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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Beleidigung Englands durch Admiral Pierre.

wie der Telegraph ihn gehandelt haben läßt. Aber wir meinen nicht, daß diese
feindselige und unbillige Richtung der Gedanken ein genaueres Bekanntwerden
mit den Thatsachen, falls sie der von Gladstone im Unterhaus gegebenen Dar¬
stellung entsprechen, bei der Mehrzahl der Franzosen überleben wird. Man
wird überlegen, was für Frankreich geziemend und nützlich ist, man wird sich
abkühlen und uns unser Recht widerfahren lassen. Gerade die feste Sprache,
die wir von unsrer Regierung erwarten, die Entschlossenheit ihrer Haltung wird
günstig auf friedliche Beilegung des Streitfalles hinwirken. Wenn wir fest,
aber nicht herausfordernd auftreten, so werden wir dazu nicht durch die Ängst¬
lichkeit bewogen, die uns gewisse französische Blätter zuschreiben möchten. Wir
sind in der Lage, solche Unwürdigkeit zu verachten, wir haben es nicht nötig,
unsre Vorstellungen gleich mit Sübelgerassel zu begleiten, wie Gramont es im
Sommer 1870 Deutschland gegenüber für passend hielt. Wir werden, wenn
Frankreich im Fall der Bestätigung des ersten Telegramms uns Genugthuung
gewährt, das Motiv dazu auch nicht in Ängstlichkeit suchen. Es wäre einfach
lächerlich, wenn zwei Völker, die Jahrhunderte lang wiederholt ihre Kräfte in
Schlachten zu Land und zur See gemessen haben, sich gegenseitig Feigheit vor¬
werfen wollten. Wenn unsre langen nebenbuhlerischen Kämpfe uns nichts
andres gelehrt hätten, so sollten sie uns wenigstens gelehrt haben, uns gegen¬
seitig zu achten. Wenn wir der Ansicht sind, daß ein entschlossenes Vorgehen
unsrerseits einen ernüchternden Einfluß auf die Gemüter unsrer Nachbarn haben
werde, so ist der Grund davon nicht der, daß wir sie für ängstlich, sondern der,
daß wir sie für großmütig halten. Sie werden in unserm festen Entschlüsse, für die
Beleidigung, die uns angethan worden zu sein scheint, Satisfaktion zu erlangen,
die Kraft eines Gefühls erkennen, das anch sie beseelt, und mit dem sie darum
sympathisiren müssen. Eine Verletzung oder Beschimpfung der französischen
Fahne würde alle Franzosen ohne Unterschied zu dem Entschlüsse vereinigen,
koste es, was es wolle, Genugthuung zu gewinnen, und so werden sie bei
kühlerer Betrachtung der Sachlage nur Achtung vor ähnlichen Antrieben em¬
pfinden, die uns in der gegenwärtigen Lage der Dinge bewegen. Sie werden
uns befriedigen, und dies wird ihnen umso leichter fallen, wenn die Fassung
unsers Verlangens entschieden, aber nicht hochfahrend, nicht unhöflich ist. Der
Weg zu der Genugthuung, auf die wir Anspruch haben, salls Pierre uns
grundlos schlecht behandelt hat, muß thuen geebnet werden, und wir sind sicher,
daß unsre Regierung keine Schwierigkeiten für sie darauf bringen wird.

Es ließe sich noch mancherlei von andern Beweggründen, von Motiven
materiellen Interesses z. B, sagen, welche die Franzosen darauf hinweisen, alle
Mittel zur Abwendung einer so schrecklichen Katastrophe aufzusuchen, wie ein
Krieg zwischen den beiden Westmünster sein würde. Darüber würde sich aber
besser später sprechen lassen, falls gegen unser Erwarten die Mißstimmung zwischen
England und Frankreich anhielte und sich steigerte.




Die Beleidigung Englands durch Admiral Pierre.

wie der Telegraph ihn gehandelt haben läßt. Aber wir meinen nicht, daß diese
feindselige und unbillige Richtung der Gedanken ein genaueres Bekanntwerden
mit den Thatsachen, falls sie der von Gladstone im Unterhaus gegebenen Dar¬
stellung entsprechen, bei der Mehrzahl der Franzosen überleben wird. Man
wird überlegen, was für Frankreich geziemend und nützlich ist, man wird sich
abkühlen und uns unser Recht widerfahren lassen. Gerade die feste Sprache,
die wir von unsrer Regierung erwarten, die Entschlossenheit ihrer Haltung wird
günstig auf friedliche Beilegung des Streitfalles hinwirken. Wenn wir fest,
aber nicht herausfordernd auftreten, so werden wir dazu nicht durch die Ängst¬
lichkeit bewogen, die uns gewisse französische Blätter zuschreiben möchten. Wir
sind in der Lage, solche Unwürdigkeit zu verachten, wir haben es nicht nötig,
unsre Vorstellungen gleich mit Sübelgerassel zu begleiten, wie Gramont es im
Sommer 1870 Deutschland gegenüber für passend hielt. Wir werden, wenn
Frankreich im Fall der Bestätigung des ersten Telegramms uns Genugthuung
gewährt, das Motiv dazu auch nicht in Ängstlichkeit suchen. Es wäre einfach
lächerlich, wenn zwei Völker, die Jahrhunderte lang wiederholt ihre Kräfte in
Schlachten zu Land und zur See gemessen haben, sich gegenseitig Feigheit vor¬
werfen wollten. Wenn unsre langen nebenbuhlerischen Kämpfe uns nichts
andres gelehrt hätten, so sollten sie uns wenigstens gelehrt haben, uns gegen¬
seitig zu achten. Wenn wir der Ansicht sind, daß ein entschlossenes Vorgehen
unsrerseits einen ernüchternden Einfluß auf die Gemüter unsrer Nachbarn haben
werde, so ist der Grund davon nicht der, daß wir sie für ängstlich, sondern der,
daß wir sie für großmütig halten. Sie werden in unserm festen Entschlüsse, für die
Beleidigung, die uns angethan worden zu sein scheint, Satisfaktion zu erlangen,
die Kraft eines Gefühls erkennen, das anch sie beseelt, und mit dem sie darum
sympathisiren müssen. Eine Verletzung oder Beschimpfung der französischen
Fahne würde alle Franzosen ohne Unterschied zu dem Entschlüsse vereinigen,
koste es, was es wolle, Genugthuung zu gewinnen, und so werden sie bei
kühlerer Betrachtung der Sachlage nur Achtung vor ähnlichen Antrieben em¬
pfinden, die uns in der gegenwärtigen Lage der Dinge bewegen. Sie werden
uns befriedigen, und dies wird ihnen umso leichter fallen, wenn die Fassung
unsers Verlangens entschieden, aber nicht hochfahrend, nicht unhöflich ist. Der
Weg zu der Genugthuung, auf die wir Anspruch haben, salls Pierre uns
grundlos schlecht behandelt hat, muß thuen geebnet werden, und wir sind sicher,
daß unsre Regierung keine Schwierigkeiten für sie darauf bringen wird.

