Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Geschichte der Gegenreformation.

nur in Kleve, Mark und Ravensberg siegt mit der brandenburgischen Besitzer¬
greifung auch der Protestantismus. Es mag deshalb gestattet sein, in der
folgenden Skizze die von Keller gewählte Zusammenstellung beizubehalten.

Seit Herzog Johann III. (1511--1539) im Jahre 1521 Kleve-Mark mit
Jülich-Berg vereinigt hatte, bildete der Besitz seines Hauses, wenn keinen wirk¬
lichen Einheitsstaat, so doch eine so ansehnliche Masse, daß sie auf die umlie¬
genden, mit ihr zum Teil territorial verschlungenen Stiftslande maßgebenden
Einfluß üben mußte. Und die Leiter dieses Staates bemühten sich lange Zeit ehrlich,
die kirchlichen Gegensätze zu versöhnen, die Kirche zu reformiren, wie etwa
Erasmus es erstrebte, ohne sie zu zerstören oder der Übermacht Roms zu
überliefern. Herzog Johann berief den Erasmianer Konrad v. Heresbach (1496
bis 1576) nicht bloß zum Erzieher seines Sohnes Johann Wilhelm, er ernannte
ihn auch zum Geheimen Rat (1534) und publizirte im Jahre 1533 eine
Kirchenordnung, welche deu Laienkelch und die Priesterehe gestattete. In dieser
Richtung beharrte trotz des unglücklichen Zusammenstoßes mit Karl V. im
Jahre 1543 sein Nachfolger Johann Wilhelm (1539--92), der Zögling Konrads
v. Heresbach. Aber der vermittelnde Standpunkt erwies sich als immer weniger
haltbar gegenüber den katholischen Mächten wie angesichts einer rasch anwach¬
senden entschieden protestantischen Bewegung, welche die Einwanderung zahlreicher
Niederländer in Fluß brachte. Namentlich seit dem Jahre 1567, seit Aldas
Ankunft in den Niederlanden, wuchs der Zuzug, und bald entstanden allerorten
starke, geschlossene evangelische Gemeinden calvinistischer Färbung, so namentlich
in Wesel, aber auch in Kleve, Rech, Calcar, Tanten, Düsseldorf, Daveringhausen,
Eckenhagen u. a. in., und da der Landadel, der bald größtenteils übertrat, auf
seineu Gütern das Collaturrecht übte, so war es ihm leicht, es zur Einsetzung
evangelischer Prediger zu verwenden. Schon im November 1568 hielt die
klevisch-reformirte Kirche zu Wesel ihre erste Synode, im Jahre 1571 die von
Jülich in Bedbur auf dem Gebiete des Grafen von Nenenahr, und im selben
Jahre bildete die Generalsynode zu Emden aus den klevischen Gemeinden eine
besondre "Klasse," die 1572 ihren ersten "Klassikalkvnvent" in Wesel hatte.
Rascher noch vollzog sich seit 1564 die Umgestaltung in der Grafschaft Mark,
besonders unter dem Einflüsse der Reichsstadt Dortmund; hier wurden Mitten,
Hagen, Unna, Hamm, Lüdenscheid, Iserlohn u. a. wesentlich evangelisch. Überall
hatte die Einführung des Laienkelches und des deutscheu Kirchenliedes den
Anfang gemacht. Natürlich erstrebten die Stände die rechtliche Anerkennung
dieses Zustandes, aber ihre Forderungen, die sie zuerst 1554, dann wieder
1558, 1560 und 1563 an den Herzog richteten, fanden bei diesem nur halbes
Gehör; er setzte zwar 1564 eine Kommission zur Beratung einer neuen Kirchen-
ordnung ein, schärfte aber gleichzeitig die von 1533 ein und bedrohte die
Wiedertäuferei mit strengen Strafen (23. Januar 1565). Jener Entwurf kam
inzwischen Anfang 1566 zu stände, und es fehlte nur "och die vollziehende


Zur Geschichte der Gegenreformation.

nur in Kleve, Mark und Ravensberg siegt mit der brandenburgischen Besitzer¬
greifung auch der Protestantismus. Es mag deshalb gestattet sein, in der
folgenden Skizze die von Keller gewählte Zusammenstellung beizubehalten.

