Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.Lin reichstreuer Katholik. welche, sich erhebend über Döllingers War"ungsruf, Altar gegen Altar gestellt In gleichem Maße aber verurteilt der Verfasser den "mittelalterlich poli- Es ist nicht geschehen, es konnte nicht geschehen, und so ging ich denn zum In dieser Überzeugung schrieb Baumstark die Schrift "Über das Verhältnis Es stürmte in meiner Seele, während ich in öffentlicher Rede die letzte Lin reichstreuer Katholik. welche, sich erhebend über Döllingers War»ungsruf, Altar gegen Altar gestellt In gleichem Maße aber verurteilt der Verfasser den „mittelalterlich poli- Es ist nicht geschehen, es konnte nicht geschehen, und so ging ich denn zum In dieser Überzeugung schrieb Baumstark die Schrift „Über das Verhältnis Es stürmte in meiner Seele, während ich in öffentlicher Rede die letzte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0544" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153293"/> <fw type="header" place="top"> Lin reichstreuer Katholik.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2114" prev="#ID_2113"> welche, sich erhebend über Döllingers War»ungsruf, Altar gegen Altar gestellt<lb/> haben, waren für mich gerichtet von Anfang an.</p><lb/> <p xml:id="ID_2115"> In gleichem Maße aber verurteilt der Verfasser den „mittelalterlich poli-<lb/> tischen, reaktionären oder jesuitischen Katholizismus" der Ultramontanen; seine<lb/> Überzeugungen und Bestrebungen gelten dein „rein religiösen Katholizismus der<lb/> modernen Welt," und das hängt offenbar, wenigstens in gewissem Grade, mit<lb/> seinem politischen Glaubensbekenntniß zusammen. Baumstark war bis 1870<lb/> ein begeisterter Großdeutscher. Noch vor den ersten Schlachten des deutsch<lb/> französischen Krieges tauchte bei ihm „noch einmal die große Frage aus, ob<lb/> es nicht der habsburgischen Monarchie und Dynastie gelingen könne, das er-<lb/> lösende Wort zu finden und die rettende That zu vollbringen."</p><lb/> <p xml:id="ID_2116"> Es ist nicht geschehen, es konnte nicht geschehen, und so ging ich denn zum<lb/> Kaiser, bevor er noch äußerlich und historisch da war. Bon den ersten siegreiche»<lb/> Schlachte» an war ja der endliche Ausgang nicht mehr zweifelhaft. . . Der Würfel<lb/> war gefallen.... das Gericht Gottes hatte die Leitung der deutschen Nation der<lb/> Krone Preußen anvertraut. Diesem Gottesgerichte mich demütig zu unterwerfe«<lb/> und dabei alle persönlichen, konfessionellen und Naniensantipathien entschlossen nieder¬<lb/> zukämpfen, erschien mir einfach als sittlich-religiöse Pflicht, deren Erfüllung ich nur,<lb/> wie es die Schwäche der menschliche» Natur mit sich bringt, allmählich anzugewöhnen<lb/> hatte. . . . Was den Katholizismus betrifft, so wußte ich schon längst, daß die<lb/> Katholiken in Rheinland und Westfalen, in Schlesien, Posen und Brandenburg<lb/> an Verständnis und Übung des Christentums die Vergleichung mit ihren süd¬<lb/> deutschen Brüdern sehr gut aushalte» können, nud daß bei aufrichtigem und selbst-<lb/> verleugnendem Anschluß an das aus Blut und Ruinen erstehende neue deutsche<lb/> Reich zwar alle Liebhabereien und alle Ideale auf dem Spiele standen, daß aber<lb/> nichts in so geringer Gefahr war als meine Religion.</p><lb/> <p xml:id="ID_2117"> In dieser Überzeugung schrieb Baumstark die Schrift „Über das Verhältnis<lb/> der katholischen Volkspartei zum Kriege gegen Frankreich," und in derselben<lb/> Überzeugung erklärte er als Landtagsabgeordneter, als es der Zustimmung zum<lb/> Beitritt Badens zum deutschen Reiche galt, im Namen seiner Patei, daß er dem¬<lb/> selben zustimme. Gleichwohl ward es ihm schwer.</p><lb/> <p xml:id="ID_2118" next="#ID_2119"> Es stürmte in meiner Seele, während ich in öffentlicher Rede die letzte<lb/> Brücke des großdeutschen Gedankens hinter mir abbrach und auf die vielgeliebten<lb/> Ideale meiner Jugendzeit verzichtete. Aber es gelang mir, mich zu beherrschen<lb/> und so ruhig und kalt zu bleiben, daß Lindau scherzhaft äußerte, es habe ihn bei<lb/> meiner Rede gefroren. Ich sprach ausdrücklich die Worte aus, welche uns ge¬<lb/> brechlichen Mensche» so schwer zu werden pflegen, die Worte- Wir sind besiegt.<lb/> Ich lobhudelte das neue Vertragswerk in keiner Weise; ich rügte die Mängel seiner<lb/> Entstehung, die Mängel sei»es Inhalts vom Standpunkte meiner politischen Partei<lb/> und meines religiösen Bekenntnisses und kam da»» zu folgenden Schlußworten: „Wenn<lb/> wir trotz aller dieser und vielfacher andern Mängel dem Vertragswerk zustimmen, so<lb/> geschieht es deshalb, iveil wir als politische Männer wissen, daß den gegebenen<lb/> Verhältnissen Rechnung getragen werden muß. Wie wir von Anfang an teutsch¬<lb/> gesinnte Männer waren, so wollen wir auch künftighin loyale Bürger des deutscheu<lb/> Reiches sein. Wir wollen uns in das neue Staatsgebäude hineinstellen, nicht ans</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0544]
Lin reichstreuer Katholik.
