Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.Gemischte Lhen, Dein Privatdozenten Dr. Walker in Leipzig wollen wir bei dieser Gelegen¬ Bezüglich der Trauung gemischter Ehen bei konfessionell gemischter Die Kölnische Zeitung hat in Ur. 138 und 139 (20. und 21. Mai) in zwei Grenzboten III. 1883. 17
Gemischte Lhen, Dein Privatdozenten Dr. Walker in Leipzig wollen wir bei dieser Gelegen¬ Bezüglich der Trauung gemischter Ehen bei konfessionell gemischter Die Kölnische Zeitung hat in Ur. 138 und 139 (20. und 21. Mai) in zwei Grenzboten III. 1883. 17
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153584"/> <fw type="header" place="top"> Gemischte Lhen,</fw><lb/> <p xml:id="ID_555"> Dein Privatdozenten Dr. Walker in Leipzig wollen wir bei dieser Gelegen¬<lb/> heit unsern Dank nicht vorenthalten für die sorgfältige Zusammenstellung der<lb/> Konversionen aus vornehmen evangelischen Familien in die römisch-katholische<lb/> Kirche. Wer seine Artikel — in der Evangelisch-Lutherischen und der Protestan-<lb/> tischrn Kirchenzeitung — gelesen hat, der wird von Trauer und Schmerz über<lb/> die Thatsache ergriffen sein, daß so viele Familien berühmtesten Namens und<lb/> von großem Verdienste ums Vaterland in einem oder mehreren Gliedern neuer¬<lb/> dings zum Katholizismus übergetreten sind. Das ist mit eine Folge von ge¬<lb/> mischten Ehen, von unmännlicher Schwäche, sträflicher Indolenz, von Ränken<lb/> und Überlistungen Roms. Ja, lernt Rom kennen! und haltet, was ihr habt,<lb/> damit niemand euch eure Krone, die Freiheit des Evangeliums raube!</p><lb/> <p xml:id="ID_556"> Bezüglich der Trauung gemischter Ehen bei konfessionell gemischter<lb/> Kindererziehung schlagen wir vor, daß die Trauung, wenn sie in beiden<lb/> Kirchen gewünscht wird, zuerst in der Kirche des Bräutigams, dann in der¬<lb/> jenigen der Braut vollzogen werde. Ist der erstere evangelisch, so geschehe<lb/> sie zuerst in der evangelischen Kirche, ist er katholisch, zunächst in der katho¬<lb/> lischen. Die evangelische Kirche wird bereit sein zur Trauung und ihren<lb/> Segen nicht vorenthalten, wenn ein Teil der Kinder ihr zugeführt wird, seien<lb/> es die Söhne, seien es die Tochter. Mit vollem Rechte versagt sie Trauung<lb/> und Segnung, wenn sie im voraus weiß, daß das nicht geschehen, wird oder<lb/> doch im Unsichern gehalten wird, ob ein Teil der Kinder ihr zufallen werde<lb/> oder nicht. Daß es ihr rechtzeitig und offen mitgeteilt werde, kann sie bestimmt<lb/> verlangen. In diesem Punkte stimmen wir völlig dem Erlaß des evangelischen<lb/> Oberkirchenrath vom 11. April zu, wenn er ausführt: Nach § 12 der Trauungs¬<lb/> ordnung soll die Trauung versagt werden bei gemischten Ehen, vor deren Ein¬<lb/> gehung der evangelische Teil die Erziehung sämtlicher Kinder in der römisch¬<lb/> katholischen Kirche zugesagt hat. Es steht notorisch fest, daß ohne das er¬<lb/> wähnte Versprechen der römische Klerus auf Grund höherer Weisung die<lb/> Trauung seinerseits immer versagt. Deshalb kann gegenwärtig, auch wenn<lb/> keine sonstigen Beweise vorliegen, daß das Versprechen geleistet oder die Lei¬<lb/> stung desselben beabsichtigt ist, aus der Gewährung der katholischen Trauung<lb/> geschlossen werden, daß die Trauung in der evangelischen Kirche nicht statt¬<lb/> finden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_557" next="#ID_558"> Die Kölnische Zeitung hat in Ur. 138 und 139 (20. und 21. Mai) in zwei<lb/> Leitartikeln einen entschiednen Protest gegen diesen Erlaß der obersten preußischen<lb/> Kirchenbehörde erhoben, während z. B. Professor v. schnürt demselben durch¬<lb/> weg zugestimmt hat. Auch wir vermögen in dem Erlaß den entschiednen,<lb/> Rückschritt w xeML, den die Kölnische Zeitung sehen will und vor dem sie lebhaft<lb/> warnend ihre Stimme erhebt, keineswegs zu finden. Deß zum Beweise und zum<lb/> Vergleiche mit den obigen Ausführungen seien hier schließlich einige Sätze dem<lb/> Zusammenhange entnommen; im übrigen verlohnt es sich für einen evangelischen"</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1883. 17</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0137]
