Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Friedrich Preller.

und Beziehungen zusammen und weist dabei überall über sich hinaus, ernstes
Nachdenken über allgemeine Fragen des Lebens und der Kunst anregend. Sie
ist eins der Bücher, die auf jeder Seite demjenigen, der zwischen den Zeilen
zu lesen versteht, noch besondre Anregungen gewähren und dabei doch einfach,
klar, ganz sachlich und prätentionslos geschrieben sind. Der Biograph schmiegt
sich dem Wesen und der Anschauung des Helden in dem Grade an, daß er die
Aufänge und Ausgänge von dessen Künstlerleben mit eingehendem Anteil dar¬
stellt, die Mitte von Prellers Leben und Schaffen, zwei volle Jahrzehnte, etwas
skizzenhaft behandelt. Preller selbst war nur zu geneigt, seine Jugendzeit in
Italien als einen Raupenzustand anzusehen, in dem sich Name und Art des
künftigen Falters wohl erraten läßt, sich seines Faltertums, das er von der
Rückkehr zur südlichen Landschaft und der Wiederaufnahme seiner Darstellungen
zur Odyssee um die Mitte der fünfziger Jahre datirte, bestens zu erfreuen, die
ganze dazwischenliegende Zeit aber als eine schnöde Verpuppung zu betrachten,
von der am besten so wenig als nur immer möglich gesprochen werde. Etwas
von dieser Stimmung ist auf Rvquctte übergegangen, womit keineswegs jeder
Leser der Biographie und jeder Kenner der Prellerschen Landschaften mittlerer
Periode einverstanden sein wird.

Friedrich Preller der Ältere gehörte, wie männiglich bekannt, zu den letzten
Künstlern, für welche sich unser großer Dichterfürst und sein Herr, der Groß-
herzog Karl August, lebendig intcressnt haben. 'In Eisenach am 25. April 1804
geboren, aber i" Weimar aufgewachsen, hatte er das Weimarischc Gymnasium
bis zur Sekunda besucht, war früh in die vom "Kunscht-Meyer" geleitete, von
Goethe protegirte Zeichenschule eingetreten, hatte aber die Mittel zu weiterer
künstlerischer Ausbildung auf dein mühevollsten Wege erwerbe" müssen. Mit
Brotarbeiten wie dem Jlluminiren von Kupfern verdiente er sich in drei Wintern
in Weimar soviel, um drei Sommer (1821--1823) den Studien und dem
Kopiren hervorragender Landschaftsbilder auf der Dresdner Galerie obliegen
zu können. In Dresden schloß er seine ersten Künstlerfreundschaften mit Ludwig
Richter, dem ältern Oehme, mit Thäter und Ernst Rietschel, lauter armen
Jungen wie er selbst und lauter Talenten, die mit Zuversicht und uner¬
müdlichem Fleiß einer bessern Zukunft entgegeurangen. Das Künstlergeschlecht
von heute, das es von Haus aus "nicht nötig hat" und doch mit Heißhunger
nach den goldnen Ernten trachtet, welche namentlich dem Maler zu Teil werdeu,
der die Meinung des "Marktes" für sich gewinnt, blickt mit großem Hohn auf
solche Anfänge herab. Wie in tausend andern Fällen, haben wir eben den
richtigen Übergang aus allzu gepreßten, dürftigen zu freieren, menschenwürdigeren
und glücklicheren Zuständen nicht gefunden, an die Stelle der dürftigen Gebunden¬
heit ist üppiger Übermut getreten.

Auch Prellers weitere Lebensschicksale rücken solche Reflexionen nahe genug,
Von 1823 an bis zu seiner Rückkehr aus Italien 1831 war er Stipendiat Karl


Friedrich Preller.

und Beziehungen zusammen und weist dabei überall über sich hinaus, ernstes
Nachdenken über allgemeine Fragen des Lebens und der Kunst anregend. Sie
ist eins der Bücher, die auf jeder Seite demjenigen, der zwischen den Zeilen
zu lesen versteht, noch besondre Anregungen gewähren und dabei doch einfach,
klar, ganz sachlich und prätentionslos geschrieben sind. Der Biograph schmiegt
sich dem Wesen und der Anschauung des Helden in dem Grade an, daß er die
Aufänge und Ausgänge von dessen Künstlerleben mit eingehendem Anteil dar¬
stellt, die Mitte von Prellers Leben und Schaffen, zwei volle Jahrzehnte, etwas
skizzenhaft behandelt. Preller selbst war nur zu geneigt, seine Jugendzeit in
Italien als einen Raupenzustand anzusehen, in dem sich Name und Art des
künftigen Falters wohl erraten läßt, sich seines Faltertums, das er von der
Rückkehr zur südlichen Landschaft und der Wiederaufnahme seiner Darstellungen
zur Odyssee um die Mitte der fünfziger Jahre datirte, bestens zu erfreuen, die
ganze dazwischenliegende Zeit aber als eine schnöde Verpuppung zu betrachten,
von der am besten so wenig als nur immer möglich gesprochen werde. Etwas
von dieser Stimmung ist auf Rvquctte übergegangen, womit keineswegs jeder
Leser der Biographie und jeder Kenner der Prellerschen Landschaften mittlerer
Periode einverstanden sein wird.

