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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Unsre Fenerversichenmgsgesellschaften.

aber als Schuld der Aktionäre an die Gesellschaft (meistens auf Wechsel)
ausstehen zu lassen. Ein solches Verfahren ist möglich, weil in der Regel,
so lange nicht besondre Unglücksfälle eintreten, schon die vorausgezahlten Prämien
die vollen Mittel gewähren, um eintretende Brandschäden zu decken, und daher
die Versicherungsgesellschaften eines Betriebskapitals im gewöhnlichen Sinne
kaum bedürfen. Allerdings haften die Aktionäre, wenn die laufenden Mittel
zur Deckung der Schäden nicht ausreichen, bis zur ganzen Summe des Aktien¬
kapitals; und es ist daher, wenn sie nur 20 Prozent eingezahlt haben, die von
ihnen übernommene Gefahr fünfmal größer als die von ihnen geleistete Baar-
zcihlung. Nach dem Betrage dieser Baarzahlnng pflegen aber die als Dividenden
bezogenen Prozente in den Kursblättern angegeben zu werden. Und wenn
daher bei 20 Prozent Einzahlung eine Dividende von 50 Prozent notirt ist,
so ist diese der Gewinn für eine übernommene Gefahr von nicht bloß 100,
sondern in Wahrheit von 500. Erwägt man aber, daß bei ordnungsmäßigen
Betriebe Nachzahlungen auf die Aktien nur selten in Anspruch genommen z"
werden brauchen, und daß auch schon darin ein erheblicher Vorteil für die
Aktionäre liegt, daß sie den größten Teil des Aktienkapitals in den Händen
behalten und anderweit für sich arbeiten lassen können, so erscheint der Gewinn
bei vielen Gesellschaften immerhin als ein sehr erheblicher.

Als mutmaßlicher Grund für die hohen Gewinne wird in dem Reskripte
des Handelsministers neben der Höhe der Prämiensätze auch die Anwendung
ungerechtfertigter Mittel bei Regulirung der Brandschäden angeführt. Es ist
ja außerordentlich schwer, auf diesem Gebiete einen umfassenden Überblick zu
gewinnen. Auch ist es nicht zu bezweifeln, daß die Gesellschaften in vielen
Fällen bei Regulirung von Brandschäden sich durchaus billig finden lassen.
Wie beim kaufmännischen Betriebe überhaupt, so führt auch beim Versicherungs¬
betriebe das eigne Interesse des Industriellen dahin, möglichst "kulant" zu
verfahren, um sich dadurch das Vertrauen und die Kundschaft zu erhalten.
Andrerseits läßt sich wohl auch glauben, daß nicht selten unberechtigte Spekula-
tionen und Anforderungen wider die Versicherungsgesellschafte" gemacht werden,
denen entgegenzutreten dieselben alle Ursache haben. Im allgemeinen aber wird
man annehmen dürfen, daß die Gesellschaften der großen Mehrzahl derer, welche
bei ihnen Versicherung nehmen, geschäftlich weit überlegen sind. Und sie benutzen
diese Überlegenheit, um Versicherungsbediugungen zu stellen, welche mit der
Billigkeit wider die Versicherten schwerlich vereinbar sind, diese vielmehr im
Falle eines eintretenden Schadens mehr oder minder in ihre Hand geben.

Beim Mangel zureichender, in manchen deutschen Ländern sogar aller Ge¬
setze über den Versicherungsvertrag pflegt dessen Inhalt vorwiegend durch die
Statuten oder Reglements, welche die Gesellschaften selbst aufstellen, bestimmt
zu werden. Eine große Anzahl von Feuerversicherungsgesellschaften hat über
diesen Gegenstand sich verständigt. Weit entfernt, durch Aufstellung verfehle-


Unsre Fenerversichenmgsgesellschaften.

aber als Schuld der Aktionäre an die Gesellschaft (meistens auf Wechsel)
ausstehen zu lassen. Ein solches Verfahren ist möglich, weil in der Regel,
so lange nicht besondre Unglücksfälle eintreten, schon die vorausgezahlten Prämien
die vollen Mittel gewähren, um eintretende Brandschäden zu decken, und daher
die Versicherungsgesellschaften eines Betriebskapitals im gewöhnlichen Sinne
kaum bedürfen. Allerdings haften die Aktionäre, wenn die laufenden Mittel
zur Deckung der Schäden nicht ausreichen, bis zur ganzen Summe des Aktien¬
kapitals; und es ist daher, wenn sie nur 20 Prozent eingezahlt haben, die von
ihnen übernommene Gefahr fünfmal größer als die von ihnen geleistete Baar-
zcihlung. Nach dem Betrage dieser Baarzahlnng pflegen aber die als Dividenden
bezogenen Prozente in den Kursblättern angegeben zu werden. Und wenn
daher bei 20 Prozent Einzahlung eine Dividende von 50 Prozent notirt ist,
so ist diese der Gewinn für eine übernommene Gefahr von nicht bloß 100,
sondern in Wahrheit von 500. Erwägt man aber, daß bei ordnungsmäßigen
Betriebe Nachzahlungen auf die Aktien nur selten in Anspruch genommen z»
werden brauchen, und daß auch schon darin ein erheblicher Vorteil für die
Aktionäre liegt, daß sie den größten Teil des Aktienkapitals in den Händen
behalten und anderweit für sich arbeiten lassen können, so erscheint der Gewinn
bei vielen Gesellschaften immerhin als ein sehr erheblicher.

