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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Der Pariser salon.

Wie abhängig sie auch sonst von dem französischen Einfluß sein mögen, in ihren
Schöpfungen eine Frische des Humors offenbaren, die nur ursprünglich, nicht
angelernt sein kann. Von Jahr zu Jahr verstärkt und vertieft sich dagegen in
der französischen Kunst dieser finstere Zug, und man ist beinahe versucht, die
Erklärung für diese Erscheinung in den politischen Verhältnissen zu suchen.
"Suchen" ist, wenn man sich dieser Aufgabe unterziehen will, dabei schon ein
Ausdruck, der garnicht mehr am Platze ist. Die Erklärung drängt sich viel¬
mehr ganz unabweisbar auf. Die Friedensapostel in Deutschland, welche vom
Standpunkte der allgemeinen Völkerverbrüderung, aber aus dem sichern Porte
ihres deutschen Heims für eine möglichst schonende und ehrerbietige Behandlung
des geschlagner Erbfeinds plaidiren, mögen einmal unter den gegenwärtigen
Stimmungsverhültnissen eine Reise nach Paris versuchen. Paris ist zwar nicht
Frankreich. Wir wissen ganz genau, daß der französische Landmann, der Wein¬
bauer, der Kaufmann nichts sehnlicher als die Erhaltung des Friedens wünscht.
Aber wir haben oft genug erlebt, daß ein paar tausend Pariser Heißsporne
ganz Frankreich in den Strudel ihrer unsinnigen Leidenschaft hineingerissen haben,
und alsdann hat der Unschuldige mit dem Schuldigen die Folgen trugen müssen.
Man glaube ja nicht, daß die Hetzereien eines Paul Deroulede, des "Tyrtäus"
der Revanchepolitik, auf unfruchtbaren Boden gefallen sind, oder daß der Tod
Gambettas die Hoffnungen der einzelnen herabgestimmt hat. Jeder Franzose
oder doch jeder Pariser traut sich im Innern zu, ein Gambetta zu sein. Ein
Deutscher braucht sich heute nur acht Tage in Paris aufzuhalten, um sich voll-
ständige Klarheit über den Grad zu verschaffen, bis zu welchem die Animosität
der Franzosen gegen uns gestiegen ist. Die im Jahre 1878 gegen Deutschland
bewiesene Freundlichkeit war nur eine heuchlerische Maske, die vorgebunden wurde,
um das Weltausstellungsfest nicht durch die Grimasse des Hasses zu stören.
Wir haben nicht die geringste Ursache, uns über die Abneigung der Franzosen
Zu beklagen oder etwa einen Versuch zu macheu, diese Abneigung zu besiegen.
Die Darlegung dieses Thatbestandes hat nur zum Zweck, unsern deutschen Lands-
leuten den Rat zu geben, wenn sie reisen wollen, ihr Geld nicht in Paris zu
verzehren, sondern dort, wo sie angenehmer und dem gemachten Aufwand an¬
gemessener leben können. Die Franzosen sind augenblicklich durch unbesonnene
und gewissenlose Agitatoren so verbittert worden, daß sie uns Deutsche nicht bei
sich haben wollen. Lassen wir uns das gesagt sein!

Die Kunst hat an dieser wüsten Agitation leider einen bedeutenden Anteil.
sich ein geeigneter Platz bietet, wird ein Panorama erbaut, dessen Motiv
irgend eine Ruhmesthat der Franzose" aus dem letzten Kriege bildet, die natürlich
immer mit einer gänzlichen Niederlage der Prussiens endigt. Es fällt dabei
natürlich niemandem ein, daran zu erinnern, daß das Fazit von 1871 mit dieser
nachträglichen Abrechnung nicht übereinstimmt. Diese Panoramen, unter ihnen
besonders dasjenige der Schlacht bei Champigny von Alphons de Neuville und


Der Pariser salon.

Wie abhängig sie auch sonst von dem französischen Einfluß sein mögen, in ihren
Schöpfungen eine Frische des Humors offenbaren, die nur ursprünglich, nicht
angelernt sein kann. Von Jahr zu Jahr verstärkt und vertieft sich dagegen in
der französischen Kunst dieser finstere Zug, und man ist beinahe versucht, die
Erklärung für diese Erscheinung in den politischen Verhältnissen zu suchen.
„Suchen" ist, wenn man sich dieser Aufgabe unterziehen will, dabei schon ein
Ausdruck, der garnicht mehr am Platze ist. Die Erklärung drängt sich viel¬
mehr ganz unabweisbar auf. Die Friedensapostel in Deutschland, welche vom
Standpunkte der allgemeinen Völkerverbrüderung, aber aus dem sichern Porte
ihres deutschen Heims für eine möglichst schonende und ehrerbietige Behandlung
des geschlagner Erbfeinds plaidiren, mögen einmal unter den gegenwärtigen
Stimmungsverhültnissen eine Reise nach Paris versuchen. Paris ist zwar nicht
Frankreich. Wir wissen ganz genau, daß der französische Landmann, der Wein¬
bauer, der Kaufmann nichts sehnlicher als die Erhaltung des Friedens wünscht.
Aber wir haben oft genug erlebt, daß ein paar tausend Pariser Heißsporne
ganz Frankreich in den Strudel ihrer unsinnigen Leidenschaft hineingerissen haben,
und alsdann hat der Unschuldige mit dem Schuldigen die Folgen trugen müssen.
Man glaube ja nicht, daß die Hetzereien eines Paul Deroulede, des „Tyrtäus"
der Revanchepolitik, auf unfruchtbaren Boden gefallen sind, oder daß der Tod
Gambettas die Hoffnungen der einzelnen herabgestimmt hat. Jeder Franzose
oder doch jeder Pariser traut sich im Innern zu, ein Gambetta zu sein. Ein
Deutscher braucht sich heute nur acht Tage in Paris aufzuhalten, um sich voll-
ständige Klarheit über den Grad zu verschaffen, bis zu welchem die Animosität
der Franzosen gegen uns gestiegen ist. Die im Jahre 1878 gegen Deutschland
bewiesene Freundlichkeit war nur eine heuchlerische Maske, die vorgebunden wurde,
um das Weltausstellungsfest nicht durch die Grimasse des Hasses zu stören.
Wir haben nicht die geringste Ursache, uns über die Abneigung der Franzosen
Zu beklagen oder etwa einen Versuch zu macheu, diese Abneigung zu besiegen.
Die Darlegung dieses Thatbestandes hat nur zum Zweck, unsern deutschen Lands-
leuten den Rat zu geben, wenn sie reisen wollen, ihr Geld nicht in Paris zu
verzehren, sondern dort, wo sie angenehmer und dem gemachten Aufwand an¬
gemessener leben können. Die Franzosen sind augenblicklich durch unbesonnene
und gewissenlose Agitatoren so verbittert worden, daß sie uns Deutsche nicht bei
sich haben wollen. Lassen wir uns das gesagt sein!

