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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Jllustrirte Prachtwerke des ^5. und Jahrhunderts.'

mentirt. Ob man ihm dafür Dank wissen wird? Rom fordert wohl und pocht
auf; aber es bewilligt und konzedirt nichts. Lernt Rom kennen! Deshalb
weisen wir nachdrücklich auf das Gebiet der Mischehen hin, mit dem alten Mahn¬
worte: ViäöAvt LousulsL, n<z guick ckstriniönti o^xlat resvublivg,.




^llustrirte prachtwerke des ^5. und ^6. Jahrhunderts.
von Richard Mulder.

MLch
Mnsre Zeit ist die Zeit des Prachtwerkskultus. Alle bewohnbaren
und nicht bewohnbaren Länder der Erde sind zu Prachtwerken
verarbeitet; Shakespeare, Schiller und Goethe sind von "ersten
deutschen Künstlern" illustrirt; unzählige mit Bildern durchspielte
Zeitschriften finden Anklang und Absatz. Nur einmal noch -- im
15. und 16. Jahrhundert -- hat das Illustrationswesen eine ähnliche Rolle ge¬
spielt wie heute, aber gerade jene Periode war von der unsrigen durchaus verschieden.
Während jetzt das illustrirte Buch nur ein Schaustück ist, das in müßigen
Stunden flüchtig betrachtet wird, hatten damals die Bilder den Zweck, von dem
ungelehrten, aber vom tiefsten Bildungsgange beseelten Volke gleichsam gelesen
zu werden. Während sich jetzt jeder für einen "ersten" deutschen Künstler erklärt,
der sich an einem lyrischen Gedichte unsers Altmeisters mit einer schlechten
Zeichnung versuchte, waren damals in der That die bedeutendsten Meister unsers
Vaterlandes im Verein mit unternehmenden Buchdruckern für das Illustrations-
wesen thätig. Sie alle leitete dabei der Gedanke, daß die Bilder ein Haupt¬
mittel der Belehrung und der geistigen Mitteilung seien, da sie eine Sprache
reden, welche auch der, der uicht lesen kann, versteht.. Diese Anschauung zieht
sich durch das ganze 15. Jahrhundert hindurch. In einem der ältesten mit
Holztafeln gedruckten Bücher, welche die Vorläufer der mit beweglichen Lettern
gedruckten bilden, in der ^rs inorisnäi, heißt es ausdrücklich: "Auf daß aber diese
Materie allen fruchtbringend sei, wird sie sowohl schriftlich, was nur dem
Kundigen dient, als in Bildern, was dem Laien wie dem Kundigen dienlich ist,
den Augen aller vorgelegt." Und ähnlich sagte noch am Schlüsse des Jahr¬
hunderts der gelehrte Sebastian Braut: Imxsrltis xro lövtivQö xioturg, sse. Je
populärer ein Werk sein sollte, umso reicher wurde es mit Bildern versehen, die
nicht schmücken, sondern belehren sollten.

Die ersten illustrirten deutschen Bücher sind nicht, wie man vermuten könnte,
in Mainz in der Offizin des Erfinders der Buchdruckerkunst entstanden. Der


Jllustrirte Prachtwerke des ^5. und Jahrhunderts.'

mentirt. Ob man ihm dafür Dank wissen wird? Rom fordert wohl und pocht
auf; aber es bewilligt und konzedirt nichts. Lernt Rom kennen! Deshalb
weisen wir nachdrücklich auf das Gebiet der Mischehen hin, mit dem alten Mahn¬
worte: ViäöAvt LousulsL, n<z guick ckstriniönti o^xlat resvublivg,.




^llustrirte prachtwerke des ^5. und ^6. Jahrhunderts.
von Richard Mulder.

