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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Zum Raffael-Jubiläum.

Madonna und, wie wir wohl vermuten können, die veredelten Züge der wirk¬
liche" Fornarina wiedergebend."

Leider sind wir über die Geschichte der "Donna velata" bei weitem nicht
so gut unterrichtet wie über die der Pseudo-Fornarino im Palazzo Barberiui.
Wir wissen positiv nur, daß dieses Bild im Jahre 1824 aus der Villa Poggio
reale nach dem Pittipalaste übergeführt wurde. Wohl aber hat die Vermutung
viel für sich, daß es mit dem von Vasari erwähnten Porträt einer Geliebten
Raffael's identisch sei, welches der Florentiner Künstlerbiograph im Hause des
Kaufmanns Matteo Botel in Florenz sah und welches sich nach einer andern
Nachricht noch im Jahre 1591 im Hause der Botel befand. Die Stelle des
Vasari, welche anch in anderer Beziehung interessant ist, lautet: "Es machte
ferner Marc Anton (Raimondi) für Raffael eine Anzahl von Stichen, welche
Raffacl später seinem Burschen Baviera schenkte ^nämlich die Platten, um die
Abdrücke zu verkaufen welcher Sorge trug für seine eine Geliebte, die Raffael
bis zum Tode liebte und von der er ein sehr schönes Porträt malte, welches
lebend, ja lebendig zu sein schien. Dasselbe ist jetzt in Florenz bei dem sehr
liebenswürdigen Matteo Botel, einem Florentinischen Kaufmann, demi Freunde und
Vertrauten einer jeden kunstbegabten Persönlichkeit und am meisten der Maler.
ES wird von ihm gehalten wie eine Reliquie wegen der Liebe, welche er der
Kunst entgegenbringt und besonders dem Raffael."

Wie ganz anders stimmt diese enthusiastische Beschreibung Vasaris mit der
"Donna velata" als mit der Pseudo-Fornarina überein! Und in demselben
Sinne sprechen sich auch Springer und Thausing aus. Der erstere sagt: "Un¬
gleich anziehender ^als jene^, durch die eigne Formenschönheit und durch die
Auffassung des Künstlers geadelt, erscheint die Dame mit dem Schleier . . .
Ein zierlich gefaltetes Hemd, über dem goldverbrümten Mieder hoch hervor¬
ragend, deckt die echt römische, mächtige Büste, den linken Arm verhüllt ein
bauschiger Ärmel von weißlichem Stoffe mit gelbem Besätze, während der rechte
unter dem Schleier verborgen ruht, welcher vom Kopfe lang herabwallt. So
wird die ganze Gestalt von einem hellen, lichten Glänze umgeben, In einem
wunderbar fesselnden matten Schimmer strahlt auch das Gesicht, in gelbem,
zart grau schattirtem Tone gehalten. Dadurch blicken die großen dunkeln
Augen doppelt feurig, wie wieder auf der andern Seite die Wirkung des meister¬
haft mooellirten Halses durch das Halsband von schwarzen Steinen erhöht wird.
Die Farbe ist leicht und sicher mit breitem Pinsel auf den Leinwandgrund auf¬
getragen und von einer durchsichtigen Klarheit, wie nur uoch in wenigen Ge¬
mälden Raffaels. Den Namen des herrlichen Weibes kennen wir nicht, *) wohl



*) Milanesi theilt mit, daß sich in einer Vasaricmsgabc von 1568 eine handschriftliche
Notiz befindet, in welcher gesagt wird, daß die Geliebte Raffaels Margherita geheißen
und in Rom in der Straße Santa Dorothea Ur. 20 gewohnt habe.
Zum Raffael-Jubiläum.

Madonna und, wie wir wohl vermuten können, die veredelten Züge der wirk¬
liche» Fornarina wiedergebend."

Leider sind wir über die Geschichte der „Donna velata" bei weitem nicht
so gut unterrichtet wie über die der Pseudo-Fornarino im Palazzo Barberiui.
Wir wissen positiv nur, daß dieses Bild im Jahre 1824 aus der Villa Poggio
reale nach dem Pittipalaste übergeführt wurde. Wohl aber hat die Vermutung
viel für sich, daß es mit dem von Vasari erwähnten Porträt einer Geliebten
Raffael's identisch sei, welches der Florentiner Künstlerbiograph im Hause des
Kaufmanns Matteo Botel in Florenz sah und welches sich nach einer andern
Nachricht noch im Jahre 1591 im Hause der Botel befand. Die Stelle des
Vasari, welche anch in anderer Beziehung interessant ist, lautet: „Es machte
ferner Marc Anton (Raimondi) für Raffael eine Anzahl von Stichen, welche
Raffacl später seinem Burschen Baviera schenkte ^nämlich die Platten, um die
Abdrücke zu verkaufen welcher Sorge trug für seine eine Geliebte, die Raffael
bis zum Tode liebte und von der er ein sehr schönes Porträt malte, welches
lebend, ja lebendig zu sein schien. Dasselbe ist jetzt in Florenz bei dem sehr
liebenswürdigen Matteo Botel, einem Florentinischen Kaufmann, demi Freunde und
Vertrauten einer jeden kunstbegabten Persönlichkeit und am meisten der Maler.
ES wird von ihm gehalten wie eine Reliquie wegen der Liebe, welche er der
Kunst entgegenbringt und besonders dem Raffael."

