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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Vodsley und Compagnie

allhier zum Vorschein kommen werden." Offenbar hatte sich also Reich wieder
ins Mittel geschlagen, hatte seine Schutzbefohlene nochmals ins Gebet genommen
und, nachdem sie feierlich versprochen, Schwickert zu entlassen, seine Geschäfts¬
genossen bewogen, die gemeinschaftlichen Anträge zurückzuziehen und die Sache
auf sich beruhen zu lassen.

Schwickert trennte sich, wahrscheinlich noch im Laufe des Jahres 1770,
von seiner würdigen Prinzipalin und gründete ein Verlagsgeschäft unter seinem
eignen Namen,*) Natürlich hütete er sich wohl, seine neue Firma als direkte
Nachfolgerin der in ganz Deutschland berüchtigten Nachdrucksfirma hinzustellen.
Der Leipziger Musenalmanach erschien zu Neujahr 1771 nur mit der Bemerkung
auf dem Titelblatte "Unter allen Meridianen zu haben," 1772 nur mit dem
Druckorte "Leipzig"; erst auf dem Jahrgange 1773 wagte es Schwickert drucken
zu lassen: "Leipzig, in der Schwickertschen Buchhandlung."

Reich mag es sauer genug angekommen sein, die sämtlichen gegen die Mutter
seiner Mündel gerichteten Eingaben mit zu unterzeichnen. Aber er that es, um
der Sache willen. Wir heben das ausdrücklich hervor, um zu zeigen, auf welcher
falschen Fährte Lessing mit seinem Verdacht war. Schwickert aber verdient es, daß
man in Zukunft sich seinen Namen merke neben Varrentrapp in Frankfurt a. M.,
Gebhard in Bamberg, Trattner in Wien, Macklot in Karlsruhe und anderm
Raubgesindel. Er war der frechsten einer. Da macht es freilich einen seltsamen
Eindruck, wenn man in einem vor vier Jahren erschienenen Buche "Die Druckkunst
und der Buchhandel in Leipzig durch vier Jahrhunderte" S. 27 liest: "Engel-
hardt Benjamin Schwickert gründete 1770 mit kleinen Mitteln ein Verlags¬
geschäft, das er durch umsichtigste Thätigkeit schnell in die Höhe brachte."
Umsichtigste Thätigkeit! Der Brave!


G. W.



") Der mit der Londoner Firma getriebene Mißbrauch hörte aber deshalb nicht ans.
Noch 1787 erschien ein Pasquill "Detlev Präses Vertraute Briese über Leipzig" angeblich
in "London, bey Dodsle" und Compagnie," das in Stendal gedruckt und dessen Verfasser
Degenhard Pott war.
Vodsley und Compagnie

allhier zum Vorschein kommen werden." Offenbar hatte sich also Reich wieder
ins Mittel geschlagen, hatte seine Schutzbefohlene nochmals ins Gebet genommen
und, nachdem sie feierlich versprochen, Schwickert zu entlassen, seine Geschäfts¬
genossen bewogen, die gemeinschaftlichen Anträge zurückzuziehen und die Sache
auf sich beruhen zu lassen.

Schwickert trennte sich, wahrscheinlich noch im Laufe des Jahres 1770,
von seiner würdigen Prinzipalin und gründete ein Verlagsgeschäft unter seinem
eignen Namen,*) Natürlich hütete er sich wohl, seine neue Firma als direkte
Nachfolgerin der in ganz Deutschland berüchtigten Nachdrucksfirma hinzustellen.
Der Leipziger Musenalmanach erschien zu Neujahr 1771 nur mit der Bemerkung
auf dem Titelblatte „Unter allen Meridianen zu haben," 1772 nur mit dem
Druckorte „Leipzig"; erst auf dem Jahrgange 1773 wagte es Schwickert drucken
zu lassen: „Leipzig, in der Schwickertschen Buchhandlung."