Es ließe sich noch mancherlei von andern Beweggründen, von Motiven
materiellen Interesses z. B, sagen, welche die Franzosen darauf hinweisen, alle
Mittel zur Abwendung einer so schrecklichen Katastrophe aufzusuchen, wie ein
Krieg zwischen den beiden Westmünster sein würde. Darüber würde sich aber
besser später sprechen lassen, falls gegen unser Erwarten die Mißstimmung zwischen
England und Frankreich anhielte und sich steigerte.




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[0213] Die Beleidigung Englands durch Admiral Pierre. wie der Telegraph ihn gehandelt haben läßt. Aber wir meinen nicht, daß diese feindselige und unbillige Richtung der Gedanken ein genaueres Bekanntwerden mit den Thatsachen, falls sie der von Gladstone im Unterhaus gegebenen Dar¬ stellung entsprechen, bei der Mehrzahl der Franzosen überleben wird. Man wird überlegen, was für Frankreich geziemend und nützlich ist, man wird sich abkühlen und uns unser Recht widerfahren lassen. Gerade die feste Sprache, die wir von unsrer Regierung erwarten, die Entschlossenheit ihrer Haltung wird günstig auf friedliche Beilegung des Streitfalles hinwirken. Wenn wir fest, aber nicht herausfordernd auftreten, so werden wir dazu nicht durch die Ängst¬ lichkeit bewogen, die uns gewisse französische Blätter zuschreiben möchten. Wir sind in der Lage, solche Unwürdigkeit zu verachten, wir haben es nicht nötig, unsre Vorstellungen gleich mit Sübelgerassel zu begleiten, wie Gramont es im Sommer 1870 Deutschland gegenüber für passend hielt. Wir werden, wenn Frankreich im Fall der Bestätigung des ersten Telegramms uns Genugthuung gewährt, das Motiv dazu auch nicht in Ängstlichkeit suchen. Es wäre einfach lächerlich, wenn zwei Völker, die Jahrhunderte lang wiederholt ihre Kräfte in Schlachten zu Land und zur See gemessen haben, sich gegenseitig Feigheit vor¬ werfen wollten. Wenn unsre langen nebenbuhlerischen Kämpfe uns nichts andres gelehrt hätten, so sollten sie uns wenigstens gelehrt haben, uns gegen¬ seitig zu achten. Wenn wir der Ansicht sind, daß ein entschlossenes Vorgehen unsrerseits einen ernüchternden Einfluß auf die Gemüter unsrer Nachbarn haben werde, so ist der Grund davon nicht der, daß wir sie für ängstlich, sondern der, daß wir sie für großmütig halten. Sie werden in unserm festen Entschlüsse, für die Beleidigung, die uns angethan worden zu sein scheint, Satisfaktion zu erlangen, die Kraft eines Gefühls erkennen, das anch sie beseelt, und mit dem sie darum sympathisiren müssen. Eine Verletzung oder Beschimpfung der französischen Fahne würde alle Franzosen ohne Unterschied zu dem Entschlüsse vereinigen, koste es, was es wolle, Genugthuung zu gewinnen, und so werden sie bei kühlerer Betrachtung der Sachlage nur Achtung vor ähnlichen Antrieben em¬ pfinden, die uns in der gegenwärtigen Lage der Dinge bewegen. Sie werden uns befriedigen, und dies wird ihnen umso leichter fallen, wenn die Fassung unsers Verlangens entschieden, aber nicht hochfahrend, nicht unhöflich ist. Der Weg zu der Genugthuung, auf die wir Anspruch haben, salls Pierre uns grundlos schlecht behandelt hat, muß thuen geebnet werden, und wir sind sicher, daß unsre Regierung keine Schwierigkeiten für sie darauf bringen wird. Es ließe sich noch mancherlei von andern Beweggründen, von Motiven materiellen Interesses z. B, sagen, welche die Franzosen darauf hinweisen, alle Mittel zur Abwendung einer so schrecklichen Katastrophe aufzusuchen, wie ein Krieg zwischen den beiden Westmünster sein würde. Darüber würde sich aber besser später sprechen lassen, falls gegen unser Erwarten die Mißstimmung zwischen England und Frankreich anhielte und sich steigerte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/213>, abgerufen am 08.09.2024.