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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

dichterisches Talent hat, die edelsten, tugendhaftesten Leute schildern und die
herrlichsten Thaten erzählen, sodaß seine ganze Dichtung sich wie ein Hymnus
auf die Tugend ausnimmt. Und ebenso kann ein durchaus reiner und edler
Charakter sich damit beschäftigen, lauter Verbrecher und Verbreche" darzustellen,
in der guten Absicht, die Welt zu bessern.

Mein seliger Vater, den ich vorhin schon einmal erwähnte, warf der
Baron ein, war der Meinung, daß überhaupt alle Federfuchser nichts taugten,
und daß kein wahrer Mann sich jemals damit abgeben würde, zu schreiben.
Das war nun wohl etwas zu weit gegangen, denn ich kann mir recht gut vor¬
stellen, daß ein tüchtiger Soldat und Edelmann, wenn ihn etwa widriges Ge¬
schick auf den Sand geworfen hat, sich zur Ausfüllung müßiger Stunden mit
Aufzeichnung seiner Erlebnisse und der Geschichte seines Stammes, oder der
belehrenden Erzählung von Kriegen beschäftigt. Aber was darüber hinausgeht
und außerhalb des Kreises der Wissenschaften liegt, das ist allerdings wohl von
Übel, und die Verherrlichung, welche jetzt nicht nur von seiten des schönen Ge¬
schlechts, sondern in gewissen Kreisen auch von den Männern mit den sogenannten
Geistesheroen getrieben wird, ist ein schlimmes Zeichen der Zeit. Daher kommt
es denn, daß schließlich diese Sippe von Müßiggängern, unbrauchbaren Studierten
und aller Arten verfehlter Existenzen, die in Tinte arbeiten und sich darum
Ritter vom Geiste nennen, auch etwas im Staate zu gelten anfangen. Glück¬
licherweise ist es bei uns noch nicht dahin gekommen, daß Journalisten, Feuille-
tonisten, Poeten und Literaten, oder wie man dieses süße Volk sonst nennen
will, zu Ämtern berufen werden, wie in Frankreich. Das ist noch so ziemlich
das einzige, was mich einiges Vertrauen auf den Bestand des preußischen
Staates setzen läßt, daß sich bei uns kein vernünftiger Mensch uM diese Art
Leute bekümmert und sie namentlich von der Regierung vollständig verachtet
werden. Ich habe in Frankreich und in Italien gesehen, daß in einem Salon,
wo eine sogenannte literarische Größe auftrat, eine förmliche Bewegung entstand,
als ob ein Mann von Bedeutung eingetreten wäre. Bei uns ist mir das doch
Gottlob noch nicht begegnet.

O mein Verehrtester Freund! sagte der General lachend, das kommt doch
wohl nur daher, daß Sie seit langer Zeit keinen Salon besucht haben. Ich
versichere Ihnen, daß mir nicht wenig Beispiele bekannt sind, namentlich von
den süddeutschen Höfen, daß man wahrhaft geistige Bedeutung, auch bei berufs¬
mäßigen Schriftstellern, wohl auch bei uns zu schätzen versteht. Und ich glaube
auch, daß selbst die Regierung nur zu ihrem eignen Schaden die Dichter ver¬
nachlässigen kann. Sie bilden eine stille aber große Macht und haben mehr
Einfluß auf das Volk als die Regierung selbst, weil sie in laufenden von
Organen ihre Ansichten dem Volke mitzuteilen vermögen.

Graf Dietrich, der sich nicht hatte enthalten können, einen Zornesblick auf
den Baron zu schleudern, machte dem General ein verbindliches Gesicht und


Die Grafen von Altenschwerdt.

dichterisches Talent hat, die edelsten, tugendhaftesten Leute schildern und die
herrlichsten Thaten erzählen, sodaß seine ganze Dichtung sich wie ein Hymnus
auf die Tugend ausnimmt. Und ebenso kann ein durchaus reiner und edler
Charakter sich damit beschäftigen, lauter Verbrecher und Verbreche» darzustellen,
in der guten Absicht, die Welt zu bessern.

Mein seliger Vater, den ich vorhin schon einmal erwähnte, warf der
Baron ein, war der Meinung, daß überhaupt alle Federfuchser nichts taugten,
und daß kein wahrer Mann sich jemals damit abgeben würde, zu schreiben.
Das war nun wohl etwas zu weit gegangen, denn ich kann mir recht gut vor¬
stellen, daß ein tüchtiger Soldat und Edelmann, wenn ihn etwa widriges Ge¬
schick auf den Sand geworfen hat, sich zur Ausfüllung müßiger Stunden mit
Aufzeichnung seiner Erlebnisse und der Geschichte seines Stammes, oder der
belehrenden Erzählung von Kriegen beschäftigt. Aber was darüber hinausgeht
und außerhalb des Kreises der Wissenschaften liegt, das ist allerdings wohl von
Übel, und die Verherrlichung, welche jetzt nicht nur von seiten des schönen Ge¬
schlechts, sondern in gewissen Kreisen auch von den Männern mit den sogenannten
Geistesheroen getrieben wird, ist ein schlimmes Zeichen der Zeit. Daher kommt
es denn, daß schließlich diese Sippe von Müßiggängern, unbrauchbaren Studierten
und aller Arten verfehlter Existenzen, die in Tinte arbeiten und sich darum
Ritter vom Geiste nennen, auch etwas im Staate zu gelten anfangen. Glück¬
licherweise ist es bei uns noch nicht dahin gekommen, daß Journalisten, Feuille-
tonisten, Poeten und Literaten, oder wie man dieses süße Volk sonst nennen
will, zu Ämtern berufen werden, wie in Frankreich. Das ist noch so ziemlich
das einzige, was mich einiges Vertrauen auf den Bestand des preußischen
Staates setzen läßt, daß sich bei uns kein vernünftiger Mensch uM diese Art
Leute bekümmert und sie namentlich von der Regierung vollständig verachtet
werden. Ich habe in Frankreich und in Italien gesehen, daß in einem Salon,
wo eine sogenannte literarische Größe auftrat, eine förmliche Bewegung entstand,
als ob ein Mann von Bedeutung eingetreten wäre. Bei uns ist mir das doch
Gottlob noch nicht begegnet.

O mein Verehrtester Freund! sagte der General lachend, das kommt doch
wohl nur daher, daß Sie seit langer Zeit keinen Salon besucht haben. Ich
versichere Ihnen, daß mir nicht wenig Beispiele bekannt sind, namentlich von
den süddeutschen Höfen, daß man wahrhaft geistige Bedeutung, auch bei berufs¬
mäßigen Schriftstellern, wohl auch bei uns zu schätzen versteht. Und ich glaube
auch, daß selbst die Regierung nur zu ihrem eignen Schaden die Dichter ver¬
nachlässigen kann. Sie bilden eine stille aber große Macht und haben mehr
Einfluß auf das Volk als die Regierung selbst, weil sie in laufenden von
Organen ihre Ansichten dem Volke mitzuteilen vermögen.

Graf Dietrich, der sich nicht hatte enthalten können, einen Zornesblick auf
den Baron zu schleudern, machte dem General ein verbindliches Gesicht und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/60>, abgerufen am 03.07.2024.