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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Bewegungen im deutschen Buchhandel.

lagsbuchhandel im allgemeinen und von dem Leipziger Kommissionshandel, in
dessen Hände alle Fäden zusammenlaufen, im besondern erwartete und ver¬
langte man Unterstützung in seinen berechtigten Bestrebungen und übersah dabei
nur, daß der Leipziger Kommissionär selbständig wenig thun konnte, indem er
in der That nur Mandatar der wirklichen und natürlichen Beherrscher der
Dinge, der Verleger, sogut wie er der der Sortimenter ist. Er konnte dem Sorti¬
menter nur den Schutz gewähren, zu dem er von den Verlegern autorisire wurde,
und konnte die Schleuderer nur mit der Waffe bekämpfen, die der Verleger
gewillt war ihm in die Hand zu geben.

Gegen den Leipziger Platz standen aber von jeher in einem natürlichen
Antagonismus auch die Vertreter zweier andern wichtigen Zentralplätze, die von
Berlin und von Stuttgart. Es herrschte eine gewisse Rivalität zwischen
diesen drei Plätzen, nicht nur wegen des Anteils am Verkehr, den jeder der drei
selbstverständlich nach Möglichkeit sich zuzuführen bestrebt ist, sondern auch in¬
sofern, als die beiden letztern die Führung gern selbst übernommen hätten, die
Leipzig infolge der bestehenden Einrichtungen in einem gewissen Grade zuge¬
fallen war, und die auch natürlich im Börsenverein, dessen Hauptversammlungen
in Leipzig stattfinden, zur Geltung kam, die es aber durchaus im Interesse der
Gesamtheit ausübte, welches ja das eigne sein mußte.

Diese Antileipziger fanden sich nun in Verfolgung ihrer eignen Inter¬
essen nach dem Gesetze der Schwere mit den gegen die Leipziger Schleu¬
derer anstürmenden Sortimentern zusammen, und eine Zeit lang herrschte Inter-
essengemeinschaft zwischen diesen sich eigentlich opponirenden Elementen der
Svrtimenter im allgemeinen und der durch Ortsinterefse mit ihnen verbundnen
Verleger, die ihren Gravitationspunkt in Berlin und Stuttgart hatten -- solange
bis das gemeinsame Ziel, der Bruch des Leipziger Übergewichts im Börsen¬
verein erreicht war. Er war leicht vollbracht, denn in der That war das vor¬
ausgesetzte Übergewicht Leipzigs nur eine Illusion. Seine Führung hatte
eigentlich nur in der Führung der Geschäfte bestanden, mit der eine Anzahl
von sachkundigen Mitgliedern des Leipziger Buchhandels wiederholt betraut
worden waren, welche zugleich gewohnheitsmäßig den Vorsitz des Leipziger
Vereins führten oder dessen Präsidium nahestanden. Diese hatten allerdings aus
langer Praxis durch parlamentarische Routine in der Leitung der Versammlungen
einen gewissen Einfluß auf diese erworben; das Gros der Leipziger aber war
eigentlich nie eine gcschlossne, gemeinschaftliche partikulare Interessen verfolgende
Korporation oder Partei. Dieselben Gegensätze, welche den Gesamtbuchhandel
im großen zerspalten, spiegelten sich bei ihnen auf engerem Raume, und die ver-
schiednen Interessen der einzelnen Gruppen -- der Sortimenter, Kommissionäre
und Verleger --, die sich nicht einmal äußerlich zu festen Vereinigungen zu¬
sammenschließen, ließen auch hier keine gemeinsame Aktion zustande kommen, ja
man gab sich -- ganz im Gegensatz zu der lebhaften Agitation, die überall


Gr.'nzlww, II. 1883. 6L
Bewegungen im deutschen Buchhandel.

lagsbuchhandel im allgemeinen und von dem Leipziger Kommissionshandel, in
dessen Hände alle Fäden zusammenlaufen, im besondern erwartete und ver¬
langte man Unterstützung in seinen berechtigten Bestrebungen und übersah dabei
nur, daß der Leipziger Kommissionär selbständig wenig thun konnte, indem er
in der That nur Mandatar der wirklichen und natürlichen Beherrscher der
Dinge, der Verleger, sogut wie er der der Sortimenter ist. Er konnte dem Sorti¬
menter nur den Schutz gewähren, zu dem er von den Verlegern autorisire wurde,
und konnte die Schleuderer nur mit der Waffe bekämpfen, die der Verleger
gewillt war ihm in die Hand zu geben.

Gegen den Leipziger Platz standen aber von jeher in einem natürlichen
Antagonismus auch die Vertreter zweier andern wichtigen Zentralplätze, die von
Berlin und von Stuttgart. Es herrschte eine gewisse Rivalität zwischen
diesen drei Plätzen, nicht nur wegen des Anteils am Verkehr, den jeder der drei
selbstverständlich nach Möglichkeit sich zuzuführen bestrebt ist, sondern auch in¬
sofern, als die beiden letztern die Führung gern selbst übernommen hätten, die
Leipzig infolge der bestehenden Einrichtungen in einem gewissen Grade zuge¬
fallen war, und die auch natürlich im Börsenverein, dessen Hauptversammlungen
in Leipzig stattfinden, zur Geltung kam, die es aber durchaus im Interesse der
Gesamtheit ausübte, welches ja das eigne sein mußte.

