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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Amsterdamer Ausstellung und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

hin überstrahlen muß. Um die letzte Pariser in den Schatten zu stellen, müßte
Berlin also mindestens über ein gleich großes, wenn nicht über ein größeres
Terrain verfügen, welches zugleich ebenbürtige landschaftliche Vorzüge aufweisen
müßte. Wenn es nun wirklich einem findigen Kopfe gelingen sollte, ein solches Terrain
zu ermitteln, wo wird sich eine Höhe schaffen lassen, wie sie der das Marsfeld beherr¬
schende Troeaderohügel besitzt? Wo giebt es in Berlin einen Wasserlauf wie die
Seine, welche 1878 einen ungemein wichtigen Faktor sowohl zur Erleichterung des
Waaren- und Personentransports, als zur Erhöhung der landschaftlichen Reize
bildete? Darauf müßten wir von vornherein verzichten, wenn wir die Berliner
Weltausstellung nicht nach Treptow, nach dem Wannsee oder nach Westend-Char-
lottenburg verlegen Wollen. Man könnte aber, so werden die Freunde des Projekts
sagen, die Pariser Weltausstellung nach andern Richtungen ausstechen, einmal
durch eine größere Vollständigkeit und Reichhaltigkeit, dann durch eine umfassende
Fürsorge für Vergnügungen, an welchen die Pariser Weltausstellung bekannt¬
lich empfindlichen Mangel litt. Die Erreichung beider Zwecke hat aber eine
erhebliche Vergrößerung des Terrains über das Areal der Pariser Weltaus¬
stellung hinaus zur notwendigen Voraussetzung. Wo soll aber ein solches Ter¬
rain in der unmittelbaren Nähe der Stadt gefunden werden? Unser Tiergarten
bietet nirgends einen so günstigen Platz wie ihn der Wiener Prater geliefert
hat, und es wird auch niemand das Ansinnen stellen, dem vorübergehenden,
ganz imaginären Glänze einer Weltausstellung zu Liebe einen Teil des Tier¬
gartens abzuholzen, um den erforderlichen Raum zu schaffen. Das Terrain
der Hygieineausstellung ist für die Zwecke einer Weltausstellung gänzlich un¬
brauchbar, und das Tempelhofer Feld, welches noch in Frage kommen konnte,
ist eine öde, baumlose Sandwüste, welchem das belebende Element, das "Auge
der Landschaft," das Wasser fehlt.

An der Platzfrage würde zunächst also das Projekt einer Berliner Welt¬
ausstellung scheitern, abgesehen davon, daß das Bedürfnis einer solchen in keiner
Weise gefühlt wird. Neben der finanziellen Verantwortung liegt uns zugleich
die moralische ob. Ist Aussicht vorhanden, daß unsre deutsche Industrie aus
einer Weltausstellung in Berlin Nutzen ziehe" wird, oder kann sie nicht, wenn
das letztere wirklich der Fall sein sollte, einen gleichen Nutzen auf einem leichtern
und weniger gefahrvollen Wege erzielen? Wir glauben den letztern Teil dieser
Frage mit "Ja" beantworten zu können. Unsre Industriellen haben die aus¬
wärtigen Ausstellungen besucht, unsre Regierungen haben ihre Sachverständigen
hingeschickt, um Beobachtungen zum Vorteile der deutschen Industrie zu machen,
die Vorstände unsrer Kunstgewerbemuseen haben ganze Sammlungen fremder
Erzeugnisse, insbesondre Ostasiens, von denen man sich eine Bereicherung unsrer
kunstgewerblichen Technik verspricht, angekauft, sodaß also an den Zentralpunkten
der deutschen Gewerbsthätigkeit das Studium der ausländischen Fabrikation und
eine Kontrole über die Neuerungen und Fortschritte derselben ermöglicht wird.


Grenzboten HI. 1383. 50
Die Amsterdamer Ausstellung und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

hin überstrahlen muß. Um die letzte Pariser in den Schatten zu stellen, müßte
Berlin also mindestens über ein gleich großes, wenn nicht über ein größeres
Terrain verfügen, welches zugleich ebenbürtige landschaftliche Vorzüge aufweisen
müßte. Wenn es nun wirklich einem findigen Kopfe gelingen sollte, ein solches Terrain
zu ermitteln, wo wird sich eine Höhe schaffen lassen, wie sie der das Marsfeld beherr¬
schende Troeaderohügel besitzt? Wo giebt es in Berlin einen Wasserlauf wie die
Seine, welche 1878 einen ungemein wichtigen Faktor sowohl zur Erleichterung des
Waaren- und Personentransports, als zur Erhöhung der landschaftlichen Reize
bildete? Darauf müßten wir von vornherein verzichten, wenn wir die Berliner
Weltausstellung nicht nach Treptow, nach dem Wannsee oder nach Westend-Char-
lottenburg verlegen Wollen. Man könnte aber, so werden die Freunde des Projekts
sagen, die Pariser Weltausstellung nach andern Richtungen ausstechen, einmal
durch eine größere Vollständigkeit und Reichhaltigkeit, dann durch eine umfassende
Fürsorge für Vergnügungen, an welchen die Pariser Weltausstellung bekannt¬
lich empfindlichen Mangel litt. Die Erreichung beider Zwecke hat aber eine
erhebliche Vergrößerung des Terrains über das Areal der Pariser Weltaus¬
stellung hinaus zur notwendigen Voraussetzung. Wo soll aber ein solches Ter¬
rain in der unmittelbaren Nähe der Stadt gefunden werden? Unser Tiergarten
bietet nirgends einen so günstigen Platz wie ihn der Wiener Prater geliefert
hat, und es wird auch niemand das Ansinnen stellen, dem vorübergehenden,
ganz imaginären Glänze einer Weltausstellung zu Liebe einen Teil des Tier¬
gartens abzuholzen, um den erforderlichen Raum zu schaffen. Das Terrain
der Hygieineausstellung ist für die Zwecke einer Weltausstellung gänzlich un¬
brauchbar, und das Tempelhofer Feld, welches noch in Frage kommen konnte,
ist eine öde, baumlose Sandwüste, welchem das belebende Element, das „Auge
der Landschaft," das Wasser fehlt.