Seit Herzog Johann III. (1511—1539) im Jahre 1521 Kleve-Mark mit
Jülich-Berg vereinigt hatte, bildete der Besitz seines Hauses, wenn keinen wirk¬
lichen Einheitsstaat, so doch eine so ansehnliche Masse, daß sie auf die umlie¬
genden, mit ihr zum Teil territorial verschlungenen Stiftslande maßgebenden
Einfluß üben mußte. Und die Leiter dieses Staates bemühten sich lange Zeit ehrlich,
die kirchlichen Gegensätze zu versöhnen, die Kirche zu reformiren, wie etwa
Erasmus es erstrebte, ohne sie zu zerstören oder der Übermacht Roms zu
überliefern. Herzog Johann berief den Erasmianer Konrad v. Heresbach (1496
bis 1576) nicht bloß zum Erzieher seines Sohnes Johann Wilhelm, er ernannte
ihn auch zum Geheimen Rat (1534) und publizirte im Jahre 1533 eine
Kirchenordnung, welche deu Laienkelch und die Priesterehe gestattete. In dieser
Richtung beharrte trotz des unglücklichen Zusammenstoßes mit Karl V. im
Jahre 1543 sein Nachfolger Johann Wilhelm (1539—92), der Zögling Konrads
v. Heresbach. Aber der vermittelnde Standpunkt erwies sich als immer weniger
haltbar gegenüber den katholischen Mächten wie angesichts einer rasch anwach¬
senden entschieden protestantischen Bewegung, welche die Einwanderung zahlreicher
Niederländer in Fluß brachte. Namentlich seit dem Jahre 1567, seit Aldas
Ankunft in den Niederlanden, wuchs der Zuzug, und bald entstanden allerorten
starke, geschlossene evangelische Gemeinden calvinistischer Färbung, so namentlich
in Wesel, aber auch in Kleve, Rech, Calcar, Tanten, Düsseldorf, Daveringhausen,
Eckenhagen u. a. in., und da der Landadel, der bald größtenteils übertrat, auf
seineu Gütern das Collaturrecht übte, so war es ihm leicht, es zur Einsetzung
evangelischer Prediger zu verwenden. Schon im November 1568 hielt die
klevisch-reformirte Kirche zu Wesel ihre erste Synode, im Jahre 1571 die von
Jülich in Bedbur auf dem Gebiete des Grafen von Nenenahr, und im selben
Jahre bildete die Generalsynode zu Emden aus den klevischen Gemeinden eine
besondre „Klasse," die 1572 ihren ersten „Klassikalkvnvent" in Wesel hatte.
Rascher noch vollzog sich seit 1564 die Umgestaltung in der Grafschaft Mark,
besonders unter dem Einflüsse der Reichsstadt Dortmund; hier wurden Mitten,
Hagen, Unna, Hamm, Lüdenscheid, Iserlohn u. a. wesentlich evangelisch. Überall
hatte die Einführung des Laienkelches und des deutscheu Kirchenliedes den
Anfang gemacht. Natürlich erstrebten die Stände die rechtliche Anerkennung
dieses Zustandes, aber ihre Forderungen, die sie zuerst 1554, dann wieder
1558, 1560 und 1563 an den Herzog richteten, fanden bei diesem nur halbes
Gehör; er setzte zwar 1564 eine Kommission zur Beratung einer neuen Kirchen-
ordnung ein, schärfte aber gleichzeitig die von 1533 ein und bedrohte die
Wiedertäuferei mit strengen Strafen (23. Januar 1565). Jener Entwurf kam
inzwischen Anfang 1566 zu stände, und es fehlte nur »och die vollziehende


