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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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ZUI,' Dialcktschrcibung.

entsprechende Media verwandelt hätte. Bormann schreibt: Dichter, gerechten,
geliebte, erschdc (erste), si>n.ste (fünfte), greeßde, mochte, wollte,
wohnte; Wetter, Schritte, Metternich, hatte, hätte, flattern, ge-
rettet, bitten, zittern; Leibzig, Snberdent, Alben (Alpen), verker-
bern (verkörpern); Abbel (Apfel). Babbel (Pappel), Wadden (Wappen),
Trebbe, Gobbe (Kopfe), Sabberment, zabbeln. Das b scheint er ebenso
mechanisch zu w erweicht zu haben, denn er schreibt: Liewe, Stuwe, Juwel
(Jubel), vom, com, hawen, selwer, awwer (aber). Wir halten fast alle diese
Schreibungen für verfehlt. Vielleicht macht sich Bormann keine ganz richtige Vor¬
stellung von dem Wesen der Tennis. Wie aus der einen Zeile seines oben ab¬
gedruckten Gedichtes, worin es heißt, daß den Sachsen bei der Aussprache des p
"der Atem im Stiche lasse," deutlich hervorgeht, glaubt Bormann keine Tennis
zu hören, wenn er nicht ein gewaltsames Pusten und Schnauben hört; er ver¬
wechselt die Tennis mit der Aspirata. So unzweifelhaft es ist, daß der Leipziger
sagt: Gerede (Kirche), Gersche (Kirsche), Gerschguchen (Kirschkuchen), Göpp
(Kopf), Gader, Gase, Glut, Gartespielen, Gohlgeimchen, das gemmer
nich (das können wir nicht), dot (tot), danzen, Derken (Türken), Dimpel
(Tümpel), Deller. Deich (Teich), Deck (Teig), Budel, Beter (Peter),
Bederschgerche, der Baster Bank (Pastor Pcmy u. s. w., ebenso unzweifel¬
haft ist es, daß er sagt: Superdent. Leipzig, Bappel. Wappen, Dichter,
greeßte, mochte, hatte, Wetter, zittern, Getterdempel :c., aber nicht
Suberdent, Leibzig, Babbel, Dichter, Wetter :c. Bormann hat uicht
bedacht, daß in Wörtern wie Liebe, oben, selber, Ebbe, Krabbe das b und
bb überall in Deutschland einem w und wo ähnlich gesprochen wird; läßt er
also drucken Liewe, vom, selwer, so ist das ganz überflüssig; oder muß
mau etwa Liepe sprechen, so wie es manche Opernsänger singen, damit
Vormann Liebe höre? Und wenn er Babbel und Wcibben drucken läßt,
so wird jedermann, der den Leipziger Dialekt nicht selber gehört hat,
glauben, er müsse lesen: Bawwel und Wawwen, und wie falsch wäre das!
Ganz ebenso falsch aber ist Wetter und hätte. Wenn Bormann einmal in
der Mark oder in Schleswig ein Wort wie Kodder, kodderig hat sprechen
hören, dann wird er wissen, wie ein dd wirklich klingt. Der Leipziger kann
gar kein dd sprechen, er sagt immer hätte, sogut wie er Dreppe sagt; freilich
Pustel er das et und pp nicht gewaltsam heraus, etwa so wie es den Kindern
in der Volksschule vorgemacht wird, um sie das "harte b" vom "weechen p"
unterscheiden zu lehren, aber er spricht thatsächlich ein t und p.