MLch
Mnsre Zeit ist die Zeit des Prachtwerkskultus. Alle bewohnbaren
und nicht bewohnbaren Länder der Erde sind zu Prachtwerken
verarbeitet; Shakespeare, Schiller und Goethe sind von „ersten
deutschen Künstlern" illustrirt; unzählige mit Bildern durchspielte
Zeitschriften finden Anklang und Absatz. Nur einmal noch — im
15. und 16. Jahrhundert — hat das Illustrationswesen eine ähnliche Rolle ge¬
spielt wie heute, aber gerade jene Periode war von der unsrigen durchaus verschieden.
Während jetzt das illustrirte Buch nur ein Schaustück ist, das in müßigen
Stunden flüchtig betrachtet wird, hatten damals die Bilder den Zweck, von dem
ungelehrten, aber vom tiefsten Bildungsgange beseelten Volke gleichsam gelesen
zu werden. Während sich jetzt jeder für einen „ersten" deutschen Künstler erklärt,
der sich an einem lyrischen Gedichte unsers Altmeisters mit einer schlechten
Zeichnung versuchte, waren damals in der That die bedeutendsten Meister unsers
Vaterlandes im Verein mit unternehmenden Buchdruckern für das Illustrations-
wesen thätig. Sie alle leitete dabei der Gedanke, daß die Bilder ein Haupt¬
mittel der Belehrung und der geistigen Mitteilung seien, da sie eine Sprache
reden, welche auch der, der uicht lesen kann, versteht.. Diese Anschauung zieht
sich durch das ganze 15. Jahrhundert hindurch. In einem der ältesten mit
Holztafeln gedruckten Bücher, welche die Vorläufer der mit beweglichen Lettern
gedruckten bilden, in der ^rs inorisnäi, heißt es ausdrücklich: „Auf daß aber diese
Materie allen fruchtbringend sei, wird sie sowohl schriftlich, was nur dem
Kundigen dient, als in Bildern, was dem Laien wie dem Kundigen dienlich ist,
den Augen aller vorgelegt." Und ähnlich sagte noch am Schlüsse des Jahr¬
hunderts der gelehrte Sebastian Braut: Imxsrltis xro lövtivQö xioturg, sse. Je
populärer ein Werk sein sollte, umso reicher wurde es mit Bildern versehen, die
nicht schmücken, sondern belehren sollten.

Die ersten illustrirten deutschen Bücher sind nicht, wie man vermuten könnte,
in Mainz in der Offizin des Erfinders der Buchdruckerkunst entstanden. Der


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[0139] Jllustrirte Prachtwerke des ^5. und Jahrhunderts.' mentirt. Ob man ihm dafür Dank wissen wird? Rom fordert wohl und pocht auf; aber es bewilligt und konzedirt nichts. Lernt Rom kennen! Deshalb weisen wir nachdrücklich auf das Gebiet der Mischehen hin, mit dem alten Mahn¬ worte: ViäöAvt LousulsL, n<z guick ckstriniönti o^xlat resvublivg,. ^llustrirte prachtwerke des ^5. und ^6. Jahrhunderts. von Richard Mulder. MLch Mnsre Zeit ist die Zeit des Prachtwerkskultus. Alle bewohnbaren und nicht bewohnbaren Länder der Erde sind zu Prachtwerken verarbeitet; Shakespeare, Schiller und Goethe sind von „ersten deutschen Künstlern" illustrirt; unzählige mit Bildern durchspielte Zeitschriften finden Anklang und Absatz. Nur einmal noch — im 15. und 16. Jahrhundert — hat das Illustrationswesen eine ähnliche Rolle ge¬ spielt wie heute, aber gerade jene Periode war von der unsrigen durchaus verschieden. Während jetzt das illustrirte Buch nur ein Schaustück ist, das in müßigen Stunden flüchtig betrachtet wird, hatten damals die Bilder den Zweck, von dem ungelehrten, aber vom tiefsten Bildungsgange beseelten Volke gleichsam gelesen zu werden. Während sich jetzt jeder für einen „ersten" deutschen Künstler erklärt, der sich an einem lyrischen Gedichte unsers Altmeisters mit einer schlechten Zeichnung versuchte, waren damals in der That die bedeutendsten Meister unsers Vaterlandes im Verein mit unternehmenden Buchdruckern für das Illustrations- wesen thätig. Sie alle leitete dabei der Gedanke, daß die Bilder ein Haupt¬ mittel der Belehrung und der geistigen Mitteilung seien, da sie eine Sprache reden, welche auch der, der uicht lesen kann, versteht.. Diese Anschauung zieht sich durch das ganze 15. Jahrhundert hindurch. In einem der ältesten mit Holztafeln gedruckten Bücher, welche die Vorläufer der mit beweglichen Lettern gedruckten bilden, in der ^rs inorisnäi, heißt es ausdrücklich: „Auf daß aber diese Materie allen fruchtbringend sei, wird sie sowohl schriftlich, was nur dem Kundigen dient, als in Bildern, was dem Laien wie dem Kundigen dienlich ist, den Augen aller vorgelegt." Und ähnlich sagte noch am Schlüsse des Jahr¬ hunderts der gelehrte Sebastian Braut: Imxsrltis xro lövtivQö xioturg, sse. Je populärer ein Werk sein sollte, umso reicher wurde es mit Bildern versehen, die nicht schmücken, sondern belehren sollten. Die ersten illustrirten deutschen Bücher sind nicht, wie man vermuten könnte, in Mainz in der Offizin des Erfinders der Buchdruckerkunst entstanden. Der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/139>, abgerufen am 08.09.2024.