Friedrich Preller der Ältere gehörte, wie männiglich bekannt, zu den letzten
Künstlern, für welche sich unser großer Dichterfürst und sein Herr, der Groß-
herzog Karl August, lebendig intcressnt haben. 'In Eisenach am 25. April 1804
geboren, aber i» Weimar aufgewachsen, hatte er das Weimarischc Gymnasium
bis zur Sekunda besucht, war früh in die vom „Kunscht-Meyer" geleitete, von
Goethe protegirte Zeichenschule eingetreten, hatte aber die Mittel zu weiterer
künstlerischer Ausbildung auf dein mühevollsten Wege erwerbe» müssen. Mit
Brotarbeiten wie dem Jlluminiren von Kupfern verdiente er sich in drei Wintern
in Weimar soviel, um drei Sommer (1821—1823) den Studien und dem
Kopiren hervorragender Landschaftsbilder auf der Dresdner Galerie obliegen
zu können. In Dresden schloß er seine ersten Künstlerfreundschaften mit Ludwig
Richter, dem ältern Oehme, mit Thäter und Ernst Rietschel, lauter armen
Jungen wie er selbst und lauter Talenten, die mit Zuversicht und uner¬
müdlichem Fleiß einer bessern Zukunft entgegeurangen. Das Künstlergeschlecht
von heute, das es von Haus aus „nicht nötig hat" und doch mit Heißhunger
nach den goldnen Ernten trachtet, welche namentlich dem Maler zu Teil werdeu,
der die Meinung des „Marktes" für sich gewinnt, blickt mit großem Hohn auf
solche Anfänge herab. Wie in tausend andern Fällen, haben wir eben den
richtigen Übergang aus allzu gepreßten, dürftigen zu freieren, menschenwürdigeren
und glücklicheren Zuständen nicht gefunden, an die Stelle der dürftigen Gebunden¬
heit ist üppiger Übermut getreten.

Auch Prellers weitere Lebensschicksale rücken solche Reflexionen nahe genug,
Von 1823 an bis zu seiner Rückkehr aus Italien 1831 war er Stipendiat Karl


