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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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pompejanische Spaziergänge.

Sabinus; der wird dann dich selber dazu wählen." *) Meist aber sind es geringere
Leute, Klienten, Schuldner oder sonstige Verpflichtete, die ihre Dankbarkeit be¬
zeugen und ihre Schuld durch diese laute Huldigung bezahlen wollen. Die
öffentlichen Ämter waren so kostspielig, daß es dafür nicht immer viele Kandidaten
gegeben haben kann. Gerade weil dieselben eigentlich wenige Mitbewerber hatten
und ihre Wahl kaum zweifelhaft war, legten sie vielleicht um so größern Wert
darauf, daß sie wenigstens als der Ausdruck des allgemeinen Willens erschien.
Die Ehre lag für sie weniger in der nicht sehr lebhaft bestrittenen Wahl selbst,
als in diesen lärmenden Kundgebungen, die ihren Glanz erhöhten und so ihren
eigentlichen Wert ausmachten. Dies ist der Grund, weshalb die Bürger sich
ihre Kandidaten einander so nachdrücklich empfehlen zu müssen glaubten, obwohl
so ziemlich jeder sie zu wählen bereit war. Hatte die Wahlbewegung den
Eindruck großer Einmütigkeit gemacht und hatte sich die öffentliche Meinung
nur recht geräuschvoll ausgesprochen, so war der Duumvir oder der Atli stolzer
auf seinen Erfolg und geneigt, das Wohlwollen seiner Mitbürger durch unge¬
heuer freigebige Spenden und Leistungen zu vergelten.

Unter diesen Leistungen waren es vor allem die öffentlichen Spiele, die
dem Volke am meisten zusagte". Reich und Arm hatte für sie das gleiche
leidenschaftliche Interesse. In Rom waren sie immer sehr beliebt gewesen, und
noch mehr womöglich schwärmte man für sie in den kleinen Städten, wo das
Leben einförmiger, die Vergnügungen minder zahlreich waren. Es gab öffent¬
liche Spiele verschiedner Art. Zunächst die szenischen Darstellungen. Für sie
waren in Pompeji zwei Theater bestimmt, die noch heute erhalten sind. Ob
man auf denselben viele Tragödien und Komödien spielte, weiß ich nicht; .ganz
sicher dagegen haben dort mimische Aufführungen stattgefunden. Diese nicht
eben edle Gattung von Schauspielen, die bei den Zuschauern keine große
literarische Bildung voraussetzte und von jedermann verstanden wurde, fand
überall freundliche Aufnahme. Besonders gefiel sie den jungen Männern, weil
hier, entgegen dem sonstigen Brauch, die weiblichen Rollen von Frauen gespielt
wurden, diese Frauen sich nicht gerade durch Sittenstrenge auszeichneten und
ein Liebeshandel mit einer hübschen Schauspielerin für kein übles Mittel galt,
das Leben in der Provinz etwas lustiger zu machen. Cicero sagte von einem
seiner Klienten, dessen Jugendleben nicht ganz vorwurfsfrei gewesen war: "Man
klagt ihn der Entführung einer kleinen Komödiantin an, aber das ist ein harm¬
loser Spaß, den besonders in der Provinz ein alter Brauch entschuldigt."**)
Auch der Pantomimus (Ballet) war in hohem Grade Mode und in Pompeji
gewiß ebenso beliebt wie überall; erfahren wir doch, daß Pylades, der berühmte
Tänzer aus Rom, nach Pompeji kam, um dort auf dem von Holconius er¬
richteten Theater einige Vorstellungen zu geben.




*) (I I. I,. IV, 64S: Labülum asäilsm, ?roouls, Kto, se ills es tkoist.
**) Cicero, ?ro ?Jao<-. 12, 30.
pompejanische Spaziergänge.

Sabinus; der wird dann dich selber dazu wählen." *) Meist aber sind es geringere
Leute, Klienten, Schuldner oder sonstige Verpflichtete, die ihre Dankbarkeit be¬
zeugen und ihre Schuld durch diese laute Huldigung bezahlen wollen. Die
öffentlichen Ämter waren so kostspielig, daß es dafür nicht immer viele Kandidaten
gegeben haben kann. Gerade weil dieselben eigentlich wenige Mitbewerber hatten
und ihre Wahl kaum zweifelhaft war, legten sie vielleicht um so größern Wert
darauf, daß sie wenigstens als der Ausdruck des allgemeinen Willens erschien.
Die Ehre lag für sie weniger in der nicht sehr lebhaft bestrittenen Wahl selbst,
als in diesen lärmenden Kundgebungen, die ihren Glanz erhöhten und so ihren
eigentlichen Wert ausmachten. Dies ist der Grund, weshalb die Bürger sich
ihre Kandidaten einander so nachdrücklich empfehlen zu müssen glaubten, obwohl
so ziemlich jeder sie zu wählen bereit war. Hatte die Wahlbewegung den
Eindruck großer Einmütigkeit gemacht und hatte sich die öffentliche Meinung
nur recht geräuschvoll ausgesprochen, so war der Duumvir oder der Atli stolzer
auf seinen Erfolg und geneigt, das Wohlwollen seiner Mitbürger durch unge¬
heuer freigebige Spenden und Leistungen zu vergelten.

Unter diesen Leistungen waren es vor allem die öffentlichen Spiele, die
dem Volke am meisten zusagte». Reich und Arm hatte für sie das gleiche
leidenschaftliche Interesse. In Rom waren sie immer sehr beliebt gewesen, und
noch mehr womöglich schwärmte man für sie in den kleinen Städten, wo das
Leben einförmiger, die Vergnügungen minder zahlreich waren. Es gab öffent¬
liche Spiele verschiedner Art. Zunächst die szenischen Darstellungen. Für sie
waren in Pompeji zwei Theater bestimmt, die noch heute erhalten sind. Ob
man auf denselben viele Tragödien und Komödien spielte, weiß ich nicht; .ganz
sicher dagegen haben dort mimische Aufführungen stattgefunden. Diese nicht
eben edle Gattung von Schauspielen, die bei den Zuschauern keine große
literarische Bildung voraussetzte und von jedermann verstanden wurde, fand
überall freundliche Aufnahme. Besonders gefiel sie den jungen Männern, weil
hier, entgegen dem sonstigen Brauch, die weiblichen Rollen von Frauen gespielt
wurden, diese Frauen sich nicht gerade durch Sittenstrenge auszeichneten und
ein Liebeshandel mit einer hübschen Schauspielerin für kein übles Mittel galt,
das Leben in der Provinz etwas lustiger zu machen. Cicero sagte von einem
seiner Klienten, dessen Jugendleben nicht ganz vorwurfsfrei gewesen war: „Man
klagt ihn der Entführung einer kleinen Komödiantin an, aber das ist ein harm¬
loser Spaß, den besonders in der Provinz ein alter Brauch entschuldigt."**)
Auch der Pantomimus (Ballet) war in hohem Grade Mode und in Pompeji
gewiß ebenso beliebt wie überall; erfahren wir doch, daß Pylades, der berühmte
Tänzer aus Rom, nach Pompeji kam, um dort auf dem von Holconius er¬
richteten Theater einige Vorstellungen zu geben.




*) (I I. I,. IV, 64S: Labülum asäilsm, ?roouls, Kto, se ills es tkoist.
**) Cicero, ?ro ?Jao<-. 12, 30.
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[0607] pompejanische Spaziergänge. Sabinus; der wird dann dich selber dazu wählen." *) Meist aber sind es geringere Leute, Klienten, Schuldner oder sonstige Verpflichtete, die ihre Dankbarkeit be¬ zeugen und ihre Schuld durch diese laute Huldigung bezahlen wollen. Die öffentlichen Ämter waren so kostspielig, daß es dafür nicht immer viele Kandidaten gegeben haben kann. Gerade weil dieselben eigentlich wenige Mitbewerber hatten und ihre Wahl kaum zweifelhaft war, legten sie vielleicht um so größern Wert darauf, daß sie wenigstens als der Ausdruck des allgemeinen Willens erschien. Die Ehre lag für sie weniger in der nicht sehr lebhaft bestrittenen Wahl selbst, als in diesen lärmenden Kundgebungen, die ihren Glanz erhöhten und so ihren eigentlichen Wert ausmachten. Dies ist der Grund, weshalb die Bürger sich ihre Kandidaten einander so nachdrücklich empfehlen zu müssen glaubten, obwohl so ziemlich jeder sie zu wählen bereit war. Hatte die Wahlbewegung den Eindruck großer Einmütigkeit gemacht und hatte sich die öffentliche Meinung nur recht geräuschvoll ausgesprochen, so war der Duumvir oder der Atli stolzer auf seinen Erfolg und geneigt, das Wohlwollen seiner Mitbürger durch unge¬ heuer freigebige Spenden und Leistungen zu vergelten. Unter diesen Leistungen waren es vor allem die öffentlichen Spiele, die dem Volke am meisten zusagte». Reich und Arm hatte für sie das gleiche leidenschaftliche Interesse. In Rom waren sie immer sehr beliebt gewesen, und noch mehr womöglich schwärmte man für sie in den kleinen Städten, wo das Leben einförmiger, die Vergnügungen minder zahlreich waren. Es gab öffent¬ liche Spiele verschiedner Art. Zunächst die szenischen Darstellungen. Für sie waren in Pompeji zwei Theater bestimmt, die noch heute erhalten sind. Ob man auf denselben viele Tragödien und Komödien spielte, weiß ich nicht; .ganz sicher dagegen haben dort mimische Aufführungen stattgefunden. Diese nicht eben edle Gattung von Schauspielen, die bei den Zuschauern keine große literarische Bildung voraussetzte und von jedermann verstanden wurde, fand überall freundliche Aufnahme. Besonders gefiel sie den jungen Männern, weil hier, entgegen dem sonstigen Brauch, die weiblichen Rollen von Frauen gespielt wurden, diese Frauen sich nicht gerade durch Sittenstrenge auszeichneten und ein Liebeshandel mit einer hübschen Schauspielerin für kein übles Mittel galt, das Leben in der Provinz etwas lustiger zu machen. Cicero sagte von einem seiner Klienten, dessen Jugendleben nicht ganz vorwurfsfrei gewesen war: „Man klagt ihn der Entführung einer kleinen Komödiantin an, aber das ist ein harm¬ loser Spaß, den besonders in der Provinz ein alter Brauch entschuldigt."**) Auch der Pantomimus (Ballet) war in hohem Grade Mode und in Pompeji gewiß ebenso beliebt wie überall; erfahren wir doch, daß Pylades, der berühmte Tänzer aus Rom, nach Pompeji kam, um dort auf dem von Holconius er¬ richteten Theater einige Vorstellungen zu geben. *) (I I. I,. IV, 64S: Labülum asäilsm, ?roouls, Kto, se ills es tkoist. **) Cicero, ?ro ?Jao<-. 12, 30.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/607>, abgerufen am 22.07.2024.