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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Unsre Feucrversichenmgsgesellschciften,

Eiitschädigungsverpflichtung bezüglich aller versicherten Gegenstände," Auch hier
wird wieder das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Warum soll denn die Ent-
schädigniigsverbindlichkeit mich hinsichtlich solcher Gegenstünde erlöschen, die von
der Vermehrung der Gefahr garnicht berührt werden? Und warum auch für
solche Brandfälle, die aus der vermehrten Gefahr garnicht hervorgehen? Wir
müssen aber noch weitergehen. Wir müssen die Richtigkeit des jenem Satze
zu Grunde liegenden Prinzips bestreiten. Mag der Verhinderer immerhin be¬
stimmte Fälle erhöhter Gefahr ausnehmen, für welche er, auch wenn sie im
Laufe der Versicherung ohne alle Mitwirkung des Versicherten eintreten, die
Gefahr zu übernehmen ablehnt. Im allgemeinen aber versichert man sich ja
gerade deshalb, weil man Gefahren, auch solche, welche unvorhergesehen hinzu¬
treten, nicht tragen will. Ju viele" Fällen wird der wirkliche Schaden nur aus
einer unmittelbar vorher vermehrten Gefahr hervorgehen, und es wäre arg,
wenn man alsdann keinen Schaden ersetzt bekäme. Dazu kommt noch, daß der
Versicherte sehr häusig von den Umständen, welche die Gefahr vermehren, gar-
nichts erfährt. Wer kann immer darauf Acht haben, welche mehr oder minder
gefährlichen Einrichtungen in dem Nachbarhause bestehen? Und wenn die Eisen¬
bahn an dem versicherten Hause vorbeilüuft, soll etwa die Versicherung erlösche",
wen" die Zahl der Züge, welche eine gewisse Feuersgefahr in sich schließe", ver¬
mehrt wird? Der gedachte Satz des § 6 kann also wiederum zu eiuer sehr un¬
gerechten Behandlung des Versicherte" führe".

Betrachte" wir noch die übrigen Fälle, in welchen die bereits angeführte
Bestimmung des § 13 den Verlust jedes Entschädigungsanspruchs eintreten läßt.
H 6 bestimmt: "Im Falle eines Brandes ist der Versicherte verpflichtet, u,) die
versicherten Gegenstände möglichst zu retten; d) dem Agenten binnen 24 Stunden
"ach jedem Brande denselben anzuzeigen" u. s. w. Auch hier tritt uns in der
Androhung des Rechtsnachteils, daß der Versicherte jeden Anspruch auf Ent¬
schädigung verlieren soll, eine starke Übertreibung entgegen. Daß dem Agenten
möglichst bald von einem ihn berührenden Brande Kunde gegeben werde, ist ge¬
wiß ein berechtigtes Interesse des Versicherers. Ob aber in der Verwirrung
und Not eines großen Brandes der Versicherte, auch wenn er nicht gerade phy¬
sisch gehindert ist, innerhalb der ersten 24 Stunden sich in der Lage befindet,
dem Agenten Anzeige zu machen, ist doch die Frage. Und doch soll davon die
Erhaltung seines ganzen Anspruchs abhängen. Noch weit schlimmer aber ist
der Nettuugsparagraph. Daß der Versicherte, wenn er imstande ist, ohne per¬
sönliche Gefahr Sachen retten zu könne", dies zu thun verpflichtet erklärt wird,
läßt sich hören. Aber man wolle doch nur die ganze Lage bei einem Brand-
""giücke bedenken. Viele Menschen verlieren dabei sofort den Kopf und wissen
demi besten Willen nicht, was sie thun sollen. Überdies ist das Retten bei
einem Brande, namentlich für Unerfahrene, keineswegs eine so einfache Sache;
man setzt dabei leicht Leben und Gesundheit aufs Spiel. Gerade deshalb der--


Unsre Feucrversichenmgsgesellschciften,

Eiitschädigungsverpflichtung bezüglich aller versicherten Gegenstände," Auch hier
wird wieder das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Warum soll denn die Ent-
schädigniigsverbindlichkeit mich hinsichtlich solcher Gegenstünde erlöschen, die von
der Vermehrung der Gefahr garnicht berührt werden? Und warum auch für
solche Brandfälle, die aus der vermehrten Gefahr garnicht hervorgehen? Wir
müssen aber noch weitergehen. Wir müssen die Richtigkeit des jenem Satze
zu Grunde liegenden Prinzips bestreiten. Mag der Verhinderer immerhin be¬
stimmte Fälle erhöhter Gefahr ausnehmen, für welche er, auch wenn sie im
Laufe der Versicherung ohne alle Mitwirkung des Versicherten eintreten, die
Gefahr zu übernehmen ablehnt. Im allgemeinen aber versichert man sich ja
gerade deshalb, weil man Gefahren, auch solche, welche unvorhergesehen hinzu¬
treten, nicht tragen will. Ju viele» Fällen wird der wirkliche Schaden nur aus
einer unmittelbar vorher vermehrten Gefahr hervorgehen, und es wäre arg,
wenn man alsdann keinen Schaden ersetzt bekäme. Dazu kommt noch, daß der
Versicherte sehr häusig von den Umständen, welche die Gefahr vermehren, gar-
nichts erfährt. Wer kann immer darauf Acht haben, welche mehr oder minder
gefährlichen Einrichtungen in dem Nachbarhause bestehen? Und wenn die Eisen¬
bahn an dem versicherten Hause vorbeilüuft, soll etwa die Versicherung erlösche»,
wen» die Zahl der Züge, welche eine gewisse Feuersgefahr in sich schließe», ver¬
mehrt wird? Der gedachte Satz des § 6 kann also wiederum zu eiuer sehr un¬
gerechten Behandlung des Versicherte» führe».