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0296" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153743"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Geschichte der Gegenreformation.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1253" prev="#ID_1252"> nur in Kleve, Mark und Ravensberg siegt mit der brandenburgischen Besitzer¬<lb/>
greifung auch der Protestantismus. Es mag deshalb gestattet sein, in der<lb/>
folgenden Skizze die von Keller gewählte Zusammenstellung beizubehalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1254" next="#ID_1255"> Seit Herzog Johann III. (1511&#x2014;1539) im Jahre 1521 Kleve-Mark mit<lb/>
Jülich-Berg vereinigt hatte, bildete der Besitz seines Hauses, wenn keinen wirk¬<lb/>
lichen Einheitsstaat, so doch eine so ansehnliche Masse, daß sie auf die umlie¬<lb/>
genden, mit ihr zum Teil territorial verschlungenen Stiftslande maßgebenden<lb/>
Einfluß üben mußte. Und die Leiter dieses Staates bemühten sich lange Zeit ehrlich,<lb/>
die kirchlichen Gegensätze zu versöhnen, die Kirche zu reformiren, wie etwa<lb/>
Erasmus es erstrebte, ohne sie zu zerstören oder der Übermacht Roms zu<lb/>
überliefern. Herzog Johann berief den Erasmianer Konrad v. Heresbach (1496<lb/>
bis 1576) nicht bloß zum Erzieher seines Sohnes Johann Wilhelm, er ernannte<lb/>
ihn auch zum Geheimen Rat (1534) und publizirte im Jahre 1533 eine<lb/>
Kirchenordnung, welche deu Laienkelch und die Priesterehe gestattete. In dieser<lb/>
Richtung beharrte trotz des unglücklichen Zusammenstoßes mit Karl V. im<lb/>
Jahre 1543 sein Nachfolger Johann Wilhelm (1539&#x2014;92), der Zögling Konrads<lb/>
v. Heresbach. Aber der vermittelnde Standpunkt erwies sich als immer weniger<lb/>
haltbar gegenüber den katholischen Mächten wie angesichts einer rasch anwach¬<lb/>
senden entschieden protestantischen Bewegung, welche die Einwanderung zahlreicher<lb/>
Niederländer in Fluß brachte. Namentlich seit dem Jahre 1567, seit Aldas<lb/>
Ankunft in den Niederlanden, wuchs der Zuzug, und bald entstanden allerorten<lb/>
starke, geschlossene evangelische Gemeinden calvinistischer Färbung, so namentlich<lb/>
in Wesel, aber auch in Kleve, Rech, Calcar, Tanten, Düsseldorf, Daveringhausen,<lb/>
Eckenhagen u. a. in., und da der Landadel, der bald größtenteils übertrat, auf<lb/>
seineu Gütern das Collaturrecht übte, so war es ihm leicht, es zur Einsetzung<lb/>
evangelischer Prediger zu verwenden. Schon im November 1568 hielt die<lb/>
klevisch-reformirte Kirche zu Wesel ihre erste Synode, im Jahre 1571 die von<lb/>
Jülich in Bedbur auf dem Gebiete des Grafen von Nenenahr, und im selben<lb/>
Jahre bildete die Generalsynode zu Emden aus den klevischen Gemeinden eine<lb/>
besondre &#x201E;Klasse," die 1572 ihren ersten &#x201E;Klassikalkvnvent" in Wesel hatte.<lb/>
Rascher noch vollzog sich seit 1564 die Umgestaltung in der Grafschaft Mark,<lb/>
besonders unter dem Einflüsse der Reichsstadt Dortmund; hier wurden Mitten,<lb/>
Hagen, Unna, Hamm, Lüdenscheid, Iserlohn u. a. wesentlich evangelisch. Überall<lb/>
hatte die Einführung des Laienkelches und des deutscheu Kirchenliedes den<lb/>
Anfang gemacht. Natürlich erstrebten die Stände die rechtliche Anerkennung<lb/>
dieses Zustandes, aber ihre Forderungen, die sie zuerst 1554, dann wieder<lb/>
1558, 1560 und 1563 an den Herzog richteten, fanden bei diesem nur halbes<lb/>
Gehör; er setzte zwar 1564 eine Kommission zur Beratung einer neuen Kirchen-<lb/>
ordnung ein, schärfte aber gleichzeitig die von 1533 ein und bedrohte die<lb/>