Die Kunst hat an dieser wüsten Agitation leider einen bedeutenden Anteil.
sich ein geeigneter Platz bietet, wird ein Panorama erbaut, dessen Motiv
irgend eine Ruhmesthat der Franzose» aus dem letzten Kriege bildet, die natürlich
immer mit einer gänzlichen Niederlage der Prussiens endigt. Es fällt dabei
natürlich niemandem ein, daran zu erinnern, daß das Fazit von 1871 mit dieser
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besonders dasjenige der Schlacht bei Champigny von Alphons de Neuville und


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[0363] Der Pariser salon. Wie abhängig sie auch sonst von dem französischen Einfluß sein mögen, in ihren Schöpfungen eine Frische des Humors offenbaren, die nur ursprünglich, nicht angelernt sein kann. Von Jahr zu Jahr verstärkt und vertieft sich dagegen in der französischen Kunst dieser finstere Zug, und man ist beinahe versucht, die Erklärung für diese Erscheinung in den politischen Verhältnissen zu suchen. „Suchen" ist, wenn man sich dieser Aufgabe unterziehen will, dabei schon ein Ausdruck, der garnicht mehr am Platze ist. Die Erklärung drängt sich viel¬ mehr ganz unabweisbar auf. Die Friedensapostel in Deutschland, welche vom Standpunkte der allgemeinen Völkerverbrüderung, aber aus dem sichern Porte ihres deutschen Heims für eine möglichst schonende und ehrerbietige Behandlung des geschlagner Erbfeinds plaidiren, mögen einmal unter den gegenwärtigen Stimmungsverhültnissen eine Reise nach Paris versuchen. Paris ist zwar nicht Frankreich. Wir wissen ganz genau, daß der französische Landmann, der Wein¬ bauer, der Kaufmann nichts sehnlicher als die Erhaltung des Friedens wünscht. Aber wir haben oft genug erlebt, daß ein paar tausend Pariser Heißsporne ganz Frankreich in den Strudel ihrer unsinnigen Leidenschaft hineingerissen haben, und alsdann hat der Unschuldige mit dem Schuldigen die Folgen trugen müssen. Man glaube ja nicht, daß die Hetzereien eines Paul Deroulede, des „Tyrtäus" der Revanchepolitik, auf unfruchtbaren Boden gefallen sind, oder daß der Tod Gambettas die Hoffnungen der einzelnen herabgestimmt hat. Jeder Franzose oder doch jeder Pariser traut sich im Innern zu, ein Gambetta zu sein. Ein Deutscher braucht sich heute nur acht Tage in Paris aufzuhalten, um sich voll- ständige Klarheit über den Grad zu verschaffen, bis zu welchem die Animosität der Franzosen gegen uns gestiegen ist. Die im Jahre 1878 gegen Deutschland bewiesene Freundlichkeit war nur eine heuchlerische Maske, die vorgebunden wurde, um das Weltausstellungsfest nicht durch die Grimasse des Hasses zu stören. Wir haben nicht die geringste Ursache, uns über die Abneigung der Franzosen Zu beklagen oder etwa einen Versuch zu macheu, diese Abneigung zu besiegen. Die Darlegung dieses Thatbestandes hat nur zum Zweck, unsern deutschen Lands- leuten den Rat zu geben, wenn sie reisen wollen, ihr Geld nicht in Paris zu verzehren, sondern dort, wo sie angenehmer und dem gemachten Aufwand an¬ gemessener leben können. Die Franzosen sind augenblicklich durch unbesonnene und gewissenlose Agitatoren so verbittert worden, daß sie uns Deutsche nicht bei sich haben wollen. Lassen wir uns das gesagt sein! Die Kunst hat an dieser wüsten Agitation leider einen bedeutenden Anteil. sich ein geeigneter Platz bietet, wird ein Panorama erbaut, dessen Motiv irgend eine Ruhmesthat der Franzose» aus dem letzten Kriege bildet, die natürlich immer mit einer gänzlichen Niederlage der Prussiens endigt. Es fällt dabei natürlich niemandem ein, daran zu erinnern, daß das Fazit von 1871 mit dieser nachträglichen Abrechnung nicht übereinstimmt. Diese Panoramen, unter ihnen besonders dasjenige der Schlacht bei Champigny von Alphons de Neuville und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/363>, abgerufen am 08.09.2024.