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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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"österreichische wirren.

Platz im Pitaval erhalten, aber als einer jener mysteriösen, in welche nimmer¬
mehr volles Licht dringen dürfte. Dies war von Anfang an klar, und ebenso,
daß er kein Ehrendenkmal für die ungarische Justiz bilden werde, wie auch der
Spruch fallen möge. Immerhin erfordert die Wahrheit, auszusprechen, daß die
barbarischen Mittel, um einen Angeschuldigten oder einen Zeugen zum Reden
zu bringen, nicht etwa bloß hier zur Anwendung gekommen, sondern landes¬
üblich sind. Ungarn ist nicht umsonst türkische Provinz gewesen. Als etwas
neues ist hingegen zu bezeichnen, daß der Staatsanwalt sich an die Spitze der
Verteidiger stellt und sich als Vormund des Präsidenten gerirt. Für die ge¬
samte liberale Presse aber war der Prozeß entschieden, bevor die Verhandlung
begonnen hatte. Jahraus jahrein berichten dieselben Blätter Fälle des krassesten
Aberglaubens und wildesten Fanatismus bei den orthodoxen Juden Galiziens,
Ungarns u. s. w., und immer sind Rabbiner und Tempeldiener mit im Spiel,
die entweder auf gleicher Bildungsstufe wie ihre Gemeinden stehen oder deren
Unbildung ausbeuten. Noch nicht Wochen ist es her, daß erzählt wurde, ortho¬
doxe Juden hätten einen Glaubensgenossen gesteinigt, weil er am Samstag ein
Pferd bestiegen. Da stehen aufgeklärte gegen orthodoxe Juden, und einem
Pfaffen etwas anzuhängen, ist immer eine Lust, selbst wenn er zu den Ihrigen
gehört. In Tisza-Eszlar jedoch stand die Partie Juden gegen Christen, und
folglich war es ein Verbrechen, die Schuld der Angeklagten überhaupt für
möglich zu halten. Der Justizminister Panier und der Präsident des Gerichts¬
hofes sollen sich dieses Verbrechens schuldig gemacht haben, und sie sind daher
vervehmt. Die Schilderungen der Persönlichkeit des letztern waren förmliche
Steckbriefe. Dafür machte" sämtliche Angeklagten einen "sympathischen" Ein¬
druck, alle Entlastungszeugen sprachen überzeugend; bei jenen andern, welche sich
in einem Atem dreimal widersprachen, hatten immer die den Angeklagten günstigen
Aussagen vollen Anspruch auf Glaubwürdigkeit, und bleibt einer bei seiner be¬
tastenden Aussage, so ist er eingeschüchtert oder erkauft. Also scheinen Zeugen
erkauft worden zu sein, von wem nur? Ein sächsischer Rabbiner weiß es. Mit
beispielloser Frechheit erklärt er die ganze Untersuchung für ein von der katho¬
lischen Geistlichkeit in Szene gesetztes Spiel. Natürlich, Christen darf man alles
"achsagen, aber wehe dem, der an der Unsträflichkeit eines Juden zweifelt. Un¬
längst erkannte ein Wiener Blatt in dem Vorschlage, zum Andenken an die Be¬
freiung Wiens aus der Türkennot eine Kirche auf der sogenannten Türkenschanze
SU erbauen, einen geeigneten Stoff für frivole Späße. Und jüdisch ist die ge¬
samte Wiener Journalistik, mit Ausnahme der wenigen klerikalen oder tschechischen
Blätter, jüdisch, auch falls sie nicht von Juden geleitet werden sollte, wenigstens
der Gesinnung nach. Immer und überall stehen die jüdischen Interessen obenan.
Immer und überall tragen die semitische Hetzlust und Witzelei dazu bei, ruhige
Erörterung und mögliche Verständigung zu hintertreiben, z" reizen und zu er¬
bittern. Es ist wahrlich übertriebene Bescheidenheit, wenn die Blätter bei Be-


«österreichische wirren.