welche, sich erhebend über Döllingers War»ungsruf, Altar gegen Altar gestellt
haben, waren für mich gerichtet von Anfang an.
In gleichem Maße aber verurteilt der Verfasser den „mittelalterlich poli-
tischen, reaktionären oder jesuitischen Katholizismus" der Ultramontanen; seine
Überzeugungen und Bestrebungen gelten dein „rein religiösen Katholizismus der
modernen Welt," und das hängt offenbar, wenigstens in gewissem Grade, mit
seinem politischen Glaubensbekenntniß zusammen. Baumstark war bis 1870
ein begeisterter Großdeutscher. Noch vor den ersten Schlachten des deutsch
französischen Krieges tauchte bei ihm „noch einmal die große Frage aus, ob
es nicht der habsburgischen Monarchie und Dynastie gelingen könne, das er-
lösende Wort zu finden und die rettende That zu vollbringen."
Es ist nicht geschehen, es konnte nicht geschehen, und so ging ich denn zum
Kaiser, bevor er noch äußerlich und historisch da war. Bon den ersten siegreiche»
Schlachte» an war ja der endliche Ausgang nicht mehr zweifelhaft. . . Der Würfel
war gefallen.... das Gericht Gottes hatte die Leitung der deutschen Nation der
Krone Preußen anvertraut. Diesem Gottesgerichte mich demütig zu unterwerfe«
und dabei alle persönlichen, konfessionellen und Naniensantipathien entschlossen nieder¬
zukämpfen, erschien mir einfach als sittlich-religiöse Pflicht, deren Erfüllung ich nur,
wie es die Schwäche der menschliche» Natur mit sich bringt, allmählich anzugewöhnen
hatte. . . . Was den Katholizismus betrifft, so wußte ich schon längst, daß die
Katholiken in Rheinland und Westfalen, in Schlesien, Posen und Brandenburg
an Verständnis und Übung des Christentums die Vergleichung mit ihren süd¬
deutschen Brüdern sehr gut aushalte» können, nud daß bei aufrichtigem und selbst-
verleugnendem Anschluß an das aus Blut und Ruinen erstehende neue deutsche
Reich zwar alle Liebhabereien und alle Ideale auf dem Spiele standen, daß aber
nichts in so geringer Gefahr war als meine Religion.
In dieser Überzeugung schrieb Baumstark die Schrift „Über das Verhältnis
der katholischen Volkspartei zum Kriege gegen Frankreich," und in derselben
Überzeugung erklärte er als Landtagsabgeordneter, als es der Zustimmung zum
Beitritt Badens zum deutschen Reiche galt, im Namen seiner Patei, daß er dem¬
selben zustimme. Gleichwohl ward es ihm schwer.
Es stürmte in meiner Seele, während ich in öffentlicher Rede die letzte
Brücke des großdeutschen Gedankens hinter mir abbrach und auf die vielgeliebten
Ideale meiner Jugendzeit verzichtete. Aber es gelang mir, mich zu beherrschen
und so ruhig und kalt zu bleiben, daß Lindau scherzhaft äußerte, es habe ihn bei
meiner Rede gefroren. Ich sprach ausdrücklich die Worte aus, welche uns ge¬
brechlichen Mensche» so schwer zu werden pflegen, die Worte- Wir sind besiegt.
Ich lobhudelte das neue Vertragswerk in keiner Weise; ich rügte die Mängel seiner
Entstehung, die Mängel sei»es Inhalts vom Standpunkte meiner politischen Partei
und meines religiösen Bekenntnisses und kam da»» zu folgenden Schlußworten: „Wenn
wir trotz aller dieser und vielfacher andern Mängel dem Vertragswerk zustimmen, so
geschieht es deshalb, iveil wir als politische Männer wissen, daß den gegebenen
Verhältnissen Rechnung getragen werden muß. Wie wir von Anfang an teutsch¬
gesinnte Männer waren, so wollen wir auch künftighin loyale Bürger des deutscheu
Reiches sein. Wir wollen uns in das neue Staatsgebäude hineinstellen, nicht ans
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |