Weltausstellung in
zwei Jahren neues bieten? Nichts als ein neues Amüsement für den gut situirter
Teil der vergnügungslustigen Welt, aber keine ernstlichen Fortschritte der In¬
dustrie, welche dem einen oder dem andern Volke Nutzen verschaffen können.

Noch ein letzter Einwand der Fürsprecher ist zu beseitigen. Deutschland
hat sich, so sagen sie, seit 1873, wo es eine schwere, empfindliche Niederlage
erlitt, nicht wieder offiziell und allgemein an einer Weltausstellung beteiligt.
Die Aufforderung zu einer Beteiligung an der Amsterdamer Ausstellung ging
von privater Seite aus und erhielt erst in der letzten Stunde dadurch eine ge¬
wissermaßen offizielle Stütze, daß der Reichskanzler eine kleine Summe — ich
glaube, 50 000 Mark — zur Jnstallirung der deutschen Abteilung anwies. Er
that dies nur gedrängt durch Petitionen und Wohl nur, wie ich annehme, um
einem etwaigen Vorwurfe zu entgehen, daß er der deutscheu Industrie zur Aus¬
dehnung ihres Absatzgebietes nicht die Wege ebne, nicht aber in der Überzeugung,
daß eine Beteiligung Deutschlands an einem zweifelhaften Unternehmen privater
Natur ersprießliche Folgen haben könnte. Nun hat aber Deutschland, sagen jene
Fürsprecher weiter, während des letzten Jahrzehnts seine Industrie aus dem
tiefen Falle wieder zu einer so achtbaren Höhe emporgebracht, daß es gewisser¬
maßen eine Pflicht der Rcichsregiernng ist, die ganze Welt von der gänzlich
und günstig veränderten Sachlage in Kenntnis zu setzen. Würde diese Auf-
klciruug nicht aber weit wirksamer sein, wenn sie fortführe, sich so weiter unter
der Hand zu vollziehen, wie es seit einigen Jahren der Fall ist, und nicht durch
eine geräuschvolle, prahlerische Manifestation, der nur zu leicht ein ungünstiger
Rückschlag folgen kann? Wozu vor aller Welt die Resultate unsers eisernen
Fleißes, die Methode unsrer gewissenhaften Arbeit auskramen? Wozu auf unsre
Kosten andre Völker aus ihrer Lethargie aufrütteln oder von ihren Vorurteilen
befreien? Die praktischen Engländer, welche sich offiziell ganz und gar nicht«»
der Amsterdamer Ausstellung beteiligt haben, mögen uns mit ihrer weisen Vor¬
sicht als Vorbild dienen. Sie vermögen vorläufig von einer Weltausstellung
nichts zu profitiren, weil ihnen die Pariser uoch in zu frischer, mehr oder weniger
angenehmer Erinnerung ist, und zur Ausdehnung ihres Exportgeschäftes be¬
dürfen sie nicht des schwerfälligen Apparats einer Weltausstellung. Und am
allerwenigsten wollen sie sich in die Karten gucken lassen, wo es sich um das
überseeische Geschäft handelt.

Daß sich infolge des Aufschwungs und der soliden Arbeit und Geschäfts¬
führung der deutschen Industrie allmählich eine Umwälzung zu Gunsten der


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[0402] Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin. Eine für das Jahr 1885 in Aussicht genommene Weltausstellung würde von der Pariser mir durch sieben Jahre getrennt sein, und dazwischen liegt noch die unglückliche und verunglückte Amsterdamer Ausstellung, welche ebenfalls den Charakter einer Weltausstellung usurpirt hat, abgesehen von den Weltausstellungen in Sidney und Melbourne, welche ihre bestimmten Zwecke verfolgt und, wie es scheint, zum Teil auch erreicht haben. Was kann also eine Weltausstellung in zwei Jahren neues bieten? Nichts als ein neues Amüsement für den gut situirter Teil der vergnügungslustigen Welt, aber keine ernstlichen Fortschritte der In¬ dustrie, welche dem einen oder dem andern Volke Nutzen verschaffen können. Noch ein letzter Einwand der Fürsprecher ist zu beseitigen. Deutschland hat sich, so sagen sie, seit 1873, wo es eine schwere, empfindliche Niederlage erlitt, nicht wieder offiziell und allgemein an einer Weltausstellung beteiligt. Die Aufforderung zu einer Beteiligung an der Amsterdamer Ausstellung ging von privater Seite aus und erhielt erst in der letzten Stunde dadurch eine ge¬ wissermaßen offizielle Stütze, daß der Reichskanzler eine kleine Summe — ich glaube, 50 000 Mark — zur Jnstallirung der deutschen Abteilung anwies. Er that dies nur gedrängt durch Petitionen und Wohl nur, wie ich annehme, um einem etwaigen Vorwurfe zu entgehen, daß er der deutscheu Industrie zur Aus¬ dehnung ihres Absatzgebietes nicht die Wege ebne, nicht aber in der Überzeugung, daß eine Beteiligung Deutschlands an einem zweifelhaften Unternehmen privater Natur ersprießliche Folgen haben könnte. Nun hat aber Deutschland, sagen jene Fürsprecher weiter, während des letzten Jahrzehnts seine Industrie aus dem tiefen Falle wieder zu einer so achtbaren Höhe emporgebracht, daß es gewisser¬ maßen eine Pflicht der Rcichsregiernng ist, die ganze Welt von der gänzlich und günstig veränderten Sachlage in Kenntnis zu setzen. Würde diese Auf- klciruug nicht aber weit wirksamer sein, wenn sie fortführe, sich so weiter unter der Hand zu vollziehen, wie es seit einigen Jahren der Fall ist, und nicht durch eine geräuschvolle, prahlerische Manifestation, der nur zu leicht ein ungünstiger Rückschlag folgen kann? Wozu vor aller Welt die Resultate unsers eisernen Fleißes, die Methode unsrer gewissenhaften Arbeit auskramen? Wozu auf unsre Kosten andre Völker aus ihrer Lethargie aufrütteln oder von ihren Vorurteilen befreien? Die praktischen Engländer, welche sich offiziell ganz und gar nicht«» der Amsterdamer Ausstellung beteiligt haben, mögen uns mit ihrer weisen Vor¬ sicht als Vorbild dienen. Sie vermögen vorläufig von einer Weltausstellung nichts zu profitiren, weil ihnen die Pariser uoch in zu frischer, mehr oder weniger angenehmer Erinnerung ist, und zur Ausdehnung ihres Exportgeschäftes be¬ dürfen sie nicht des schwerfälligen Apparats einer Weltausstellung. Und am allerwenigsten wollen sie sich in die Karten gucken lassen, wo es sich um das überseeische Geschäft handelt. Daß sich infolge des Aufschwungs und der soliden Arbeit und Geschäfts¬ führung der deutschen Industrie allmählich eine Umwälzung zu Gunsten der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/402>, abgerufen am 08.09.2024.