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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Friedrich preller.

Augusts, welcher auch über seinen Tod hinaus väterlich für den vielversprechenden
Kunstjünger gesorgt hatte. Ein Besuch der Akademie von Antwerpen, die unter
van Breef Leitung stand, trug ihm nach seiner eignen Auffassung und trotz
seines Fleißes wenig künstlerischen Gewinn el". Immerhin aber erlangte er
eine gründliche Kenntnis der menschlichen Figur, welche ihn bald genug einen
Borten vor allen andern Landschaftern seiner Zeit gab. Ein glücklicher Instinkt,
oder wenn man will, frühe Selbsterkenntnis, daß seine besondre Begabung und
Kunstrichtung besser auf italienischem als auf niederländischen Boden gedeihen
würde, gab dem jungen Künstler den Mut, durch van Bree bei seinem gro߬
herzoglichen Gönner um Fortgewährung des Stipendiums in Italien zu bitten.
Daß dieser Wunsch sofort erfüllt wurde, ist der beste Beweis, mit welchem Unrecht
die Beschuldigung ausgesprochen worden ist, Goethe und Karl August hätte"
Preller in eine ihm widerstrebende Kunstrichtung hineintreiben wollen. Der
Kunstjünger kam im Juni 1826 nach Weimar zurück, empfing hier den Reise-
segen Goethes in der Empfehlung, sich vor allem an die Natur und demnächst
an Poussin und Claude Lorrain zu halten. Der Rat ward in jenem zuver¬
sichtlichen Tone erteilt, welcher nur einem wahren Talente gegenüber angewendet
wird. Im August 1826 ging Friedrich Preller nach Mailand und schuf hier,
von der Fülle der oberitalienischen Landschaft ergriffen, jene ersten Bilder,
welche ihm bei Karl August die Zusicherung eintrugen, daß er nunmehr einige
Jahre i" Rom weiterstudiereu könne. Die Anordnung der ersehnten Romfahrt
war die letzte Wohlthat, welche der geliebte Landesherr dem jungen Maler er¬
weisen konnte. Sie erfüllte Prellers Herzenswünsche, und doch schloß sie einen
Schmerz in sich ein, von dem freilich der Großherzog nichts ahnte noch ahnen
dürfte. Schon in Antwerpen hatte sich unser Künstler mit Marie Erlassen,
der lieblichen und liebenswürdigen Tochter eines Schiffskapitäns, verlobt. Jetzt
galt es nun auf Jahre hinaus, auf deu Gedanken an eine Verbindung mit der
Geliebten zu verzichten. In fester, schlichter Treue, seiner selbst völlig sicher,
erneuerte Preller bei diesem Anlaß sein Verlöbnis und ging im September 1828,
nachdem er noch in Mailand den Tod seines fürstlichen Gönners und Schützers
erfahren hatte, nach Rom.

Hier lebten und schufen damals noch Joseph Auto" Koch und Johann
Christian Reinhart, die ersten großen Landschaftsmaler, welche Deutschland nach
langer öder Zeit erhalten hatte. Beide, namentlich Koch, wirkten günstig auf
Prellers Entwicklung, im übrigen erfuhr der Kunstjünger, daß Rom neben den
himmelhoch jauchzenden anch die zum Tode betrübten Stimmungen weckt. Auch
er "mußte sich ebeu hindurchringen durch innere Nöte, welche wenigen erspart
sind, die es ernst mit sich nehmen" und an welchen "der Größere meist schwerer
zu tragen und zu arbeiten hat als der Geringere." Preller stellte jene höchsten
Anforderungen an sich, die in aller Kunst zugleich die unerläßlichen sind und
aus denen auch dem echtesten Talent die brennenden Zweifel an: eignen Können


Friedrich preller.

Augusts, welcher auch über seinen Tod hinaus väterlich für den vielversprechenden
Kunstjünger gesorgt hatte. Ein Besuch der Akademie von Antwerpen, die unter
van Breef Leitung stand, trug ihm nach seiner eignen Auffassung und trotz
seines Fleißes wenig künstlerischen Gewinn el». Immerhin aber erlangte er
eine gründliche Kenntnis der menschlichen Figur, welche ihn bald genug einen
Borten vor allen andern Landschaftern seiner Zeit gab. Ein glücklicher Instinkt,
oder wenn man will, frühe Selbsterkenntnis, daß seine besondre Begabung und
Kunstrichtung besser auf italienischem als auf niederländischen Boden gedeihen
würde, gab dem jungen Künstler den Mut, durch van Bree bei seinem gro߬
herzoglichen Gönner um Fortgewährung des Stipendiums in Italien zu bitten.
Daß dieser Wunsch sofort erfüllt wurde, ist der beste Beweis, mit welchem Unrecht
die Beschuldigung ausgesprochen worden ist, Goethe und Karl August hätte»
Preller in eine ihm widerstrebende Kunstrichtung hineintreiben wollen. Der
Kunstjünger kam im Juni 1826 nach Weimar zurück, empfing hier den Reise-
segen Goethes in der Empfehlung, sich vor allem an die Natur und demnächst
an Poussin und Claude Lorrain zu halten. Der Rat ward in jenem zuver¬
sichtlichen Tone erteilt, welcher nur einem wahren Talente gegenüber angewendet
wird. Im August 1826 ging Friedrich Preller nach Mailand und schuf hier,
von der Fülle der oberitalienischen Landschaft ergriffen, jene ersten Bilder,
welche ihm bei Karl August die Zusicherung eintrugen, daß er nunmehr einige
Jahre i» Rom weiterstudiereu könne. Die Anordnung der ersehnten Romfahrt
war die letzte Wohlthat, welche der geliebte Landesherr dem jungen Maler er¬
weisen konnte. Sie erfüllte Prellers Herzenswünsche, und doch schloß sie einen
Schmerz in sich ein, von dem freilich der Großherzog nichts ahnte noch ahnen
dürfte. Schon in Antwerpen hatte sich unser Künstler mit Marie Erlassen,
der lieblichen und liebenswürdigen Tochter eines Schiffskapitäns, verlobt. Jetzt
galt es nun auf Jahre hinaus, auf deu Gedanken an eine Verbindung mit der
Geliebten zu verzichten. In fester, schlichter Treue, seiner selbst völlig sicher,
erneuerte Preller bei diesem Anlaß sein Verlöbnis und ging im September 1828,
nachdem er noch in Mailand den Tod seines fürstlichen Gönners und Schützers
erfahren hatte, nach Rom.

Hier lebten und schufen damals noch Joseph Auto» Koch und Johann
Christian Reinhart, die ersten großen Landschaftsmaler, welche Deutschland nach
langer öder Zeit erhalten hatte. Beide, namentlich Koch, wirkten günstig auf
Prellers Entwicklung, im übrigen erfuhr der Kunstjünger, daß Rom neben den
himmelhoch jauchzenden anch die zum Tode betrübten Stimmungen weckt. Auch
er „mußte sich ebeu hindurchringen durch innere Nöte, welche wenigen erspart
sind, die es ernst mit sich nehmen" und an welchen „der Größere meist schwerer
zu tragen und zu arbeiten hat als der Geringere." Preller stellte jene höchsten
Anforderungen an sich, die in aller Kunst zugleich die unerläßlichen sind und
aus denen auch dem echtesten Talent die brennenden Zweifel an: eignen Können


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/38>, abgerufen am 08.09.2024.