Unverständlich ist es uns auch, weshalb Bormann schreibt: Dhaler,
Dhiere (Thüre). Dheader, Dhomasschule, Reedhe (Röte), dhun und ähn¬
liches. Was man thatsächlich hört, ist doch tun, Dciler, Domasschule.
Wozu da die gesuchte Schreibung mit der aspirirten Media? Der Unkundige
meint wieder, dahinter müsse eine besonders schwierige Aufgabe der Aussprache


ZUI,' Dialcktschrcibung.

entsprechende Media verwandelt hätte. Bormann schreibt: Dichter, gerechten,
geliebte, erschdc (erste), si>n.ste (fünfte), greeßde, mochte, wollte,
wohnte; Wetter, Schritte, Metternich, hatte, hätte, flattern, ge-
rettet, bitten, zittern; Leibzig, Snberdent, Alben (Alpen), verker-
bern (verkörpern); Abbel (Apfel). Babbel (Pappel), Wadden (Wappen),
Trebbe, Gobbe (Kopfe), Sabberment, zabbeln. Das b scheint er ebenso
mechanisch zu w erweicht zu haben, denn er schreibt: Liewe, Stuwe, Juwel
(Jubel), vom, com, hawen, selwer, awwer (aber). Wir halten fast alle diese
Schreibungen für verfehlt. Vielleicht macht sich Bormann keine ganz richtige Vor¬
stellung von dem Wesen der Tennis. Wie aus der einen Zeile seines oben ab¬
gedruckten Gedichtes, worin es heißt, daß den Sachsen bei der Aussprache des p
„der Atem im Stiche lasse," deutlich hervorgeht, glaubt Bormann keine Tennis
zu hören, wenn er nicht ein gewaltsames Pusten und Schnauben hört; er ver¬
wechselt die Tennis mit der Aspirata. So unzweifelhaft es ist, daß der Leipziger
sagt: Gerede (Kirche), Gersche (Kirsche), Gerschguchen (Kirschkuchen), Göpp
(Kopf), Gader, Gase, Glut, Gartespielen, Gohlgeimchen, das gemmer
nich (das können wir nicht), dot (tot), danzen, Derken (Türken), Dimpel
(Tümpel), Deller. Deich (Teich), Deck (Teig), Budel, Beter (Peter),
Bederschgerche, der Baster Bank (Pastor Pcmy u. s. w., ebenso unzweifel¬
haft ist es, daß er sagt: Superdent. Leipzig, Bappel. Wappen, Dichter,
greeßte, mochte, hatte, Wetter, zittern, Getterdempel :c., aber nicht
Suberdent, Leibzig, Babbel, Dichter, Wetter :c. Bormann hat uicht
bedacht, daß in Wörtern wie Liebe, oben, selber, Ebbe, Krabbe das b und
bb überall in Deutschland einem w und wo ähnlich gesprochen wird; läßt er
also drucken Liewe, vom, selwer, so ist das ganz überflüssig; oder muß
mau etwa Liepe sprechen, so wie es manche Opernsänger singen, damit
Vormann Liebe höre? Und wenn er Babbel und Wcibben drucken läßt,
so wird jedermann, der den Leipziger Dialekt nicht selber gehört hat,
glauben, er müsse lesen: Bawwel und Wawwen, und wie falsch wäre das!
Ganz ebenso falsch aber ist Wetter und hätte. Wenn Bormann einmal in
der Mark oder in Schleswig ein Wort wie Kodder, kodderig hat sprechen
hören, dann wird er wissen, wie ein dd wirklich klingt. Der Leipziger kann
gar kein dd sprechen, er sagt immer hätte, sogut wie er Dreppe sagt; freilich
Pustel er das et und pp nicht gewaltsam heraus, etwa so wie es den Kindern
in der Volksschule vorgemacht wird, um sie das „harte b" vom „weechen p"
unterscheiden zu lehren, aber er spricht thatsächlich ein t und p.

