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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Jllustrirte Piachtwerke des ^5. und ^6. Jahrhunderts.

Oberleitung eines sehr geübten Meisters stand, der die letzte Hand an die
Form legte.

Um dieselbe Zeit, als in Nürnberg die großen Verlagswerke Anton Ko-
burgers entstanden, ging auch in Basel eine bedeutende Entwicklung vor sich.
Es ist natürlich, daß das Illustrationswesen sehr gehoben werden konnte, wenn
dasselbe von einem bedeutenden Schriftsteller unterstützt wurde. Einen solchen
fanden die Baseler Buchdrucker in Sebastian Braut, der sich vom Beginne der
neunziger Jahre bis 1498 in der Stadt aufhielt, unausgesetzt literarisch thätig
war und dem Bild in seinen Werken eine Hauptstelle einräumte. Was für
Köln die Bibel, für Augsburg das Konzilienbuch, für Ulm Lirers Chronik, für
Mainz Breidenbachs Reise, für Nürnberg Schedels Weltchronik ist, das ist für
Basel Sebastian Brants "Narrenschiff," welches er 1494 bei seinem Freunde Jo¬
hannes Bergmann von Olpe herausgab. Es hat 114 Holzschnitte, welche im
Anschluß an den Text die einzelnen Vertreter des Narrentums vorführen.
Braut steht zu den Bildern dieses seines Hauptwerkes in einem ganz nahen
Verhältnis und scheint dem Zeichner nicht nur schriftliche Rezepte für die ein¬
zelnen Bilder gemacht zu haben, sondern ihm sogar durch Skizzen an die Hand
gegangen zu sein. Die Ausgabe ist schon äußerlich so eingerichtet, daß dem
Leser das Beschauen der Bilder möglichst erleichtert wird, indem das Bild
immer auf der linken, der Text auf der rechten Seite steht. Der künstlerische
Wert der Holzschnitte ist groß. Die Bewegung ist frei und natürlich, die Per¬
spektive nicht vernachlässigt, der Ausdruck mehrerer Gesichter von frappanter
Wahrheit. Der Schnitt scheint von drei oder vier Künstlern von ungleicher
Tüchtigkeit ausgeführt zu sein, von denen die einen die Gedanken des Zeichners
verständnisvoll, die andern ungeschickter wiedergaben. Kein Buch in deutscher
Sprache hat damals einen so durchgreifenden Erfolg gehabt wie Brants "Narren¬
schiff." Überall wurde es sofort mit denselben Holzschnitten oder verkleinerten
Kopien nachgedruckt. Die Baseler Kunst aber würde sich sicher noch weit höher
emporgeschwungen haben, wenn Sebastian Braut noch länger in der Stadt
ansässig gewesen wäre. Was Basel in ihm verlor, kam seit dem Jahre 1498 der
Nachbarstadt Straßburg zu Gute.

Obwohl hier schon in den achtziger Jahren sehr viele illustrirte Werke
gedruckt worden waren, standen dieselben künstlerisch doch sehr tief. In den
meisten Fällen waren die Illustrationen rohe Kopien von Bildern aus anderswo
erschienenen Büchern, seltener unvollkommene Originalzeichnungen. Erst Jo¬
hann Grüninger verlieh dem bis dahin in Straßburg handwerksmäßig betrie¬
benen Illustrationswesen ein künstlerisches Gepräge. Er stammte aus Grüningen
in Würtemberg und war der Sohn eines Reinhard. 1480 trifft man ihn als
Drucker in Basel; 1482 kaufte er das Bürgerrecht in Straßburg und schloß
sich der Zunft der Goldschmiede an. 1483 erschien sein erstes Buch. Seine
Publikationen begreifen alle Teile der Wissenschaft und Literatur; Klassiker-


Grenzboten HI. 1833. 18
Jllustrirte Piachtwerke des ^5. und ^6. Jahrhunderts.

Oberleitung eines sehr geübten Meisters stand, der die letzte Hand an die
Form legte.

Um dieselbe Zeit, als in Nürnberg die großen Verlagswerke Anton Ko-
burgers entstanden, ging auch in Basel eine bedeutende Entwicklung vor sich.
Es ist natürlich, daß das Illustrationswesen sehr gehoben werden konnte, wenn
dasselbe von einem bedeutenden Schriftsteller unterstützt wurde. Einen solchen
fanden die Baseler Buchdrucker in Sebastian Braut, der sich vom Beginne der
neunziger Jahre bis 1498 in der Stadt aufhielt, unausgesetzt literarisch thätig
war und dem Bild in seinen Werken eine Hauptstelle einräumte. Was für
Köln die Bibel, für Augsburg das Konzilienbuch, für Ulm Lirers Chronik, für
Mainz Breidenbachs Reise, für Nürnberg Schedels Weltchronik ist, das ist für
Basel Sebastian Brants „Narrenschiff," welches er 1494 bei seinem Freunde Jo¬
hannes Bergmann von Olpe herausgab. Es hat 114 Holzschnitte, welche im
Anschluß an den Text die einzelnen Vertreter des Narrentums vorführen.
Braut steht zu den Bildern dieses seines Hauptwerkes in einem ganz nahen
Verhältnis und scheint dem Zeichner nicht nur schriftliche Rezepte für die ein¬
zelnen Bilder gemacht zu haben, sondern ihm sogar durch Skizzen an die Hand
gegangen zu sein. Die Ausgabe ist schon äußerlich so eingerichtet, daß dem
Leser das Beschauen der Bilder möglichst erleichtert wird, indem das Bild
immer auf der linken, der Text auf der rechten Seite steht. Der künstlerische
Wert der Holzschnitte ist groß. Die Bewegung ist frei und natürlich, die Per¬
spektive nicht vernachlässigt, der Ausdruck mehrerer Gesichter von frappanter
Wahrheit. Der Schnitt scheint von drei oder vier Künstlern von ungleicher
Tüchtigkeit ausgeführt zu sein, von denen die einen die Gedanken des Zeichners
verständnisvoll, die andern ungeschickter wiedergaben. Kein Buch in deutscher
Sprache hat damals einen so durchgreifenden Erfolg gehabt wie Brants „Narren¬
schiff." Überall wurde es sofort mit denselben Holzschnitten oder verkleinerten
Kopien nachgedruckt. Die Baseler Kunst aber würde sich sicher noch weit höher
emporgeschwungen haben, wenn Sebastian Braut noch länger in der Stadt
ansässig gewesen wäre. Was Basel in ihm verlor, kam seit dem Jahre 1498 der
Nachbarstadt Straßburg zu Gute.

Obwohl hier schon in den achtziger Jahren sehr viele illustrirte Werke
gedruckt worden waren, standen dieselben künstlerisch doch sehr tief. In den
meisten Fällen waren die Illustrationen rohe Kopien von Bildern aus anderswo
erschienenen Büchern, seltener unvollkommene Originalzeichnungen. Erst Jo¬
hann Grüninger verlieh dem bis dahin in Straßburg handwerksmäßig betrie¬
benen Illustrationswesen ein künstlerisches Gepräge. Er stammte aus Grüningen
in Würtemberg und war der Sohn eines Reinhard. 1480 trifft man ihn als
Drucker in Basel; 1482 kaufte er das Bürgerrecht in Straßburg und schloß
sich der Zunft der Goldschmiede an. 1483 erschien sein erstes Buch. Seine
Publikationen begreifen alle Teile der Wissenschaft und Literatur; Klassiker-


Grenzboten HI. 1833. 18
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/145>, abgerufen am 08.09.2024.