An der Platzfrage würde zunächst also das Projekt einer Berliner Welt¬
ausstellung scheitern, abgesehen davon, daß das Bedürfnis einer solchen in keiner
Weise gefühlt wird. Neben der finanziellen Verantwortung liegt uns zugleich
die moralische ob. Ist Aussicht vorhanden, daß unsre deutsche Industrie aus
einer Weltausstellung in Berlin Nutzen ziehe» wird, oder kann sie nicht, wenn
das letztere wirklich der Fall sein sollte, einen gleichen Nutzen auf einem leichtern
und weniger gefahrvollen Wege erzielen? Wir glauben den letztern Teil dieser
Frage mit „Ja" beantworten zu können. Unsre Industriellen haben die aus¬
wärtigen Ausstellungen besucht, unsre Regierungen haben ihre Sachverständigen
hingeschickt, um Beobachtungen zum Vorteile der deutschen Industrie zu machen,
die Vorstände unsrer Kunstgewerbemuseen haben ganze Sammlungen fremder
Erzeugnisse, insbesondre Ostasiens, von denen man sich eine Bereicherung unsrer
kunstgewerblichen Technik verspricht, angekauft, sodaß also an den Zentralpunkten
der deutschen Gewerbsthätigkeit das Studium der ausländischen Fabrikation und
eine Kontrole über die Neuerungen und Fortschritte derselben ermöglicht wird.


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[0401] Die Amsterdamer Ausstellung und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin. hin überstrahlen muß. Um die letzte Pariser in den Schatten zu stellen, müßte Berlin also mindestens über ein gleich großes, wenn nicht über ein größeres Terrain verfügen, welches zugleich ebenbürtige landschaftliche Vorzüge aufweisen müßte. Wenn es nun wirklich einem findigen Kopfe gelingen sollte, ein solches Terrain zu ermitteln, wo wird sich eine Höhe schaffen lassen, wie sie der das Marsfeld beherr¬ schende Troeaderohügel besitzt? Wo giebt es in Berlin einen Wasserlauf wie die Seine, welche 1878 einen ungemein wichtigen Faktor sowohl zur Erleichterung des Waaren- und Personentransports, als zur Erhöhung der landschaftlichen Reize bildete? Darauf müßten wir von vornherein verzichten, wenn wir die Berliner Weltausstellung nicht nach Treptow, nach dem Wannsee oder nach Westend-Char- lottenburg verlegen Wollen. Man könnte aber, so werden die Freunde des Projekts sagen, die Pariser Weltausstellung nach andern Richtungen ausstechen, einmal durch eine größere Vollständigkeit und Reichhaltigkeit, dann durch eine umfassende Fürsorge für Vergnügungen, an welchen die Pariser Weltausstellung bekannt¬ lich empfindlichen Mangel litt. Die Erreichung beider Zwecke hat aber eine erhebliche Vergrößerung des Terrains über das Areal der Pariser Weltaus¬ stellung hinaus zur notwendigen Voraussetzung. Wo soll aber ein solches Ter¬ rain in der unmittelbaren Nähe der Stadt gefunden werden? Unser Tiergarten bietet nirgends einen so günstigen Platz wie ihn der Wiener Prater geliefert hat, und es wird auch niemand das Ansinnen stellen, dem vorübergehenden, ganz imaginären Glänze einer Weltausstellung zu Liebe einen Teil des Tier¬ gartens abzuholzen, um den erforderlichen Raum zu schaffen. Das Terrain der Hygieineausstellung ist für die Zwecke einer Weltausstellung gänzlich un¬ brauchbar, und das Tempelhofer Feld, welches noch in Frage kommen konnte, ist eine öde, baumlose Sandwüste, welchem das belebende Element, das „Auge der Landschaft," das Wasser fehlt. An der Platzfrage würde zunächst also das Projekt einer Berliner Welt¬ ausstellung scheitern, abgesehen davon, daß das Bedürfnis einer solchen in keiner Weise gefühlt wird. Neben der finanziellen Verantwortung liegt uns zugleich die moralische ob. Ist Aussicht vorhanden, daß unsre deutsche Industrie aus einer Weltausstellung in Berlin Nutzen ziehe» wird, oder kann sie nicht, wenn das letztere wirklich der Fall sein sollte, einen gleichen Nutzen auf einem leichtern und weniger gefahrvollen Wege erzielen? Wir glauben den letztern Teil dieser Frage mit „Ja" beantworten zu können. Unsre Industriellen haben die aus¬ wärtigen Ausstellungen besucht, unsre Regierungen haben ihre Sachverständigen hingeschickt, um Beobachtungen zum Vorteile der deutschen Industrie zu machen, die Vorstände unsrer Kunstgewerbemuseen haben ganze Sammlungen fremder Erzeugnisse, insbesondre Ostasiens, von denen man sich eine Bereicherung unsrer kunstgewerblichen Technik verspricht, angekauft, sodaß also an den Zentralpunkten der deutschen Gewerbsthätigkeit das Studium der ausländischen Fabrikation und eine Kontrole über die Neuerungen und Fortschritte derselben ermöglicht wird. Grenzboten HI. 1383. 50

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/401>, abgerufen am 08.09.2024.