Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.Die Grafen von Altenschwerdt. Und sollte ein solcher Ort etwas andres sein als ein Grab? Doch du Der Schwarze lächelte schwermütig. Sind die Kinder der Welt weiser als Eberhardt war lange genug in der Erziehung der Shaker gewesen, um Ja, wir wollen zurückkehren, sagte er einfach. Doch es ist spät, du hast Der Schwarze beugte sein graues Haupt über die Hand seines Herrn, küßte
Stunde auf Stunde verrann, die Lampe erlosch, und den Himmel färbte Ich will dort ruhen, wo meine Mutter ruht, sagte er sich. Ich will in Die Grafen von Altenschwerdt. Und sollte ein solcher Ort etwas andres sein als ein Grab? Doch du Der Schwarze lächelte schwermütig. Sind die Kinder der Welt weiser als Eberhardt war lange genug in der Erziehung der Shaker gewesen, um Ja, wir wollen zurückkehren, sagte er einfach. Doch es ist spät, du hast Der Schwarze beugte sein graues Haupt über die Hand seines Herrn, küßte
Stunde auf Stunde verrann, die Lampe erlosch, und den Himmel färbte Ich will dort ruhen, wo meine Mutter ruht, sagte er sich. Ich will in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0373" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153820"/> <fw type="header" place="top"> Die Grafen von Altenschwerdt.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1562"> Und sollte ein solcher Ort etwas andres sein als ein Grab? Doch du<lb/> hast Recht, ich mochte dorthin gehen. Ich bin der Welt milde und ich will<lb/> still dort sitzen, wo meine Mutter schläft, bis ich selbst neben ihr zur Ruhe<lb/> gehe. Muß mein Schicksal doch ganz dem ihrigen gleichen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1563"> Der Schwarze lächelte schwermütig. Sind die Kinder der Welt weiser als<lb/> die Kinder des Lichts? fragte er. Die heidnische Liebe trägt den Keim der<lb/> Bitternis in sich, aber die Liebe der Auferstandenen ist rein und kennt nicht die<lb/> Enttäuschung. Wäre die Lady nicht glücklich gewesen, so wäre sie nicht so sanft<lb/> gestorben. Sie ward dem Fleische unsichtbar gemacht durch ein Übermaß an<lb/> Licht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1564"> Eberhardt war lange genug in der Erziehung der Shaker gewesen, um<lb/> diese Sprache zu verstehen/ und während ihn die Worte Andrews zu einer<lb/> andern Zeit wohl ungeduldig gemacht hätten, trafen sie seine nach Vernichtung<lb/> verlangende Seele zugleich mit der Kraft altgewohnter Anschauung und dem<lb/> Verständnis der ihnen innewohnenden Idee.</p><lb/> <p xml:id="ID_1565"> Ja, wir wollen zurückkehren, sagte er einfach. Doch es ist spät, du hast<lb/> lange um mich gewacht, geh zur Ruhe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1566"> Der Schwarze beugte sein graues Haupt über die Hand seines Herrn, küßte<lb/> ste und ging hinaus. Eberhardt aber blieb wach und suchte sein Lager nicht<lb/> auf. Ex se^e sich an das offne Fenster, blickte in das Dunkel hinaus lind<lb/> ueß den kühlen Wind um seine Stirn wehen. Er hörte ans der naheliegenden<lb/> Kanuner den Schwarzen einige Strophen aus seinem Lieblingsliede, Whittiers<lb/> "Zelt am Strande" fingen:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_8" type="poem"> <l> Wie sollt' ich schau'n, wo Cherubim<lb/> Und Seraphs voll Begier?<lb/> Doch kann das gut sein wohl an Ihm,<lb/> Was böse ist an mir?</l> <l> Das Unrecht, das hienieden kränkt,<lb/> Ich such es dort nicht mehr:<lb/> Sein Zorn mich nicht zur Hölle drängt,<lb/> Nur Güt' und Lieb' ist Er.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1567"> Stunde auf Stunde verrann, die Lampe erlosch, und den Himmel färbte<lb/> das erste Grau des Morgens, Eberhardt saß unbeweglich an dem kleinen Ka¬<lb/> jütenfenster und starrte hinaus. Sein von Schmerz durchzucktes Gehirn arbeitete<lb/> steh ab in Gedanken des Hasses, der Reue, der Erinnerung und der Voraus-<lb/> stcht, und über all diesen Bildern der Phantasie und diesen Überlegungen schwebte<lb/> ^och gleich einer lichten Wolke eine unvertilgbare Liebe zu derjenigen, die ihn<lb/> vetrübte. Immer stärker machte sich in ihm die heimliche Gewißheit geltend,<lb/> "aß der Verrat Dorotheens kein freiwilliger gewesen sei, und zuletzt schwammen<lb/> alle Empfindungen, nachdem sie bitter gerümpft hatten, in ein heißes Sehnen<lb/> und in den Wunsch zusammen, die sich verklärende Gestalt der Geliebten glück-<lb/> "es zu sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1568" next="#ID_1569"> Ich will dort ruhen, wo meine Mutter ruht, sagte er sich. Ich will in<lb/> dem friedlichen Thale am glänzenden Strome Stunde auf Stunde, Tag auf<lb/> Tag, Jahr auf Jahr traurig verträumen, wenn ich nur weiß, daß du glücklich<lb/> bist. Meine Seele wird die deinige umschweben, und wenn du hinaufblickst zu<lb/> jenen schimmernden Sternen und zu der klaren Scheibe, die unser gemeinsames<lb/> Lieben sah, so wirst du die Gedanken dessen fühlen, der dich nie vergißt. Das</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0373]
Die Grafen von Altenschwerdt.
