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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Zur Geschichte der Gegenreformation.

Herrenstellen zu gelangen, möge von Rom zu Ungunsten des Kapitels entschieden
werden, was nur Baierns mächtige Fürsprache hindern zu können schien, bewog
das Kapitel dazu, die Verhandlungen mit dem Münchener Hofe über die Wnhl-
kapitulativn zu eröffnen (14. November 1576). Da sprengte der längst vor¬
bereitete Beschluß der Junioren, für Bremen zu stimmen, die Wahlversammlung,
denn als der Statthalter Wcsterholt für Heinrich optirte, erklärt der Dechant
Gottfried von Raesfeld sie für aufgelöst (23. Februar 1577).

Seitdem richtete:, sich alle Anstrengungen der römischen Partei darauf,
einerseits die Wahl Heinrichs zu verhindern, andrerseits Westerholt zu stürzen,
und sie betrieb dies umso eifriger, als nach Salentins Verzicht mit der Wahl
Gebhards von Waldburg zum Erzbischof von Köln die Gegner einen glänzenden
Sieg erfochten hatten (5. Dezember 1577). Indeß fand Westerholt die ent¬
schiedenste Unterstützung bei den Ständen, denen er im Dezember 1578 in aus¬
führlicher Denkschrift die Gefahren schilderte, die das Vorgehen Roms den
Rechten des Stiftes drohe. Ans sie gestützt kounte er dem päpstlichen Breve
vom 5. April, das ihn nach Rom zur Verantwortung vorforderte, den Ge¬
horsam verweigern, und selbst als die Kurie erst seine Suspension (19. Januar
1579), dann seine Absetzung (7. März) dekretirte, wich er nicht vom Platze,
sondern rief die Hilfe Bremens an. Auch jetzt noch hatte er die Stände auf
seiner Seite; der Julilandtag von 1579 beschloß, sich für Aufhebung der päpstliche"
Dekrete zu verwenden. Da übertrug Rom gegen das Reichsrecht und die
Konkordate an Kleve die weltliche Verwaltung des Stifts Münster, bannte und
entsetzte Westerholt (20. September 1579), Kleve aber fand den begehrten
Rückhalt an Spanien. Und während nun alles zur Entscheidung drängte,
verließ Westerholt seinen Posten, um die Hilfe des Kaisers anzurufen, beraubte
damit im kritischen Augenblick die Junioren ihres Führers und verschaffte den
Senioren das Übergewicht im Kapitel. So konnte Raesfeld den Wahltag auf
den 26. April 1580 ausschreiben. Doch wenige Tage vorher, am 24. April,
ritt Heinrich von Bremen mit 142 Reisigen in Münster ein, unter dem Jubel
der Bürgerschaft. Er forderte das Kapitel auf, die Ankunft der angekündigten
kaiserlichen Kommissare abzuwarten, und auch der Stiftsadel erschien zahlreich
in der Stadt, verlangte und erzwang die Aufhebung der Wahlversammlung.
Selbst von den Niederlanden her kam der bremischen Partei Hilfe: Graf Johann
von Nassau war schon am 24. April eingetroffen, kurz darauf meldete er die Be¬
setzung Rheines durch niederländische Truppen. Da aber das Kapitel mit den
kaiserlichen Kommissären sich nicht verstündigen konnte, so drohte der Rat die
Domherren gefangen zu setzen, rief die Bürgerschaft unter die Waffen und ließ
Geschütze in den Straßen auffahren. Eine offene Erhebung schien bevorzustehen.
In diesem Augenblicke intervenirte der Herzog von Kleve mit gewaffneter Hand.
Bereits am 1. Mai überschritt er mit starken Reitcrschaaren die Grenze, am
4. kündigte er der Hauptstadt seineu Einmarsch an; sperrte sie ihm die Thore,


Zur Geschichte der Gegenreformation.

Herrenstellen zu gelangen, möge von Rom zu Ungunsten des Kapitels entschieden
werden, was nur Baierns mächtige Fürsprache hindern zu können schien, bewog
das Kapitel dazu, die Verhandlungen mit dem Münchener Hofe über die Wnhl-
kapitulativn zu eröffnen (14. November 1576). Da sprengte der längst vor¬
bereitete Beschluß der Junioren, für Bremen zu stimmen, die Wahlversammlung,
denn als der Statthalter Wcsterholt für Heinrich optirte, erklärt der Dechant
Gottfried von Raesfeld sie für aufgelöst (23. Februar 1577).

Seitdem richtete:, sich alle Anstrengungen der römischen Partei darauf,
einerseits die Wahl Heinrichs zu verhindern, andrerseits Westerholt zu stürzen,
und sie betrieb dies umso eifriger, als nach Salentins Verzicht mit der Wahl
Gebhards von Waldburg zum Erzbischof von Köln die Gegner einen glänzenden
Sieg erfochten hatten (5. Dezember 1577). Indeß fand Westerholt die ent¬
schiedenste Unterstützung bei den Ständen, denen er im Dezember 1578 in aus¬
führlicher Denkschrift die Gefahren schilderte, die das Vorgehen Roms den
Rechten des Stiftes drohe. Ans sie gestützt kounte er dem päpstlichen Breve
vom 5. April, das ihn nach Rom zur Verantwortung vorforderte, den Ge¬
horsam verweigern, und selbst als die Kurie erst seine Suspension (19. Januar
1579), dann seine Absetzung (7. März) dekretirte, wich er nicht vom Platze,
sondern rief die Hilfe Bremens an. Auch jetzt noch hatte er die Stände auf
seiner Seite; der Julilandtag von 1579 beschloß, sich für Aufhebung der päpstliche»
Dekrete zu verwenden. Da übertrug Rom gegen das Reichsrecht und die
Konkordate an Kleve die weltliche Verwaltung des Stifts Münster, bannte und
entsetzte Westerholt (20. September 1579), Kleve aber fand den begehrten
Rückhalt an Spanien. Und während nun alles zur Entscheidung drängte,
verließ Westerholt seinen Posten, um die Hilfe des Kaisers anzurufen, beraubte
damit im kritischen Augenblick die Junioren ihres Führers und verschaffte den
Senioren das Übergewicht im Kapitel. So konnte Raesfeld den Wahltag auf
den 26. April 1580 ausschreiben. Doch wenige Tage vorher, am 24. April,
ritt Heinrich von Bremen mit 142 Reisigen in Münster ein, unter dem Jubel
der Bürgerschaft. Er forderte das Kapitel auf, die Ankunft der angekündigten
kaiserlichen Kommissare abzuwarten, und auch der Stiftsadel erschien zahlreich
in der Stadt, verlangte und erzwang die Aufhebung der Wahlversammlung.
Selbst von den Niederlanden her kam der bremischen Partei Hilfe: Graf Johann
von Nassau war schon am 24. April eingetroffen, kurz darauf meldete er die Be¬
setzung Rheines durch niederländische Truppen. Da aber das Kapitel mit den
kaiserlichen Kommissären sich nicht verstündigen konnte, so drohte der Rat die
Domherren gefangen zu setzen, rief die Bürgerschaft unter die Waffen und ließ
Geschütze in den Straßen auffahren. Eine offene Erhebung schien bevorzustehen.
In diesem Augenblicke intervenirte der Herzog von Kleve mit gewaffneter Hand.
Bereits am 1. Mai überschritt er mit starken Reitcrschaaren die Grenze, am
4. kündigte er der Hauptstadt seineu Einmarsch an; sperrte sie ihm die Thore,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/301>, abgerufen am 08.09.2024.