Reich mag es sauer genug angekommen sein, die sämtlichen gegen die Mutter
seiner Mündel gerichteten Eingaben mit zu unterzeichnen. Aber er that es, um
der Sache willen. Wir heben das ausdrücklich hervor, um zu zeigen, auf welcher
falschen Fährte Lessing mit seinem Verdacht war. Schwickert aber verdient es, daß
man in Zukunft sich seinen Namen merke neben Varrentrapp in Frankfurt a. M.,
Gebhard in Bamberg, Trattner in Wien, Macklot in Karlsruhe und anderm
Raubgesindel. Er war der frechsten einer. Da macht es freilich einen seltsamen
Eindruck, wenn man in einem vor vier Jahren erschienenen Buche „Die Druckkunst
und der Buchhandel in Leipzig durch vier Jahrhunderte" S. 27 liest: „Engel-
hardt Benjamin Schwickert gründete 1770 mit kleinen Mitteln ein Verlags¬
geschäft, das er durch umsichtigste Thätigkeit schnell in die Höhe brachte."
Umsichtigste Thätigkeit! Der Brave!


G. W.



") Der mit der Londoner Firma getriebene Mißbrauch hörte aber deshalb nicht ans.
Noch 1787 erschien ein Pasquill „Detlev Präses Vertraute Briese über Leipzig" angeblich
in „London, bey Dodsle« und Compagnie," das in Stendal gedruckt und dessen Verfasser
Degenhard Pott war.
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[0567] Vodsley und Compagnie allhier zum Vorschein kommen werden." Offenbar hatte sich also Reich wieder ins Mittel geschlagen, hatte seine Schutzbefohlene nochmals ins Gebet genommen und, nachdem sie feierlich versprochen, Schwickert zu entlassen, seine Geschäfts¬ genossen bewogen, die gemeinschaftlichen Anträge zurückzuziehen und die Sache auf sich beruhen zu lassen. Schwickert trennte sich, wahrscheinlich noch im Laufe des Jahres 1770, von seiner würdigen Prinzipalin und gründete ein Verlagsgeschäft unter seinem eignen Namen,*) Natürlich hütete er sich wohl, seine neue Firma als direkte Nachfolgerin der in ganz Deutschland berüchtigten Nachdrucksfirma hinzustellen. Der Leipziger Musenalmanach erschien zu Neujahr 1771 nur mit der Bemerkung auf dem Titelblatte „Unter allen Meridianen zu haben," 1772 nur mit dem Druckorte „Leipzig"; erst auf dem Jahrgange 1773 wagte es Schwickert drucken zu lassen: „Leipzig, in der Schwickertschen Buchhandlung." Reich mag es sauer genug angekommen sein, die sämtlichen gegen die Mutter seiner Mündel gerichteten Eingaben mit zu unterzeichnen. Aber er that es, um der Sache willen. Wir heben das ausdrücklich hervor, um zu zeigen, auf welcher falschen Fährte Lessing mit seinem Verdacht war. Schwickert aber verdient es, daß man in Zukunft sich seinen Namen merke neben Varrentrapp in Frankfurt a. M., Gebhard in Bamberg, Trattner in Wien, Macklot in Karlsruhe und anderm Raubgesindel. Er war der frechsten einer. Da macht es freilich einen seltsamen Eindruck, wenn man in einem vor vier Jahren erschienenen Buche „Die Druckkunst und der Buchhandel in Leipzig durch vier Jahrhunderte" S. 27 liest: „Engel- hardt Benjamin Schwickert gründete 1770 mit kleinen Mitteln ein Verlags¬ geschäft, das er durch umsichtigste Thätigkeit schnell in die Höhe brachte." Umsichtigste Thätigkeit! Der Brave! G. W. ") Der mit der Londoner Firma getriebene Mißbrauch hörte aber deshalb nicht ans. Noch 1787 erschien ein Pasquill „Detlev Präses Vertraute Briese über Leipzig" angeblich in „London, bey Dodsle« und Compagnie," das in Stendal gedruckt und dessen Verfasser Degenhard Pott war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/567>, abgerufen am 22.07.2024.