Unverständlich ist es uns auch, weshalb Bormann schreibt: Dhaler,
Dhiere (Thüre). Dheader, Dhomasschule, Reedhe (Röte), dhun und ähn¬
liches. Was man thatsächlich hört, ist doch tun, Dciler, Domasschule.
Wozu da die gesuchte Schreibung mit der aspirirten Media? Der Unkundige
meint wieder, dahinter müsse eine besonders schwierige Aufgabe der Aussprache


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[0251] ZUI,' Dialcktschrcibung. entsprechende Media verwandelt hätte. Bormann schreibt: Dichter, gerechten, geliebte, erschdc (erste), si>n.ste (fünfte), greeßde, mochte, wollte, wohnte; Wetter, Schritte, Metternich, hatte, hätte, flattern, ge- rettet, bitten, zittern; Leibzig, Snberdent, Alben (Alpen), verker- bern (verkörpern); Abbel (Apfel). Babbel (Pappel), Wadden (Wappen), Trebbe, Gobbe (Kopfe), Sabberment, zabbeln. Das b scheint er ebenso mechanisch zu w erweicht zu haben, denn er schreibt: Liewe, Stuwe, Juwel (Jubel), vom, com, hawen, selwer, awwer (aber). Wir halten fast alle diese Schreibungen für verfehlt. Vielleicht macht sich Bormann keine ganz richtige Vor¬ stellung von dem Wesen der Tennis. Wie aus der einen Zeile seines oben ab¬ gedruckten Gedichtes, worin es heißt, daß den Sachsen bei der Aussprache des p „der Atem im Stiche lasse," deutlich hervorgeht, glaubt Bormann keine Tennis zu hören, wenn er nicht ein gewaltsames Pusten und Schnauben hört; er ver¬ wechselt die Tennis mit der Aspirata. So unzweifelhaft es ist, daß der Leipziger sagt: Gerede (Kirche), Gersche (Kirsche), Gerschguchen (Kirschkuchen), Göpp (Kopf), Gader, Gase, Glut, Gartespielen, Gohlgeimchen, das gemmer nich (das können wir nicht), dot (tot), danzen, Derken (Türken), Dimpel (Tümpel), Deller. Deich (Teich), Deck (Teig), Budel, Beter (Peter), Bederschgerche, der Baster Bank (Pastor Pcmy u. s. w., ebenso unzweifel¬ haft ist es, daß er sagt: Superdent. Leipzig, Bappel. Wappen, Dichter, greeßte, mochte, hatte, Wetter, zittern, Getterdempel :c., aber nicht Suberdent, Leibzig, Babbel, Dichter, Wetter :c. Bormann hat uicht bedacht, daß in Wörtern wie Liebe, oben, selber, Ebbe, Krabbe das b und bb überall in Deutschland einem w und wo ähnlich gesprochen wird; läßt er also drucken Liewe, vom, selwer, so ist das ganz überflüssig; oder muß mau etwa Liepe sprechen, so wie es manche Opernsänger singen, damit Vormann Liebe höre? Und wenn er Babbel und Wcibben drucken läßt, so wird jedermann, der den Leipziger Dialekt nicht selber gehört hat, glauben, er müsse lesen: Bawwel und Wawwen, und wie falsch wäre das! Ganz ebenso falsch aber ist Wetter und hätte. Wenn Bormann einmal in der Mark oder in Schleswig ein Wort wie Kodder, kodderig hat sprechen hören, dann wird er wissen, wie ein dd wirklich klingt. Der Leipziger kann gar kein dd sprechen, er sagt immer hätte, sogut wie er Dreppe sagt; freilich Pustel er das et und pp nicht gewaltsam heraus, etwa so wie es den Kindern in der Volksschule vorgemacht wird, um sie das „harte b" vom „weechen p" unterscheiden zu lehren, aber er spricht thatsächlich ein t und p. Unverständlich ist es uns auch, weshalb Bormann schreibt: Dhaler, Dhiere (Thüre). Dheader, Dhomasschule, Reedhe (Röte), dhun und ähn¬ liches. Was man thatsächlich hört, ist doch tun, Dciler, Domasschule. Wozu da die gesuchte Schreibung mit der aspirirten Media? Der Unkundige meint wieder, dahinter müsse eine besonders schwierige Aufgabe der Aussprache

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/251>, abgerufen am 08.09.2024.