Diese Antileipziger fanden sich nun in Verfolgung ihrer eignen Inter¬
essen nach dem Gesetze der Schwere mit den gegen die Leipziger Schleu¬
derer anstürmenden Sortimentern zusammen, und eine Zeit lang herrschte Inter-
essengemeinschaft zwischen diesen sich eigentlich opponirenden Elementen der
Svrtimenter im allgemeinen und der durch Ortsinterefse mit ihnen verbundnen
Verleger, die ihren Gravitationspunkt in Berlin und Stuttgart hatten — solange
bis das gemeinsame Ziel, der Bruch des Leipziger Übergewichts im Börsen¬
verein erreicht war. Er war leicht vollbracht, denn in der That war das vor¬
ausgesetzte Übergewicht Leipzigs nur eine Illusion. Seine Führung hatte
eigentlich nur in der Führung der Geschäfte bestanden, mit der eine Anzahl
von sachkundigen Mitgliedern des Leipziger Buchhandels wiederholt betraut
worden waren, welche zugleich gewohnheitsmäßig den Vorsitz des Leipziger
Vereins führten oder dessen Präsidium nahestanden. Diese hatten allerdings aus
langer Praxis durch parlamentarische Routine in der Leitung der Versammlungen
einen gewissen Einfluß auf diese erworben; das Gros der Leipziger aber war
eigentlich nie eine gcschlossne, gemeinschaftliche partikulare Interessen verfolgende
Korporation oder Partei. Dieselben Gegensätze, welche den Gesamtbuchhandel
im großen zerspalten, spiegelten sich bei ihnen auf engerem Raume, und die ver-
schiednen Interessen der einzelnen Gruppen — der Sortimenter, Kommissionäre
und Verleger —, die sich nicht einmal äußerlich zu festen Vereinigungen zu¬
sammenschließen, ließen auch hier keine gemeinsame Aktion zustande kommen, ja
man gab sich — ganz im Gegensatz zu der lebhaften Agitation, die überall


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[0505] Bewegungen im deutschen Buchhandel. lagsbuchhandel im allgemeinen und von dem Leipziger Kommissionshandel, in dessen Hände alle Fäden zusammenlaufen, im besondern erwartete und ver¬ langte man Unterstützung in seinen berechtigten Bestrebungen und übersah dabei nur, daß der Leipziger Kommissionär selbständig wenig thun konnte, indem er in der That nur Mandatar der wirklichen und natürlichen Beherrscher der Dinge, der Verleger, sogut wie er der der Sortimenter ist. Er konnte dem Sorti¬ menter nur den Schutz gewähren, zu dem er von den Verlegern autorisire wurde, und konnte die Schleuderer nur mit der Waffe bekämpfen, die der Verleger gewillt war ihm in die Hand zu geben. Gegen den Leipziger Platz standen aber von jeher in einem natürlichen Antagonismus auch die Vertreter zweier andern wichtigen Zentralplätze, die von Berlin und von Stuttgart. Es herrschte eine gewisse Rivalität zwischen diesen drei Plätzen, nicht nur wegen des Anteils am Verkehr, den jeder der drei selbstverständlich nach Möglichkeit sich zuzuführen bestrebt ist, sondern auch in¬ sofern, als die beiden letztern die Führung gern selbst übernommen hätten, die Leipzig infolge der bestehenden Einrichtungen in einem gewissen Grade zuge¬ fallen war, und die auch natürlich im Börsenverein, dessen Hauptversammlungen in Leipzig stattfinden, zur Geltung kam, die es aber durchaus im Interesse der Gesamtheit ausübte, welches ja das eigne sein mußte. Diese Antileipziger fanden sich nun in Verfolgung ihrer eignen Inter¬ essen nach dem Gesetze der Schwere mit den gegen die Leipziger Schleu¬ derer anstürmenden Sortimentern zusammen, und eine Zeit lang herrschte Inter- essengemeinschaft zwischen diesen sich eigentlich opponirenden Elementen der Svrtimenter im allgemeinen und der durch Ortsinterefse mit ihnen verbundnen Verleger, die ihren Gravitationspunkt in Berlin und Stuttgart hatten — solange bis das gemeinsame Ziel, der Bruch des Leipziger Übergewichts im Börsen¬ verein erreicht war. Er war leicht vollbracht, denn in der That war das vor¬ ausgesetzte Übergewicht Leipzigs nur eine Illusion. Seine Führung hatte eigentlich nur in der Führung der Geschäfte bestanden, mit der eine Anzahl von sachkundigen Mitgliedern des Leipziger Buchhandels wiederholt betraut worden waren, welche zugleich gewohnheitsmäßig den Vorsitz des Leipziger Vereins führten oder dessen Präsidium nahestanden. Diese hatten allerdings aus langer Praxis durch parlamentarische Routine in der Leitung der Versammlungen einen gewissen Einfluß auf diese erworben; das Gros der Leipziger aber war eigentlich nie eine gcschlossne, gemeinschaftliche partikulare Interessen verfolgende Korporation oder Partei. Dieselben Gegensätze, welche den Gesamtbuchhandel im großen zerspalten, spiegelten sich bei ihnen auf engerem Raume, und die ver- schiednen Interessen der einzelnen Gruppen — der Sortimenter, Kommissionäre und Verleger —, die sich nicht einmal äußerlich zu festen Vereinigungen zu¬ sammenschließen, ließen auch hier keine gemeinsame Aktion zustande kommen, ja man gab sich — ganz im Gegensatz zu der lebhaften Agitation, die überall Gr.'nzlww, II. 1883. 6L

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/505>, abgerufen am 29.06.2024.