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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Pompejanische Spaziergänge.

Aufschwung ihrer Glücksumstände zur Schau stellen und ließen sich durch den
Gemeinderat der Stadt oder durch die von ihnen protegirten Körperschaften
Ehrenstatuen errichten. Neben dem alten Adel kam eine reiche, angesehene,
auf ihre Stellung eifersüchtige, für Glanz und Pomp schwärmende, namentlich
aber sehr zahlreiche Bourgeoisie in die Höhe, die auf einem großen Fuße lebte,
die Behaglichkeit schätzte und die Genüsse und Vorrechte, welche bisher nur den
vornehmen Familien gehört hatten, wenigstens zum Teil auch für sich selbst in
Anspruch nahm.

Und die Armen? Solche gab es in Pompeji sicher ebensoviel, ja vielleicht
noch mehr als anderswo, denn Pompeji war, wie schon bemerkt, eine gewerb-
fleißige Stadt, in welcher ein buntes geschäftliches Treiben herrschte. Abgesehen
von ihrem Seehandel, produzirte sie im Überfluß Wein und Früchte für den
Export nach andern Städten Italiens; nach Plinius und Columella waren
besonders ihre Kohlsorten renommirt. Auch bereiteten die Pompejaner ans ge¬
salzenen Fischen eine Art Sauce oder Würze, Mrum genannt, welche das Ent¬
zücken der Feinschmecker war. In einer solchen Handelsstadt gab es natürlich
zahlreiche Handwerker. Die von Pompeji bildeten, wie überall, Zünfte, die
ihre besondern Statuten, Feste, Versammlungsorte hatten. So kennen wir die
Zünfte der Goldarbeiter, der Holzhändler, der Maultiertreiber; sie nehmen an
den Wahlen teil und empfehlen ihre Kandidaten.*) Vermutlich waren auch
die Tuchfabriken, sowie die Walkereien und Färbereien ziemlich bedeutend.
Dieser Großindustrie schlössen sich dann alle jene kleineren und untergeordneten
Gewerbe an, die damals, wie heutzutage, die italienischen Städte mit ihrem
geräuschvollen Treiben erfüllten. Da gab es Verkäufer von Kuchen und Würstchen,
Händler mit "Meerfrüchten" (trutti al mars, d. h. Fischen, Muscheln u. s. w.),
die alle, wie Seueca sagt, ihre Waare in einer besondern Tonart und mit
mannichfachen Rufen anpreisen.**) Man nannte sie in Pompeji die "Forum¬
leute" (torönsös), weil sie sich meist auf dem öffentlichen Platze umhertrieben.
Eine interessante Malerei zeigt uns einen auf offener Straße etablirten Koch
bei seinen Töpfen; ringsumher stehen Leute, die offenbar der gute Küchenduft
angelockt hat. Der Koch hält in der Hand einen Stock, an dessen Ende eine
kleine Kupfertasse befestigt ist; damit will er eben eine Portion aus seinem
Topfe schöpfen, um sie den Kunden zu verkaufen.***) Es ist eine Szene, wie
wir sie auf den Märkten von Neapel noch heute alltäglich beobachten können.





*) Einige dieser Korporationen, zu denen sich nicht Handwerker derselben Industrie,
sondern einfach Leute vereinigten, die sich gesellig unterhalten oder vergnügt miteinander
leben wollten, haben sonderbare Namen, ähnlich denen der Akademiker der Renaissance.
So giebt es, einen "Schläferverein" (clorniioirtos), ferner eine "Gesellschaft der Spättrinker"
(ssrivibi), ja sogar einen "Verein der kleinen Spitzbuben" (lurnnouli).
**) Seneca, Lxisti, SS, 2.
*") Vergl. Otto Jahr, Über Darstellungen des Handwerks u. s. w. Taf. ?, Ur. 8.
Pompejanische Spaziergänge.

Aufschwung ihrer Glücksumstände zur Schau stellen und ließen sich durch den
Gemeinderat der Stadt oder durch die von ihnen protegirten Körperschaften
Ehrenstatuen errichten. Neben dem alten Adel kam eine reiche, angesehene,
auf ihre Stellung eifersüchtige, für Glanz und Pomp schwärmende, namentlich
aber sehr zahlreiche Bourgeoisie in die Höhe, die auf einem großen Fuße lebte,
die Behaglichkeit schätzte und die Genüsse und Vorrechte, welche bisher nur den
vornehmen Familien gehört hatten, wenigstens zum Teil auch für sich selbst in
Anspruch nahm.

Und die Armen? Solche gab es in Pompeji sicher ebensoviel, ja vielleicht
noch mehr als anderswo, denn Pompeji war, wie schon bemerkt, eine gewerb-
fleißige Stadt, in welcher ein buntes geschäftliches Treiben herrschte. Abgesehen
von ihrem Seehandel, produzirte sie im Überfluß Wein und Früchte für den
Export nach andern Städten Italiens; nach Plinius und Columella waren
besonders ihre Kohlsorten renommirt. Auch bereiteten die Pompejaner ans ge¬
salzenen Fischen eine Art Sauce oder Würze, Mrum genannt, welche das Ent¬
zücken der Feinschmecker war. In einer solchen Handelsstadt gab es natürlich
zahlreiche Handwerker. Die von Pompeji bildeten, wie überall, Zünfte, die
ihre besondern Statuten, Feste, Versammlungsorte hatten. So kennen wir die
Zünfte der Goldarbeiter, der Holzhändler, der Maultiertreiber; sie nehmen an
den Wahlen teil und empfehlen ihre Kandidaten.*) Vermutlich waren auch
die Tuchfabriken, sowie die Walkereien und Färbereien ziemlich bedeutend.
Dieser Großindustrie schlössen sich dann alle jene kleineren und untergeordneten
Gewerbe an, die damals, wie heutzutage, die italienischen Städte mit ihrem
geräuschvollen Treiben erfüllten. Da gab es Verkäufer von Kuchen und Würstchen,
Händler mit „Meerfrüchten" (trutti al mars, d. h. Fischen, Muscheln u. s. w.),
die alle, wie Seueca sagt, ihre Waare in einer besondern Tonart und mit
mannichfachen Rufen anpreisen.**) Man nannte sie in Pompeji die „Forum¬
leute" (torönsös), weil sie sich meist auf dem öffentlichen Platze umhertrieben.
Eine interessante Malerei zeigt uns einen auf offener Straße etablirten Koch
bei seinen Töpfen; ringsumher stehen Leute, die offenbar der gute Küchenduft
angelockt hat. Der Koch hält in der Hand einen Stock, an dessen Ende eine
kleine Kupfertasse befestigt ist; damit will er eben eine Portion aus seinem
Topfe schöpfen, um sie den Kunden zu verkaufen.***) Es ist eine Szene, wie
wir sie auf den Märkten von Neapel noch heute alltäglich beobachten können.





*) Einige dieser Korporationen, zu denen sich nicht Handwerker derselben Industrie,
sondern einfach Leute vereinigten, die sich gesellig unterhalten oder vergnügt miteinander
leben wollten, haben sonderbare Namen, ähnlich denen der Akademiker der Renaissance.
So giebt es, einen „Schläferverein" (clorniioirtos), ferner eine „Gesellschaft der Spättrinker"
(ssrivibi), ja sogar einen „Verein der kleinen Spitzbuben" (lurnnouli).
**) Seneca, Lxisti, SS, 2.
*") Vergl. Otto Jahr, Über Darstellungen des Handwerks u. s. w. Taf. ?, Ur. 8.
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[0604] Pompejanische Spaziergänge. Aufschwung ihrer Glücksumstände zur Schau stellen und ließen sich durch den Gemeinderat der Stadt oder durch die von ihnen protegirten Körperschaften Ehrenstatuen errichten. Neben dem alten Adel kam eine reiche, angesehene, auf ihre Stellung eifersüchtige, für Glanz und Pomp schwärmende, namentlich aber sehr zahlreiche Bourgeoisie in die Höhe, die auf einem großen Fuße lebte, die Behaglichkeit schätzte und die Genüsse und Vorrechte, welche bisher nur den vornehmen Familien gehört hatten, wenigstens zum Teil auch für sich selbst in Anspruch nahm. Und die Armen? Solche gab es in Pompeji sicher ebensoviel, ja vielleicht noch mehr als anderswo, denn Pompeji war, wie schon bemerkt, eine gewerb- fleißige Stadt, in welcher ein buntes geschäftliches Treiben herrschte. Abgesehen von ihrem Seehandel, produzirte sie im Überfluß Wein und Früchte für den Export nach andern Städten Italiens; nach Plinius und Columella waren besonders ihre Kohlsorten renommirt. Auch bereiteten die Pompejaner ans ge¬ salzenen Fischen eine Art Sauce oder Würze, Mrum genannt, welche das Ent¬ zücken der Feinschmecker war. In einer solchen Handelsstadt gab es natürlich zahlreiche Handwerker. Die von Pompeji bildeten, wie überall, Zünfte, die ihre besondern Statuten, Feste, Versammlungsorte hatten. So kennen wir die Zünfte der Goldarbeiter, der Holzhändler, der Maultiertreiber; sie nehmen an den Wahlen teil und empfehlen ihre Kandidaten.*) Vermutlich waren auch die Tuchfabriken, sowie die Walkereien und Färbereien ziemlich bedeutend. Dieser Großindustrie schlössen sich dann alle jene kleineren und untergeordneten Gewerbe an, die damals, wie heutzutage, die italienischen Städte mit ihrem geräuschvollen Treiben erfüllten. Da gab es Verkäufer von Kuchen und Würstchen, Händler mit „Meerfrüchten" (trutti al mars, d. h. Fischen, Muscheln u. s. w.), die alle, wie Seueca sagt, ihre Waare in einer besondern Tonart und mit mannichfachen Rufen anpreisen.**) Man nannte sie in Pompeji die „Forum¬ leute" (torönsös), weil sie sich meist auf dem öffentlichen Platze umhertrieben. Eine interessante Malerei zeigt uns einen auf offener Straße etablirten Koch bei seinen Töpfen; ringsumher stehen Leute, die offenbar der gute Küchenduft angelockt hat. Der Koch hält in der Hand einen Stock, an dessen Ende eine kleine Kupfertasse befestigt ist; damit will er eben eine Portion aus seinem Topfe schöpfen, um sie den Kunden zu verkaufen.***) Es ist eine Szene, wie wir sie auf den Märkten von Neapel noch heute alltäglich beobachten können. *) Einige dieser Korporationen, zu denen sich nicht Handwerker derselben Industrie, sondern einfach Leute vereinigten, die sich gesellig unterhalten oder vergnügt miteinander leben wollten, haben sonderbare Namen, ähnlich denen der Akademiker der Renaissance. So giebt es, einen „Schläferverein" (clorniioirtos), ferner eine „Gesellschaft der Spättrinker" (ssrivibi), ja sogar einen „Verein der kleinen Spitzbuben" (lurnnouli). **) Seneca, Lxisti, SS, 2. *") Vergl. Otto Jahr, Über Darstellungen des Handwerks u. s. w. Taf. ?, Ur. 8.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/604>, abgerufen am 01.07.2024.