Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.Bemerkungen über das medizinische Studium. wie in der Pepiniere besteht, stellt sich die Sache anders. Für die größte Zahl Eine dritte beachtenswerte Verkürzung der Studienzeit liegt in der ver¬ Eine ministerielle Verordnung vom I.Oktober 1879 schreibt in K 12 vor: Bemerkungen über das medizinische Studium. wie in der Pepiniere besteht, stellt sich die Sache anders. Für die größte Zahl Eine dritte beachtenswerte Verkürzung der Studienzeit liegt in der ver¬ Eine ministerielle Verordnung vom I.Oktober 1879 schreibt in K 12 vor: <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0095" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152852"/> <fw type="header" place="top"> Bemerkungen über das medizinische Studium.</fw><lb/> <p xml:id="ID_324" prev="#ID_323"> wie in der Pepiniere besteht, stellt sich die Sache anders. Für die größte Zahl<lb/> der Mediziner hat jedoch, wie schon gesagt, ein solches Semester keinen Wert.<lb/> Es steht aber im Abgangszeugnis verzeichnet und wird im Quadrienniuin voll-<lb/> giltig mitgezählt. Das dürfte meines Erachtens nicht geschehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_325"> Eine dritte beachtenswerte Verkürzung der Studienzeit liegt in der ver¬<lb/> späteten Ankunft vieler Studenten. Hierdurch geht der Zusammenhang verloren,<lb/> das Verständnis bleibt ein halbes, das Interesse erlahmt, und die bei allen<lb/> Naturwissenschaften unersetzlichen Demonstrationen sind verkümmert. Dieser<lb/> Maugel ist in neuerer Zeit viel empfindlicher geworden als früher. Als man<lb/> sich noch darin gefiel, zu verallgemeinern, durfte eine ziemlich ausgedehnte Ein¬<lb/> leitung nicht fehlen, in welcher allerlei blinkende Reden zu Tage kamen, bei der<lb/> der Zuhörer oft wünschte, more uiiMsr ^vieil 1s8« art. Heute hat ein Satz,<lb/> eine Lehre, ein Prinzip keinen Zuspruch ohne Thatsachen. Sonst brachte jeder<lb/> Student sein Heft und Tintenfaß mit ins Kolleg, heute kennt kein Mediziner<lb/> solche Einrichtung. Die Einleitungen sind kurz und gedrängt, die Masse von<lb/> Stoff hat sie komprimirt.</p><lb/> <p xml:id="ID_326"> Eine ministerielle Verordnung vom I.Oktober 1879 schreibt in K 12 vor:<lb/> „Die Annahme von Vorlesungen soll innerhalb der ersten vier (in Berlin sechs)<lb/> Wochen nach dem vorgeschriebenen Anfang des Semesters erfolgen." In vielen<lb/> Fällen wird dadurch die Ankunft, noch mehr der Besuch hinausgeschoben und<lb/> ein Teil des Semesters abgestrichen. Die Vorschrift ist wahrscheinlich dadurch<lb/> entstanden, daß die nötigen Formalitäten auf der Quästur zeitraubend sind und<lb/> noch andre Formalien erledigt werden müssen. Wenn man indessen bedenkt,<lb/> wie andre ähnliche Geschäfte heutigen Tages so außerordentlich rasch abgewickelt<lb/> werden, so meine ich, könnten auch diese innerhalb von acht bis zehn Tagen nach<lb/> dem gesetzlichen Anfange des Semesters erledigt werden, wenn ein findiger Kopf die<lb/> möglichen Abkürzungen ersinnt. Dann aber würde es nur zweckmäßig erscheinen,<lb/> daß einem Studenten der Medizin, welcher während dieser Zeit seine Vor¬<lb/> lesungen nicht angenommen hat, das Semester nicht gerechnet würde, und daß<lb/> verspätete Meldungen nur unter ganz besonders gerechtfertigten und bestimmt<lb/> nachzuweisenden Veranlassungen zulässig wären.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0095]
Bemerkungen über das medizinische Studium.
wie in der Pepiniere besteht, stellt sich die Sache anders. Für die größte Zahl
der Mediziner hat jedoch, wie schon gesagt, ein solches Semester keinen Wert.
Es steht aber im Abgangszeugnis verzeichnet und wird im Quadrienniuin voll-
giltig mitgezählt. Das dürfte meines Erachtens nicht geschehen.
Eine dritte beachtenswerte Verkürzung der Studienzeit liegt in der ver¬
späteten Ankunft vieler Studenten. Hierdurch geht der Zusammenhang verloren,
das Verständnis bleibt ein halbes, das Interesse erlahmt, und die bei allen
Naturwissenschaften unersetzlichen Demonstrationen sind verkümmert. Dieser
Maugel ist in neuerer Zeit viel empfindlicher geworden als früher. Als man
sich noch darin gefiel, zu verallgemeinern, durfte eine ziemlich ausgedehnte Ein¬
leitung nicht fehlen, in welcher allerlei blinkende Reden zu Tage kamen, bei der
der Zuhörer oft wünschte, more uiiMsr ^vieil 1s8« art. Heute hat ein Satz,
eine Lehre, ein Prinzip keinen Zuspruch ohne Thatsachen. Sonst brachte jeder
Student sein Heft und Tintenfaß mit ins Kolleg, heute kennt kein Mediziner
solche Einrichtung. Die Einleitungen sind kurz und gedrängt, die Masse von
Stoff hat sie komprimirt.
Eine ministerielle Verordnung vom I.Oktober 1879 schreibt in K 12 vor:
„Die Annahme von Vorlesungen soll innerhalb der ersten vier (in Berlin sechs)
Wochen nach dem vorgeschriebenen Anfang des Semesters erfolgen." In vielen
Fällen wird dadurch die Ankunft, noch mehr der Besuch hinausgeschoben und
ein Teil des Semesters abgestrichen. Die Vorschrift ist wahrscheinlich dadurch
entstanden, daß die nötigen Formalitäten auf der Quästur zeitraubend sind und
noch andre Formalien erledigt werden müssen. Wenn man indessen bedenkt,
wie andre ähnliche Geschäfte heutigen Tages so außerordentlich rasch abgewickelt
werden, so meine ich, könnten auch diese innerhalb von acht bis zehn Tagen nach
dem gesetzlichen Anfange des Semesters erledigt werden, wenn ein findiger Kopf die
möglichen Abkürzungen ersinnt. Dann aber würde es nur zweckmäßig erscheinen,
daß einem Studenten der Medizin, welcher während dieser Zeit seine Vor¬
lesungen nicht angenommen hat, das Semester nicht gerechnet würde, und daß
verspätete Meldungen nur unter ganz besonders gerechtfertigten und bestimmt
nachzuweisenden Veranlassungen zulässig wären.
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