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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Glossen M den modernen Rreditbcstrel'niger,

geschlossene" wurden, sammelte sich bei ihnen binnen kurzer Zeit großes Ver¬
mögen ein, umsomehr. als sie mich meist das Privilegium der Wechsler besaßen.
Mit dem Wachsen ihres Reichtums maßten sich aber die Wechsler auch sofort
größere politische Rechte an; in Basel und andern oberrheinischen Städten nahmen
sie sogar das alte kirchliche Recht der Freistätte für ihr Münzhaus und dessen
Umgebung in Anspruch; selbst ans ihre Privathäuser dehnte sich z. B. in Weißen-
burg im Elsaß das Recht aus, daß gerichtlich Verfolgte nicht verhaftet werden durften.
Allerdings führten die Mißbräuche, welche die Münzjunkcr trieben, und die An¬
maßungen, welche sie sich erlaubten, endlich dahin, daß ihnen das Münzrecht
genommen und an die Städte übertragen wurde. Während der Zeit aber, wo
die Münzjunker auf dem Höhepunkt ihres Reichtums standen und daher von den
immer in Geldverlegenheiten befindlichen politischen Großen außerordentliche
Berücksichtigungen erfuhren, traten die Geldherren mit größtem Pomp auch an
den Höfen auf, gäbe" lärmende Feste, bei denen wohl gar den vornehmen Be¬
suchern Geschenke an Kostbarkeiten oder Geld zugestellt wurden, und stellten sich
selbst in gleichen Rang mit den Rittern, indem sie Wappen annahmen oder sich
verleihen ließen. Einige der letztern haben sich noch lange erhalten; sie waren
erkennbar an den drei Hellem, welche sie gewöhnlich zeigten. Man sieht, es
war also auch damals schon tout commis ob.W nous.

Ja noch mehr, auch die Bewegung, unter welcher die Geldmacht in unsrer
Zeit angewachsen ist und noch fortwährend anwächst, findet sich in ihren
einzelnen Erscheinungen schon im Mittelalter vorgespiegelt. Die Fugger und
Welser sind keineswegs die ersten großen Geldprinzen der europäischen Welt,
sie hatten schon ganz ansehnliche Vorgänger. Übrigens ist ja, charakteristisch
genug für die Bewegung gegen das kanonische Zinsverbvt, Italien die eigent¬
liche Pflanzstätte des modernen Geld- und Finanzwesens. Dort saßen die ersten
,>Rothschilde" des Mittelalters, die Vorgänger der Fugger und Welser. Ins¬
besondre kann man drei italienische Handelshäuser, die zu Anfang des vierzehnten
Jahrhunderts die mächtigsten waren, unter jenen Begriff fassen. Zuerst tritt
von diesen drei Häusern das der Friseobaldi auf. Dasselbe machte die großen
Geldgeschäfte mit den kriegführenden Königen jener Zeit, insbesondre mit den
Königen von England. Die Bedingungen dabei waren ungefähr von der Art
^in diejenigen, nnter denen heutzutage die Hauw-tiiianoo mit der Türkei oder
Ägypten Anleihen abschließt. Gegen ihre Anleihen übernahmen die Darleiher
die Finanzverwaltungen ganzer Provinzen und Länder; hier sollten sie zuerst
sich decken, den Überschuß jedoch an die Könige abliefern. Die Friseobaldi gaben
indeß der modernen Finanzwelt "och ein andres gelungenes Beispiel. Sie
hatten einen Teil der Finanzverwaltung in England und Aquitanien als General-
Pächter, lieferten aber den Überschuß nicht an den König von England (Ednnrd II.)
ab, sondern -- gingen damit durch.


Glossen M den modernen Rreditbcstrel'niger,

geschlossene» wurden, sammelte sich bei ihnen binnen kurzer Zeit großes Ver¬
mögen ein, umsomehr. als sie mich meist das Privilegium der Wechsler besaßen.
Mit dem Wachsen ihres Reichtums maßten sich aber die Wechsler auch sofort
größere politische Rechte an; in Basel und andern oberrheinischen Städten nahmen
sie sogar das alte kirchliche Recht der Freistätte für ihr Münzhaus und dessen
Umgebung in Anspruch; selbst ans ihre Privathäuser dehnte sich z. B. in Weißen-
burg im Elsaß das Recht aus, daß gerichtlich Verfolgte nicht verhaftet werden durften.
Allerdings führten die Mißbräuche, welche die Münzjunkcr trieben, und die An¬
maßungen, welche sie sich erlaubten, endlich dahin, daß ihnen das Münzrecht
genommen und an die Städte übertragen wurde. Während der Zeit aber, wo
die Münzjunker auf dem Höhepunkt ihres Reichtums standen und daher von den
immer in Geldverlegenheiten befindlichen politischen Großen außerordentliche
Berücksichtigungen erfuhren, traten die Geldherren mit größtem Pomp auch an
den Höfen auf, gäbe» lärmende Feste, bei denen wohl gar den vornehmen Be¬
suchern Geschenke an Kostbarkeiten oder Geld zugestellt wurden, und stellten sich
selbst in gleichen Rang mit den Rittern, indem sie Wappen annahmen oder sich
verleihen ließen. Einige der letztern haben sich noch lange erhalten; sie waren
erkennbar an den drei Hellem, welche sie gewöhnlich zeigten. Man sieht, es
war also auch damals schon tout commis ob.W nous.

Ja noch mehr, auch die Bewegung, unter welcher die Geldmacht in unsrer
Zeit angewachsen ist und noch fortwährend anwächst, findet sich in ihren
einzelnen Erscheinungen schon im Mittelalter vorgespiegelt. Die Fugger und
Welser sind keineswegs die ersten großen Geldprinzen der europäischen Welt,
sie hatten schon ganz ansehnliche Vorgänger. Übrigens ist ja, charakteristisch
genug für die Bewegung gegen das kanonische Zinsverbvt, Italien die eigent¬
liche Pflanzstätte des modernen Geld- und Finanzwesens. Dort saßen die ersten
,>Rothschilde" des Mittelalters, die Vorgänger der Fugger und Welser. Ins¬
besondre kann man drei italienische Handelshäuser, die zu Anfang des vierzehnten
Jahrhunderts die mächtigsten waren, unter jenen Begriff fassen. Zuerst tritt
von diesen drei Häusern das der Friseobaldi auf. Dasselbe machte die großen
Geldgeschäfte mit den kriegführenden Königen jener Zeit, insbesondre mit den
Königen von England. Die Bedingungen dabei waren ungefähr von der Art
^in diejenigen, nnter denen heutzutage die Hauw-tiiianoo mit der Türkei oder
Ägypten Anleihen abschließt. Gegen ihre Anleihen übernahmen die Darleiher
die Finanzverwaltungen ganzer Provinzen und Länder; hier sollten sie zuerst
sich decken, den Überschuß jedoch an die Könige abliefern. Die Friseobaldi gaben
indeß der modernen Finanzwelt »och ein andres gelungenes Beispiel. Sie
hatten einen Teil der Finanzverwaltung in England und Aquitanien als General-
Pächter, lieferten aber den Überschuß nicht an den König von England (Ednnrd II.)
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/283>, abgerufen am 08.09.2024.