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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Ich weiß nicht, von wem du den Trotzkopf hast, sagte er. Hart genug ist
er. Aber da du mir zu Gefallen sein willst, und da du, äußerlich betrachtet,
Recht hast, so will ich dir in diesem Punkte nachgeben. Dein Wort soll er dir
zurückgeben. Aber da er das nicht von selber thun wird, so werde ich ihn darum
angehen. Er soll sich nicht lange besinnen, nachdem ich ihn gesprochen habe.
Oder noch besser, du schreibst ihm selbst. Und ich schreibe ihm auch, damit er
die Gründe besser einsieht. Ich kann ihm das klarer machen als du. Schreib
ihm jetzt gleich hier einen Brief, den ich lese, ehe er abgeht, und ich werde einen
von mir geschriebenen dabeilegen.

Dorothea stand unbeweglich auf derselben Stelle, und ihr schönes Haupt
senkte sich langsam herab. Große Thränen rollten über ihre Wangen auf den
Boden nieder, und Seufzer schwellten ihre Brust.

Währenddessen kramte der Baron auf seinem Schreibtisch und legte Brief¬
papier und Feder für sie zurecht.

Was einmal geschehen muß, geschieht am besten schnell, sagte er.

Dorothea trat vor den Tisch, setzte sich nieder, trocknete ihr Gesicht und nahm
die Feder zur Hand. Trostlos starrte sie auf das Papier, und die Gedanken wir¬
belten ohne Ordnung durch ihre Stirn. Sie hörte hinter sich den schweren Schritt
ihres Vaters, der auf und nieder ging und sich bemühte, den Marsch seines alten
Regiments zu pfeifen.

Dann flog ihre Hand rasch über das Papier, bis dessen erste Seite halb
bedeckt war, sie setzte ihren Namen darunter und schleuderte die Feder mit Ab¬
scheu von sich.

Lies! rief sie und stürzte aus dem Zimmer.




Zweiunddreißigstes Aapitel.

Als Dorothea, aufgelöst in Schmerz und Kummer, ihr Zimmer erreichte,
fand sie Millicent dort und warf sich der Freundin, die sie voll Bestürzung an¬
sah, mit einem Strom von Thränen an die Brust.

O, es ist alles noch viel schlimmer, als wir dachten! rief sie aus. Ich bin
verloren, es ist alles vorbei! Ich habe keine Hoffnung mehr als den Tod! O,
ich möchte sterben, um nur das Ende dieser Qualen zu sehen!

Sie erzählte der Freundin, was geschehen war, und Millicent konnte sich
selbst nicht der Thränen enthalten, als sie hörte, wie der Vater die Gewalt seiner
Autorität und mehr noch die edeln Triebe seiner Tochter in Bewegung gesetzt
hatte, um diese zu einem verhaßten Bündnis zu zwingen. Als sie aber ver¬
nahm, daß Dorothea zuletzt an Eberhardt geschrieben habe, um ihr Wort zurück¬
zuverlangen, da sprang sie voll Ärger auf.

Das ist zuviel! Das hätte ich nicht gethan! rief Millicent. Du bist viel
zu gut, du bist geradezu verrückt! El mein Gott, diese Väter sind von här¬
teren Holze, als du denkst, und schwerlich wäre der Herr Baron an deiner Wei¬
gerung gestorben. Er denkt doch nur an sein Wappen und an Eichhausen, dir
aber reißt er das Herz aus der Brust. Das verzeihe ich dir nie, das kann dir
auch dein Geliebter nie verzeihen. Meiner Treu, dem Vater braucht den Grafen
von Altenschwerdt nicht zu heiraten, und er ist nicht in Herrn Eschenburg ver-

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Ich weiß nicht, von wem du den Trotzkopf hast, sagte er. Hart genug ist
er. Aber da du mir zu Gefallen sein willst, und da du, äußerlich betrachtet,
Recht hast, so will ich dir in diesem Punkte nachgeben. Dein Wort soll er dir
zurückgeben. Aber da er das nicht von selber thun wird, so werde ich ihn darum
angehen. Er soll sich nicht lange besinnen, nachdem ich ihn gesprochen habe.
Oder noch besser, du schreibst ihm selbst. Und ich schreibe ihm auch, damit er
die Gründe besser einsieht. Ich kann ihm das klarer machen als du. Schreib
ihm jetzt gleich hier einen Brief, den ich lese, ehe er abgeht, und ich werde einen
von mir geschriebenen dabeilegen.

Dorothea stand unbeweglich auf derselben Stelle, und ihr schönes Haupt
senkte sich langsam herab. Große Thränen rollten über ihre Wangen auf den
Boden nieder, und Seufzer schwellten ihre Brust.

Währenddessen kramte der Baron auf seinem Schreibtisch und legte Brief¬
papier und Feder für sie zurecht.

Was einmal geschehen muß, geschieht am besten schnell, sagte er.

Dorothea trat vor den Tisch, setzte sich nieder, trocknete ihr Gesicht und nahm
die Feder zur Hand. Trostlos starrte sie auf das Papier, und die Gedanken wir¬
belten ohne Ordnung durch ihre Stirn. Sie hörte hinter sich den schweren Schritt
ihres Vaters, der auf und nieder ging und sich bemühte, den Marsch seines alten
Regiments zu pfeifen.

Dann flog ihre Hand rasch über das Papier, bis dessen erste Seite halb
bedeckt war, sie setzte ihren Namen darunter und schleuderte die Feder mit Ab¬
scheu von sich.

Lies! rief sie und stürzte aus dem Zimmer.




Zweiunddreißigstes Aapitel.

Als Dorothea, aufgelöst in Schmerz und Kummer, ihr Zimmer erreichte,
fand sie Millicent dort und warf sich der Freundin, die sie voll Bestürzung an¬
sah, mit einem Strom von Thränen an die Brust.

O, es ist alles noch viel schlimmer, als wir dachten! rief sie aus. Ich bin
verloren, es ist alles vorbei! Ich habe keine Hoffnung mehr als den Tod! O,
ich möchte sterben, um nur das Ende dieser Qualen zu sehen!

Sie erzählte der Freundin, was geschehen war, und Millicent konnte sich
selbst nicht der Thränen enthalten, als sie hörte, wie der Vater die Gewalt seiner
Autorität und mehr noch die edeln Triebe seiner Tochter in Bewegung gesetzt
hatte, um diese zu einem verhaßten Bündnis zu zwingen. Als sie aber ver¬
nahm, daß Dorothea zuletzt an Eberhardt geschrieben habe, um ihr Wort zurück¬
zuverlangen, da sprang sie voll Ärger auf.

Das ist zuviel! Das hätte ich nicht gethan! rief Millicent. Du bist viel
zu gut, du bist geradezu verrückt! El mein Gott, diese Väter sind von här¬
teren Holze, als du denkst, und schwerlich wäre der Herr Baron an deiner Wei¬
gerung gestorben. Er denkt doch nur an sein Wappen und an Eichhausen, dir
aber reißt er das Herz aus der Brust. Das verzeihe ich dir nie, das kann dir
auch dein Geliebter nie verzeihen. Meiner Treu, dem Vater braucht den Grafen
von Altenschwerdt nicht zu heiraten, und er ist nicht in Herrn Eschenburg ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/690>, abgerufen am 01.07.2024.