Wiedertäuferei mit strengen Strafen (23. Januar 1565). Jener Entwurf kam<lb/>
inzwischen Anfang 1566 zu stände, und es fehlte nur »och die vollziehende</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0296] Zur Geschichte der Gegenreformation. nur in Kleve, Mark und Ravensberg siegt mit der brandenburgischen Besitzer¬ greifung auch der Protestantismus. Es mag deshalb gestattet sein, in der folgenden Skizze die von Keller gewählte Zusammenstellung beizubehalten. Seit Herzog Johann III. (1511—1539) im Jahre 1521 Kleve-Mark mit Jülich-Berg vereinigt hatte, bildete der Besitz seines Hauses, wenn keinen wirk¬ lichen Einheitsstaat, so doch eine so ansehnliche Masse, daß sie auf die umlie¬ genden, mit ihr zum Teil territorial verschlungenen Stiftslande maßgebenden Einfluß üben mußte. Und die Leiter dieses Staates bemühten sich lange Zeit ehrlich, die kirchlichen Gegensätze zu versöhnen, die Kirche zu reformiren, wie etwa Erasmus es erstrebte, ohne sie zu zerstören oder der Übermacht Roms zu überliefern. Herzog Johann berief den Erasmianer Konrad v. Heresbach (1496 bis 1576) nicht bloß zum Erzieher seines Sohnes Johann Wilhelm, er ernannte ihn auch zum Geheimen Rat (1534) und publizirte im Jahre 1533 eine Kirchenordnung, welche deu Laienkelch und die Priesterehe gestattete. In dieser Richtung beharrte trotz des unglücklichen Zusammenstoßes mit Karl V. im Jahre 1543 sein Nachfolger Johann Wilhelm (1539—92), der Zögling Konrads v. Heresbach. Aber der vermittelnde Standpunkt erwies sich als immer weniger haltbar gegenüber den katholischen Mächten wie angesichts einer rasch anwach¬ senden entschieden protestantischen Bewegung, welche die Einwanderung zahlreicher Niederländer in Fluß brachte. Namentlich seit dem Jahre 1567, seit Aldas Ankunft in den Niederlanden, wuchs der Zuzug, und bald entstanden allerorten starke, geschlossene evangelische Gemeinden calvinistischer Färbung, so namentlich in Wesel, aber auch in Kleve, Rech, Calcar, Tanten, Düsseldorf, Daveringhausen, Eckenhagen u. a. in., und da der Landadel, der bald größtenteils übertrat, auf seineu Gütern das Collaturrecht übte, so war es ihm leicht, es zur Einsetzung evangelischer Prediger zu verwenden. Schon im November 1568 hielt die klevisch-reformirte Kirche zu Wesel ihre erste Synode, im Jahre 1571 die von Jülich in Bedbur auf dem Gebiete des Grafen von Nenenahr, und im selben Jahre bildete die Generalsynode zu Emden aus den klevischen Gemeinden eine besondre „Klasse," die 1572 ihren ersten „Klassikalkvnvent" in Wesel hatte. Rascher noch vollzog sich seit 1564 die Umgestaltung in der Grafschaft Mark, besonders unter dem Einflüsse der Reichsstadt Dortmund; hier wurden Mitten, Hagen, Unna, Hamm, Lüdenscheid, Iserlohn u. a. wesentlich evangelisch. Überall hatte die Einführung des Laienkelches und des deutscheu Kirchenliedes den Anfang gemacht. Natürlich erstrebten die Stände die rechtliche Anerkennung dieses Zustandes, aber ihre Forderungen, die sie zuerst 1554, dann wieder 1558, 1560 und 1563 an den Herzog richteten, fanden bei diesem nur halbes Gehör; er setzte zwar 1564 eine Kommission zur Beratung einer neuen Kirchen- ordnung ein, schärfte aber gleichzeitig die von 1533 ein und bedrohte die Wiedertäuferei mit strengen Strafen (23. Januar 1565). Jener Entwurf kam inzwischen Anfang 1566 zu stände, und es fehlte nur »och die vollziehende

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/296
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/296>, abgerufen am 08.09.2024.