Als mutmaßlicher Grund für die hohen Gewinne wird in dem Reskripte
des Handelsministers neben der Höhe der Prämiensätze auch die Anwendung
ungerechtfertigter Mittel bei Regulirung der Brandschäden angeführt. Es ist
ja außerordentlich schwer, auf diesem Gebiete einen umfassenden Überblick zu
gewinnen. Auch ist es nicht zu bezweifeln, daß die Gesellschaften in vielen
Fällen bei Regulirung von Brandschäden sich durchaus billig finden lassen.
Wie beim kaufmännischen Betriebe überhaupt, so führt auch beim Versicherungs¬
betriebe das eigne Interesse des Industriellen dahin, möglichst „kulant" zu
verfahren, um sich dadurch das Vertrauen und die Kundschaft zu erhalten.
Andrerseits läßt sich wohl auch glauben, daß nicht selten unberechtigte Spekula-
tionen und Anforderungen wider die Versicherungsgesellschafte» gemacht werden,
denen entgegenzutreten dieselben alle Ursache haben. Im allgemeinen aber wird
man annehmen dürfen, daß die Gesellschaften der großen Mehrzahl derer, welche
bei ihnen Versicherung nehmen, geschäftlich weit überlegen sind. Und sie benutzen
diese Überlegenheit, um Versicherungsbediugungen zu stellen, welche mit der
Billigkeit wider die Versicherten schwerlich vereinbar sind, diese vielmehr im
Falle eines eintretenden Schadens mehr oder minder in ihre Hand geben.

Beim Mangel zureichender, in manchen deutschen Ländern sogar aller Ge¬
setze über den Versicherungsvertrag pflegt dessen Inhalt vorwiegend durch die
Statuten oder Reglements, welche die Gesellschaften selbst aufstellen, bestimmt
zu werden. Eine große Anzahl von Feuerversicherungsgesellschaften hat über
diesen Gegenstand sich verständigt. Weit entfernt, durch Aufstellung verfehle-


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[0652] Unsre Fenerversichenmgsgesellschaften. aber als Schuld der Aktionäre an die Gesellschaft (meistens auf Wechsel) ausstehen zu lassen. Ein solches Verfahren ist möglich, weil in der Regel, so lange nicht besondre Unglücksfälle eintreten, schon die vorausgezahlten Prämien die vollen Mittel gewähren, um eintretende Brandschäden zu decken, und daher die Versicherungsgesellschaften eines Betriebskapitals im gewöhnlichen Sinne kaum bedürfen. Allerdings haften die Aktionäre, wenn die laufenden Mittel zur Deckung der Schäden nicht ausreichen, bis zur ganzen Summe des Aktien¬ kapitals; und es ist daher, wenn sie nur 20 Prozent eingezahlt haben, die von ihnen übernommene Gefahr fünfmal größer als die von ihnen geleistete Baar- zcihlung. Nach dem Betrage dieser Baarzahlnng pflegen aber die als Dividenden bezogenen Prozente in den Kursblättern angegeben zu werden. Und wenn daher bei 20 Prozent Einzahlung eine Dividende von 50 Prozent notirt ist, so ist diese der Gewinn für eine übernommene Gefahr von nicht bloß 100, sondern in Wahrheit von 500. Erwägt man aber, daß bei ordnungsmäßigen Betriebe Nachzahlungen auf die Aktien nur selten in Anspruch genommen z» werden brauchen, und daß auch schon darin ein erheblicher Vorteil für die Aktionäre liegt, daß sie den größten Teil des Aktienkapitals in den Händen behalten und anderweit für sich arbeiten lassen können, so erscheint der Gewinn bei vielen Gesellschaften immerhin als ein sehr erheblicher. Als mutmaßlicher Grund für die hohen Gewinne wird in dem Reskripte des Handelsministers neben der Höhe der Prämiensätze auch die Anwendung ungerechtfertigter Mittel bei Regulirung der Brandschäden angeführt. Es ist ja außerordentlich schwer, auf diesem Gebiete einen umfassenden Überblick zu gewinnen. Auch ist es nicht zu bezweifeln, daß die Gesellschaften in vielen Fällen bei Regulirung von Brandschäden sich durchaus billig finden lassen. Wie beim kaufmännischen Betriebe überhaupt, so führt auch beim Versicherungs¬ betriebe das eigne Interesse des Industriellen dahin, möglichst „kulant" zu verfahren, um sich dadurch das Vertrauen und die Kundschaft zu erhalten. Andrerseits läßt sich wohl auch glauben, daß nicht selten unberechtigte Spekula- tionen und Anforderungen wider die Versicherungsgesellschafte» gemacht werden, denen entgegenzutreten dieselben alle Ursache haben. Im allgemeinen aber wird man annehmen dürfen, daß die Gesellschaften der großen Mehrzahl derer, welche bei ihnen Versicherung nehmen, geschäftlich weit überlegen sind. Und sie benutzen diese Überlegenheit, um Versicherungsbediugungen zu stellen, welche mit der Billigkeit wider die Versicherten schwerlich vereinbar sind, diese vielmehr im Falle eines eintretenden Schadens mehr oder minder in ihre Hand geben. Beim Mangel zureichender, in manchen deutschen Ländern sogar aller Ge¬ setze über den Versicherungsvertrag pflegt dessen Inhalt vorwiegend durch die Statuten oder Reglements, welche die Gesellschaften selbst aufstellen, bestimmt zu werden. Eine große Anzahl von Feuerversicherungsgesellschaften hat über diesen Gegenstand sich verständigt. Weit entfernt, durch Aufstellung verfehle-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/652>, abgerufen am 03.07.2024.