Gemischte Lhen,
Dein Privatdozenten Dr. Walker in Leipzig wollen wir bei dieser Gelegen¬
heit unsern Dank nicht vorenthalten für die sorgfältige Zusammenstellung der
Konversionen aus vornehmen evangelischen Familien in die römisch-katholische
Kirche. Wer seine Artikel — in der Evangelisch-Lutherischen und der Protestan-
tischrn Kirchenzeitung — gelesen hat, der wird von Trauer und Schmerz über
die Thatsache ergriffen sein, daß so viele Familien berühmtesten Namens und
von großem Verdienste ums Vaterland in einem oder mehreren Gliedern neuer¬
dings zum Katholizismus übergetreten sind. Das ist mit eine Folge von ge¬
mischten Ehen, von unmännlicher Schwäche, sträflicher Indolenz, von Ränken
und Überlistungen Roms. Ja, lernt Rom kennen! und haltet, was ihr habt,
damit niemand euch eure Krone, die Freiheit des Evangeliums raube!
Bezüglich der Trauung gemischter Ehen bei konfessionell gemischter
Kindererziehung schlagen wir vor, daß die Trauung, wenn sie in beiden
Kirchen gewünscht wird, zuerst in der Kirche des Bräutigams, dann in der¬
jenigen der Braut vollzogen werde. Ist der erstere evangelisch, so geschehe
sie zuerst in der evangelischen Kirche, ist er katholisch, zunächst in der katho¬
lischen. Die evangelische Kirche wird bereit sein zur Trauung und ihren
Segen nicht vorenthalten, wenn ein Teil der Kinder ihr zugeführt wird, seien
es die Söhne, seien es die Tochter. Mit vollem Rechte versagt sie Trauung
und Segnung, wenn sie im voraus weiß, daß das nicht geschehen, wird oder
doch im Unsichern gehalten wird, ob ein Teil der Kinder ihr zufallen werde
oder nicht. Daß es ihr rechtzeitig und offen mitgeteilt werde, kann sie bestimmt
verlangen. In diesem Punkte stimmen wir völlig dem Erlaß des evangelischen
Oberkirchenrath vom 11. April zu, wenn er ausführt: Nach § 12 der Trauungs¬
ordnung soll die Trauung versagt werden bei gemischten Ehen, vor deren Ein¬
gehung der evangelische Teil die Erziehung sämtlicher Kinder in der römisch¬
katholischen Kirche zugesagt hat. Es steht notorisch fest, daß ohne das er¬
wähnte Versprechen der römische Klerus auf Grund höherer Weisung die
Trauung seinerseits immer versagt. Deshalb kann gegenwärtig, auch wenn
keine sonstigen Beweise vorliegen, daß das Versprechen geleistet oder die Lei¬
stung desselben beabsichtigt ist, aus der Gewährung der katholischen Trauung
geschlossen werden, daß die Trauung in der evangelischen Kirche nicht statt¬
finden kann.
Die Kölnische Zeitung hat in Ur. 138 und 139 (20. und 21. Mai) in zwei
Leitartikeln einen entschiednen Protest gegen diesen Erlaß der obersten preußischen
Kirchenbehörde erhoben, während z. B. Professor v. schnürt demselben durch¬
weg zugestimmt hat. Auch wir vermögen in dem Erlaß den entschiednen,
Rückschritt w xeML, den die Kölnische Zeitung sehen will und vor dem sie lebhaft
warnend ihre Stimme erhebt, keineswegs zu finden. Deß zum Beweise und zum
Vergleiche mit den obigen Ausführungen seien hier schließlich einige Sätze dem
Zusammenhange entnommen; im übrigen verlohnt es sich für einen evangelischen"
Grenzboten III. 1883. 17
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