Wie ganz anders stimmt diese enthusiastische Beschreibung Vasaris mit der
„Donna velata" als mit der Pseudo-Fornarina überein! Und in demselben
Sinne sprechen sich auch Springer und Thausing aus. Der erstere sagt: „Un¬
gleich anziehender ^als jene^, durch die eigne Formenschönheit und durch die
Auffassung des Künstlers geadelt, erscheint die Dame mit dem Schleier . . .
Ein zierlich gefaltetes Hemd, über dem goldverbrümten Mieder hoch hervor¬
ragend, deckt die echt römische, mächtige Büste, den linken Arm verhüllt ein
bauschiger Ärmel von weißlichem Stoffe mit gelbem Besätze, während der rechte
unter dem Schleier verborgen ruht, welcher vom Kopfe lang herabwallt. So
wird die ganze Gestalt von einem hellen, lichten Glänze umgeben, In einem
wunderbar fesselnden matten Schimmer strahlt auch das Gesicht, in gelbem,
zart grau schattirtem Tone gehalten. Dadurch blicken die großen dunkeln
Augen doppelt feurig, wie wieder auf der andern Seite die Wirkung des meister¬
haft mooellirten Halses durch das Halsband von schwarzen Steinen erhöht wird.
Die Farbe ist leicht und sicher mit breitem Pinsel auf den Leinwandgrund auf¬
getragen und von einer durchsichtigen Klarheit, wie nur uoch in wenigen Ge¬
mälden Raffaels. Den Namen des herrlichen Weibes kennen wir nicht, *) wohl



*) Milanesi theilt mit, daß sich in einer Vasaricmsgabc von 1568 eine handschriftliche
Notiz befindet, in welcher gesagt wird, daß die Geliebte Raffaels Margherita geheißen
und in Rom in der Straße Santa Dorothea Ur. 20 gewohnt habe.
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[0086] Zum Raffael-Jubiläum. Madonna und, wie wir wohl vermuten können, die veredelten Züge der wirk¬ liche» Fornarina wiedergebend." Leider sind wir über die Geschichte der „Donna velata" bei weitem nicht so gut unterrichtet wie über die der Pseudo-Fornarino im Palazzo Barberiui. Wir wissen positiv nur, daß dieses Bild im Jahre 1824 aus der Villa Poggio reale nach dem Pittipalaste übergeführt wurde. Wohl aber hat die Vermutung viel für sich, daß es mit dem von Vasari erwähnten Porträt einer Geliebten Raffael's identisch sei, welches der Florentiner Künstlerbiograph im Hause des Kaufmanns Matteo Botel in Florenz sah und welches sich nach einer andern Nachricht noch im Jahre 1591 im Hause der Botel befand. Die Stelle des Vasari, welche anch in anderer Beziehung interessant ist, lautet: „Es machte ferner Marc Anton (Raimondi) für Raffael eine Anzahl von Stichen, welche Raffacl später seinem Burschen Baviera schenkte ^nämlich die Platten, um die Abdrücke zu verkaufen welcher Sorge trug für seine eine Geliebte, die Raffael bis zum Tode liebte und von der er ein sehr schönes Porträt malte, welches lebend, ja lebendig zu sein schien. Dasselbe ist jetzt in Florenz bei dem sehr liebenswürdigen Matteo Botel, einem Florentinischen Kaufmann, demi Freunde und Vertrauten einer jeden kunstbegabten Persönlichkeit und am meisten der Maler. ES wird von ihm gehalten wie eine Reliquie wegen der Liebe, welche er der Kunst entgegenbringt und besonders dem Raffael." Wie ganz anders stimmt diese enthusiastische Beschreibung Vasaris mit der „Donna velata" als mit der Pseudo-Fornarina überein! Und in demselben Sinne sprechen sich auch Springer und Thausing aus. Der erstere sagt: „Un¬ gleich anziehender ^als jene^, durch die eigne Formenschönheit und durch die Auffassung des Künstlers geadelt, erscheint die Dame mit dem Schleier . . . Ein zierlich gefaltetes Hemd, über dem goldverbrümten Mieder hoch hervor¬ ragend, deckt die echt römische, mächtige Büste, den linken Arm verhüllt ein bauschiger Ärmel von weißlichem Stoffe mit gelbem Besätze, während der rechte unter dem Schleier verborgen ruht, welcher vom Kopfe lang herabwallt. So wird die ganze Gestalt von einem hellen, lichten Glänze umgeben, In einem wunderbar fesselnden matten Schimmer strahlt auch das Gesicht, in gelbem, zart grau schattirtem Tone gehalten. Dadurch blicken die großen dunkeln Augen doppelt feurig, wie wieder auf der andern Seite die Wirkung des meister¬ haft mooellirten Halses durch das Halsband von schwarzen Steinen erhöht wird. Die Farbe ist leicht und sicher mit breitem Pinsel auf den Leinwandgrund auf¬ getragen und von einer durchsichtigen Klarheit, wie nur uoch in wenigen Ge¬ mälden Raffaels. Den Namen des herrlichen Weibes kennen wir nicht, *) wohl *) Milanesi theilt mit, daß sich in einer Vasaricmsgabc von 1568 eine handschriftliche Notiz befindet, in welcher gesagt wird, daß die Geliebte Raffaels Margherita geheißen und in Rom in der Straße Santa Dorothea Ur. 20 gewohnt habe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/86>, abgerufen am 03.07.2024.