Betrachte» wir noch die übrigen Fälle, in welchen die bereits angeführte
Bestimmung des § 13 den Verlust jedes Entschädigungsanspruchs eintreten läßt.
H 6 bestimmt: „Im Falle eines Brandes ist der Versicherte verpflichtet, u,) die
versicherten Gegenstände möglichst zu retten; d) dem Agenten binnen 24 Stunden
»ach jedem Brande denselben anzuzeigen" u. s. w. Auch hier tritt uns in der
Androhung des Rechtsnachteils, daß der Versicherte jeden Anspruch auf Ent¬
schädigung verlieren soll, eine starke Übertreibung entgegen. Daß dem Agenten
möglichst bald von einem ihn berührenden Brande Kunde gegeben werde, ist ge¬
wiß ein berechtigtes Interesse des Versicherers. Ob aber in der Verwirrung
und Not eines großen Brandes der Versicherte, auch wenn er nicht gerade phy¬
sisch gehindert ist, innerhalb der ersten 24 Stunden sich in der Lage befindet,
dem Agenten Anzeige zu machen, ist doch die Frage. Und doch soll davon die
Erhaltung seines ganzen Anspruchs abhängen. Noch weit schlimmer aber ist
der Nettuugsparagraph. Daß der Versicherte, wenn er imstande ist, ohne per¬
sönliche Gefahr Sachen retten zu könne», dies zu thun verpflichtet erklärt wird,
läßt sich hören. Aber man wolle doch nur die ganze Lage bei einem Brand-
»»giücke bedenken. Viele Menschen verlieren dabei sofort den Kopf und wissen
demi besten Willen nicht, was sie thun sollen. Überdies ist das Retten bei
einem Brande, namentlich für Unerfahrene, keineswegs eine so einfache Sache;
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[0654] Unsre Feucrversichenmgsgesellschciften, Eiitschädigungsverpflichtung bezüglich aller versicherten Gegenstände," Auch hier wird wieder das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Warum soll denn die Ent- schädigniigsverbindlichkeit mich hinsichtlich solcher Gegenstünde erlöschen, die von der Vermehrung der Gefahr garnicht berührt werden? Und warum auch für solche Brandfälle, die aus der vermehrten Gefahr garnicht hervorgehen? Wir müssen aber noch weitergehen. Wir müssen die Richtigkeit des jenem Satze zu Grunde liegenden Prinzips bestreiten. Mag der Verhinderer immerhin be¬ stimmte Fälle erhöhter Gefahr ausnehmen, für welche er, auch wenn sie im Laufe der Versicherung ohne alle Mitwirkung des Versicherten eintreten, die Gefahr zu übernehmen ablehnt. Im allgemeinen aber versichert man sich ja gerade deshalb, weil man Gefahren, auch solche, welche unvorhergesehen hinzu¬ treten, nicht tragen will. Ju viele» Fällen wird der wirkliche Schaden nur aus einer unmittelbar vorher vermehrten Gefahr hervorgehen, und es wäre arg, wenn man alsdann keinen Schaden ersetzt bekäme. Dazu kommt noch, daß der Versicherte sehr häusig von den Umständen, welche die Gefahr vermehren, gar- nichts erfährt. Wer kann immer darauf Acht haben, welche mehr oder minder gefährlichen Einrichtungen in dem Nachbarhause bestehen? Und wenn die Eisen¬ bahn an dem versicherten Hause vorbeilüuft, soll etwa die Versicherung erlösche», wen» die Zahl der Züge, welche eine gewisse Feuersgefahr in sich schließe», ver¬ mehrt wird? Der gedachte Satz des § 6 kann also wiederum zu eiuer sehr un¬ gerechten Behandlung des Versicherte» führe». Betrachte» wir noch die übrigen Fälle, in welchen die bereits angeführte Bestimmung des § 13 den Verlust jedes Entschädigungsanspruchs eintreten läßt. H 6 bestimmt: „Im Falle eines Brandes ist der Versicherte verpflichtet, u,) die versicherten Gegenstände möglichst zu retten; d) dem Agenten binnen 24 Stunden »ach jedem Brande denselben anzuzeigen" u. s. w. Auch hier tritt uns in der Androhung des Rechtsnachteils, daß der Versicherte jeden Anspruch auf Ent¬ schädigung verlieren soll, eine starke Übertreibung entgegen. Daß dem Agenten möglichst bald von einem ihn berührenden Brande Kunde gegeben werde, ist ge¬ wiß ein berechtigtes Interesse des Versicherers. Ob aber in der Verwirrung und Not eines großen Brandes der Versicherte, auch wenn er nicht gerade phy¬ sisch gehindert ist, innerhalb der ersten 24 Stunden sich in der Lage befindet, dem Agenten Anzeige zu machen, ist doch die Frage. Und doch soll davon die Erhaltung seines ganzen Anspruchs abhängen. Noch weit schlimmer aber ist der Nettuugsparagraph. Daß der Versicherte, wenn er imstande ist, ohne per¬ sönliche Gefahr Sachen retten zu könne», dies zu thun verpflichtet erklärt wird, läßt sich hören. Aber man wolle doch nur die ganze Lage bei einem Brand- »»giücke bedenken. Viele Menschen verlieren dabei sofort den Kopf und wissen demi besten Willen nicht, was sie thun sollen. Überdies ist das Retten bei einem Brande, namentlich für Unerfahrene, keineswegs eine so einfache Sache; man setzt dabei leicht Leben und Gesundheit aufs Spiel. Gerade deshalb der--

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/654>, abgerufen am 29.06.2024.