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0037" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153486"/>
          <fw type="header" place="top"> Friedrich Preller.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_90" prev="#ID_89"> und Beziehungen zusammen und weist dabei überall über sich hinaus, ernstes<lb/>
Nachdenken über allgemeine Fragen des Lebens und der Kunst anregend. Sie<lb/>
ist eins der Bücher, die auf jeder Seite demjenigen, der zwischen den Zeilen<lb/>
zu lesen versteht, noch besondre Anregungen gewähren und dabei doch einfach,<lb/>
klar, ganz sachlich und prätentionslos geschrieben sind. Der Biograph schmiegt<lb/>
sich dem Wesen und der Anschauung des Helden in dem Grade an, daß er die<lb/>
Aufänge und Ausgänge von dessen Künstlerleben mit eingehendem Anteil dar¬<lb/>
stellt, die Mitte von Prellers Leben und Schaffen, zwei volle Jahrzehnte, etwas<lb/>
skizzenhaft behandelt. Preller selbst war nur zu geneigt, seine Jugendzeit in<lb/>
Italien als einen Raupenzustand anzusehen, in dem sich Name und Art des<lb/>
künftigen Falters wohl erraten läßt, sich seines Faltertums, das er von der<lb/>
Rückkehr zur südlichen Landschaft und der Wiederaufnahme seiner Darstellungen<lb/>
zur Odyssee um die Mitte der fünfziger Jahre datirte, bestens zu erfreuen, die<lb/>
ganze dazwischenliegende Zeit aber als eine schnöde Verpuppung zu betrachten,<lb/>
von der am besten so wenig als nur immer möglich gesprochen werde. Etwas<lb/>
von dieser Stimmung ist auf Rvquctte übergegangen, womit keineswegs jeder<lb/>
Leser der Biographie und jeder Kenner der Prellerschen Landschaften mittlerer<lb/>
Periode einverstanden sein wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_91"> Friedrich Preller der Ältere gehörte, wie männiglich bekannt, zu den letzten<lb/>
Künstlern, für welche sich unser großer Dichterfürst und sein Herr, der Groß-<lb/>
herzog Karl August, lebendig intcressnt haben. 'In Eisenach am 25. April 1804<lb/>
geboren, aber i» Weimar aufgewachsen, hatte er das Weimarischc Gymnasium<lb/>
bis zur Sekunda besucht, war früh in die vom &#x201E;Kunscht-Meyer" geleitete, von<lb/>
Goethe protegirte Zeichenschule eingetreten, hatte aber die Mittel zu weiterer<lb/>
künstlerischer Ausbildung auf dein mühevollsten Wege erwerbe» müssen. Mit<lb/>
Brotarbeiten wie dem Jlluminiren von Kupfern verdiente er sich in drei Wintern<lb/>
in Weimar soviel, um drei Sommer (1821&#x2014;1823) den Studien und dem<lb/>
Kopiren hervorragender Landschaftsbilder auf der Dresdner Galerie obliegen<lb/>
zu können. In Dresden schloß er seine ersten Künstlerfreundschaften mit Ludwig<lb/>
Richter, dem ältern Oehme, mit Thäter und Ernst Rietschel, lauter armen<lb/>
Jungen wie er selbst und lauter Talenten, die mit Zuversicht und uner¬<lb/>
müdlichem Fleiß einer bessern Zukunft entgegeurangen. Das Künstlergeschlecht<lb/>
von heute, das es von Haus aus &#x201E;nicht nötig hat" und doch mit Heißhunger<lb/>
nach den goldnen Ernten trachtet, welche namentlich dem Maler zu Teil werdeu,<lb/>
der die Meinung des &#x201E;Marktes" für sich gewinnt, blickt mit großem Hohn auf<lb/>
solche Anfänge herab. Wie in tausend andern Fällen, haben wir eben den<lb/>
richtigen Übergang aus allzu gepreßten, dürftigen zu freieren, menschenwürdigeren<lb/>
und glücklicheren Zuständen nicht gefunden, an die Stelle der dürftigen Gebunden¬<lb/>
heit ist üppiger Übermut getreten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_92" next="#ID_93"> Auch Prellers weitere Lebensschicksale rücken solche Reflexionen nahe genug,<lb/>
Von 1823 an bis zu seiner Rückkehr aus Italien 1831 war er Stipendiat Karl</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0037] Friedrich Preller. und Beziehungen zusammen und weist dabei überall über sich hinaus, ernstes Nachdenken über allgemeine Fragen des Lebens und der Kunst anregend. Sie ist eins der Bücher, die auf jeder Seite demjenigen, der zwischen den Zeilen zu lesen versteht, noch besondre Anregungen gewähren und dabei doch einfach, klar, ganz sachlich und prätentionslos geschrieben sind. Der Biograph schmiegt sich dem Wesen und der Anschauung des Helden in dem Grade an, daß er die Aufänge und Ausgänge von dessen Künstlerleben mit eingehendem Anteil dar¬ stellt, die Mitte von Prellers Leben und Schaffen, zwei volle Jahrzehnte, etwas skizzenhaft behandelt. Preller selbst war nur zu geneigt, seine Jugendzeit in Italien als einen Raupenzustand anzusehen, in dem sich Name und Art des künftigen Falters wohl erraten läßt, sich seines Faltertums, das er von der Rückkehr zur südlichen Landschaft und der Wiederaufnahme seiner Darstellungen zur Odyssee um die Mitte der fünfziger Jahre datirte, bestens zu erfreuen, die ganze dazwischenliegende Zeit aber als eine schnöde Verpuppung zu betrachten, von der am besten so wenig als nur immer möglich gesprochen werde. Etwas von dieser Stimmung ist auf Rvquctte übergegangen, womit keineswegs jeder Leser der Biographie und jeder Kenner der Prellerschen Landschaften mittlerer Periode einverstanden sein wird. Friedrich Preller der Ältere gehörte, wie männiglich bekannt, zu den letzten Künstlern, für welche sich unser großer Dichterfürst und sein Herr, der Groß- herzog Karl August, lebendig intcressnt haben. 'In Eisenach am 25. April 1804 geboren, aber i» Weimar aufgewachsen, hatte er das Weimarischc Gymnasium bis zur Sekunda besucht, war früh in die vom „Kunscht-Meyer" geleitete, von Goethe protegirte Zeichenschule eingetreten, hatte aber die Mittel zu weiterer künstlerischer Ausbildung auf dein mühevollsten Wege erwerbe» müssen. Mit Brotarbeiten wie dem Jlluminiren von Kupfern verdiente er sich in drei Wintern in Weimar soviel, um drei Sommer (1821—1823) den Studien und dem Kopiren hervorragender Landschaftsbilder auf der Dresdner Galerie obliegen zu können. In Dresden schloß er seine ersten Künstlerfreundschaften mit Ludwig Richter, dem ältern Oehme, mit Thäter und Ernst Rietschel, lauter armen Jungen wie er selbst und lauter Talenten, die mit Zuversicht und uner¬ müdlichem Fleiß einer bessern Zukunft entgegeurangen. Das Künstlergeschlecht von heute, das es von Haus aus „nicht nötig hat" und doch mit Heißhunger nach den goldnen Ernten trachtet, welche namentlich dem Maler zu Teil werdeu, der die Meinung des „Marktes" für sich gewinnt, blickt mit großem Hohn auf solche Anfänge herab. Wie in tausend andern Fällen, haben wir eben den richtigen Übergang aus allzu gepreßten, dürftigen zu freieren, menschenwürdigeren und glücklicheren Zuständen nicht gefunden, an die Stelle der dürftigen Gebunden¬ heit ist üppiger Übermut getreten. Auch Prellers weitere Lebensschicksale rücken solche Reflexionen nahe genug, Von 1823 an bis zu seiner Rückkehr aus Italien 1831 war er Stipendiat Karl

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/37
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/37>, abgerufen am 05.12.2024.