Und sollte ein solcher Ort etwas andres sein als ein Grab? Doch du
hast Recht, ich mochte dorthin gehen. Ich bin der Welt milde und ich will
still dort sitzen, wo meine Mutter schläft, bis ich selbst neben ihr zur Ruhe
gehe. Muß mein Schicksal doch ganz dem ihrigen gleichen!
Der Schwarze lächelte schwermütig. Sind die Kinder der Welt weiser als
die Kinder des Lichts? fragte er. Die heidnische Liebe trägt den Keim der
Bitternis in sich, aber die Liebe der Auferstandenen ist rein und kennt nicht die
Enttäuschung. Wäre die Lady nicht glücklich gewesen, so wäre sie nicht so sanft
gestorben. Sie ward dem Fleische unsichtbar gemacht durch ein Übermaß an
Licht.
Eberhardt war lange genug in der Erziehung der Shaker gewesen, um
diese Sprache zu verstehen/ und während ihn die Worte Andrews zu einer
andern Zeit wohl ungeduldig gemacht hätten, trafen sie seine nach Vernichtung
verlangende Seele zugleich mit der Kraft altgewohnter Anschauung und dem
Verständnis der ihnen innewohnenden Idee.
Ja, wir wollen zurückkehren, sagte er einfach. Doch es ist spät, du hast
lange um mich gewacht, geh zur Ruhe.
Der Schwarze beugte sein graues Haupt über die Hand seines Herrn, küßte
ste und ging hinaus. Eberhardt aber blieb wach und suchte sein Lager nicht
auf. Ex se^e sich an das offne Fenster, blickte in das Dunkel hinaus lind
ueß den kühlen Wind um seine Stirn wehen. Er hörte ans der naheliegenden
Kanuner den Schwarzen einige Strophen aus seinem Lieblingsliede, Whittiers
"Zelt am Strande" fingen:
Wie sollt' ich schau'n, wo Cherubim
Und Seraphs voll Begier?
Doch kann das gut sein wohl an Ihm,
Was böse ist an mir? Das Unrecht, das hienieden kränkt,
Ich such es dort nicht mehr:
Sein Zorn mich nicht zur Hölle drängt,
Nur Güt' und Lieb' ist Er.
Stunde auf Stunde verrann, die Lampe erlosch, und den Himmel färbte
das erste Grau des Morgens, Eberhardt saß unbeweglich an dem kleinen Ka¬
jütenfenster und starrte hinaus. Sein von Schmerz durchzucktes Gehirn arbeitete
steh ab in Gedanken des Hasses, der Reue, der Erinnerung und der Voraus-
stcht, und über all diesen Bildern der Phantasie und diesen Überlegungen schwebte
^och gleich einer lichten Wolke eine unvertilgbare Liebe zu derjenigen, die ihn
vetrübte. Immer stärker machte sich in ihm die heimliche Gewißheit geltend,
"aß der Verrat Dorotheens kein freiwilliger gewesen sei, und zuletzt schwammen
alle Empfindungen, nachdem sie bitter gerümpft hatten, in ein heißes Sehnen
und in den Wunsch zusammen, die sich verklärende Gestalt der Geliebten glück-
"es zu sehen.
Ich will dort ruhen, wo meine Mutter ruht, sagte er sich. Ich will in
dem friedlichen Thale am glänzenden Strome Stunde auf Stunde, Tag auf
Tag, Jahr auf Jahr traurig verträumen, wenn ich nur weiß, daß du glücklich
bist. Meine Seele wird die deinige umschweben, und wenn du hinaufblickst zu
jenen schimmernden Sternen und zu der klaren Scheibe, die unser gemeinsames
Lieben sah, so wirst du die Gedanken dessen fühlen, der dich nie vergißt. Das
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