Platz im Pitaval erhalten, aber als einer jener mysteriösen, in welche nimmer¬
mehr volles Licht dringen dürfte. Dies war von Anfang an klar, und ebenso,
daß er kein Ehrendenkmal für die ungarische Justiz bilden werde, wie auch der
Spruch fallen möge. Immerhin erfordert die Wahrheit, auszusprechen, daß die
barbarischen Mittel, um einen Angeschuldigten oder einen Zeugen zum Reden
zu bringen, nicht etwa bloß hier zur Anwendung gekommen, sondern landes¬
üblich sind. Ungarn ist nicht umsonst türkische Provinz gewesen. Als etwas
neues ist hingegen zu bezeichnen, daß der Staatsanwalt sich an die Spitze der
Verteidiger stellt und sich als Vormund des Präsidenten gerirt. Für die ge¬
samte liberale Presse aber war der Prozeß entschieden, bevor die Verhandlung
begonnen hatte. Jahraus jahrein berichten dieselben Blätter Fälle des krassesten
Aberglaubens und wildesten Fanatismus bei den orthodoxen Juden Galiziens,
Ungarns u. s. w., und immer sind Rabbiner und Tempeldiener mit im Spiel,
die entweder auf gleicher Bildungsstufe wie ihre Gemeinden stehen oder deren
Unbildung ausbeuten. Noch nicht Wochen ist es her, daß erzählt wurde, ortho¬
doxe Juden hätten einen Glaubensgenossen gesteinigt, weil er am Samstag ein
Pferd bestiegen. Da stehen aufgeklärte gegen orthodoxe Juden, und einem
Pfaffen etwas anzuhängen, ist immer eine Lust, selbst wenn er zu den Ihrigen
gehört. In Tisza-Eszlar jedoch stand die Partie Juden gegen Christen, und
folglich war es ein Verbrechen, die Schuld der Angeklagten überhaupt für
möglich zu halten. Der Justizminister Panier und der Präsident des Gerichts¬
hofes sollen sich dieses Verbrechens schuldig gemacht haben, und sie sind daher
vervehmt. Die Schilderungen der Persönlichkeit des letztern waren förmliche
Steckbriefe. Dafür machte» sämtliche Angeklagten einen „sympathischen" Ein¬
druck, alle Entlastungszeugen sprachen überzeugend; bei jenen andern, welche sich
in einem Atem dreimal widersprachen, hatten immer die den Angeklagten günstigen
Aussagen vollen Anspruch auf Glaubwürdigkeit, und bleibt einer bei seiner be¬
tastenden Aussage, so ist er eingeschüchtert oder erkauft. Also scheinen Zeugen
erkauft worden zu sein, von wem nur? Ein sächsischer Rabbiner weiß es. Mit
beispielloser Frechheit erklärt er die ganze Untersuchung für ein von der katho¬
lischen Geistlichkeit in Szene gesetztes Spiel. Natürlich, Christen darf man alles
"achsagen, aber wehe dem, der an der Unsträflichkeit eines Juden zweifelt. Un¬
längst erkannte ein Wiener Blatt in dem Vorschlage, zum Andenken an die Be¬
freiung Wiens aus der Türkennot eine Kirche auf der sogenannten Türkenschanze
SU erbauen, einen geeigneten Stoff für frivole Späße. Und jüdisch ist die ge¬
samte Wiener Journalistik, mit Ausnahme der wenigen klerikalen oder tschechischen
Blätter, jüdisch, auch falls sie nicht von Juden geleitet werden sollte, wenigstens
der Gesinnung nach. Immer und überall stehen die jüdischen Interessen obenan.
Immer und überall tragen die semitische Hetzlust und Witzelei dazu bei, ruhige
Erörterung und mögliche Verständigung zu hintertreiben, z» reizen und zu er¬
bittern. Es ist wahrlich übertriebene Bescheidenheit, wenn die Blätter bei Be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/335>, abgerufen am 08.09.2024.