Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Lewegungen im deutschen Buchhandel.

in dem Geschrei zu liegen, welches sie begleitet. Je größer dies ist, desto ge¬
ringer die Sache. Während über das Tabaksmonopol, welches doch nur für
eine beschränkte Gesellschaftsklasse in seinen fatalen Wirkungen fühlbar sein würde,
die gesamte gebildete und ungebildete Welt Zetermord schreit, hat das Eisen¬
bahnwesen, welches von ungeheuerm Einfluß auf das Eigentum von Tau¬
sende!? war, nur in seinein Entstehen Kämpfe gegen das Privatinteresse zu
führen gehabt; jetzt werden seine Konsequenzen überall gleichgiltig als selbst¬
verständlich hingenommen. Und die That des "Postgeneralsdie faktisch im
kommerziellen Verkehr das unterste zu oberst zu kehren droht und zersplitternd
wirkt wie eine Dynamitmine, ist nicht nur ohne allen Widerstand ins Leben
getreten, sondern wurde sogar von dem Beifall derjenigen begrüßt, in deren
Interessen sie am tiefsten einschneiden sollte.

In welcher Weise zerstörend und umwälzend eine solche dem Anschein nach
geringfügige und bequeme Neuerung auf Einrichtungen wirken kann, die durch
lauge Entwicklung vor äußerem Einflüsse geschützt zu sein und nnr den Gesetzen
der innern Gravitation zu gehorchen scheinen, das zeigt der Zustand, in
welchen ein so festgefügter Bau wie der deutsche Buchhandel in kurzer Zeit
gerate" konnte.

Auf den nachfolgenden Blättern, die sich mit dem Eindrucke, welchen die
veränderten Verkehrsbedingungen auf die buchhändlerischen Verhältnisse hervor¬
gebracht haben, und mit den Bewegungen und Kämpfen und den sonstigen
Folgen, die sie veranlaßt haben, beschäftigen sollen, werden Angelegenheiten
zur Sprache kommen, von denen man behaupten könnte, sie gehörten als In-
terna einer geschlossenen Berufsgenossenschaft nicht vor das Forum der Öffent¬
lichkeit. Uns aber scheint es, daß gerade die Angelegenheiten des Buchhandels,
mit deren Prosperiren das der besten Güter der Nation so eng verknüpft ist,
der allgemeinen Beachtung würdig sind, und daß vor allem der Leserkreis, an
welchen sich diese Blätter wenden, das lebhafteste Interesse an den Vorgänge"
nehmen muß, welche sich im Buchhandel abspielen.

Daß sich Bewegungen im Buchhandel entwickelt haben, welche nicht nur
dessen bestehende Einrichtungen umzustürzen, sondern auch von verhängnisvoller
Einwirkung auf die geistige Produktion selbst zu werden drohen, davon ist die
Kenntnis bereits in weite Kreise gedrungen. Man hört auch von Nichtbuchhändlern
die Fragen erörtern, welche den Buchhandel bewegen, aber die Komplizirtheit
der Verhältnisse gestattet den Außenstehenden kaum, sich ein richtiges Bild der
Sachlage und ihrer Konsequenzen zu machen -- herrscht doch selbst in den zu¬
nächst beteiligten Kreisen noch vielfach Unklarheit über die nahenden Gefahren
und über die Mittel, ihnen zu begegne". Es wird deshalb nicht überflüssig
sein, wenn einmal an solcher Stelle wie dies Blatt ans diese Fragen eingegangen
wird-, vielleicht trägt es zur Klärung und zum Entschluß in den nächstbetei¬
ligte" Kreisen selbst bei.


Lewegungen im deutschen Buchhandel.

in dem Geschrei zu liegen, welches sie begleitet. Je größer dies ist, desto ge¬
ringer die Sache. Während über das Tabaksmonopol, welches doch nur für
eine beschränkte Gesellschaftsklasse in seinen fatalen Wirkungen fühlbar sein würde,
die gesamte gebildete und ungebildete Welt Zetermord schreit, hat das Eisen¬
bahnwesen, welches von ungeheuerm Einfluß auf das Eigentum von Tau¬
sende!? war, nur in seinein Entstehen Kämpfe gegen das Privatinteresse zu
führen gehabt; jetzt werden seine Konsequenzen überall gleichgiltig als selbst¬
verständlich hingenommen. Und die That des „Postgeneralsdie faktisch im
kommerziellen Verkehr das unterste zu oberst zu kehren droht und zersplitternd
wirkt wie eine Dynamitmine, ist nicht nur ohne allen Widerstand ins Leben
getreten, sondern wurde sogar von dem Beifall derjenigen begrüßt, in deren
Interessen sie am tiefsten einschneiden sollte.

In welcher Weise zerstörend und umwälzend eine solche dem Anschein nach
geringfügige und bequeme Neuerung auf Einrichtungen wirken kann, die durch
lauge Entwicklung vor äußerem Einflüsse geschützt zu sein und nnr den Gesetzen
der innern Gravitation zu gehorchen scheinen, das zeigt der Zustand, in
welchen ein so festgefügter Bau wie der deutsche Buchhandel in kurzer Zeit
gerate» konnte.

Auf den nachfolgenden Blättern, die sich mit dem Eindrucke, welchen die
veränderten Verkehrsbedingungen auf die buchhändlerischen Verhältnisse hervor¬
gebracht haben, und mit den Bewegungen und Kämpfen und den sonstigen
Folgen, die sie veranlaßt haben, beschäftigen sollen, werden Angelegenheiten
zur Sprache kommen, von denen man behaupten könnte, sie gehörten als In-
terna einer geschlossenen Berufsgenossenschaft nicht vor das Forum der Öffent¬
lichkeit. Uns aber scheint es, daß gerade die Angelegenheiten des Buchhandels,
mit deren Prosperiren das der besten Güter der Nation so eng verknüpft ist,
der allgemeinen Beachtung würdig sind, und daß vor allem der Leserkreis, an
welchen sich diese Blätter wenden, das lebhafteste Interesse an den Vorgänge»
nehmen muß, welche sich im Buchhandel abspielen.

Daß sich Bewegungen im Buchhandel entwickelt haben, welche nicht nur
dessen bestehende Einrichtungen umzustürzen, sondern auch von verhängnisvoller
Einwirkung auf die geistige Produktion selbst zu werden drohen, davon ist die
Kenntnis bereits in weite Kreise gedrungen. Man hört auch von Nichtbuchhändlern
die Fragen erörtern, welche den Buchhandel bewegen, aber die Komplizirtheit
der Verhältnisse gestattet den Außenstehenden kaum, sich ein richtiges Bild der
Sachlage und ihrer Konsequenzen zu machen — herrscht doch selbst in den zu¬
nächst beteiligten Kreisen noch vielfach Unklarheit über die nahenden Gefahren
und über die Mittel, ihnen zu begegne». Es wird deshalb nicht überflüssig
sein, wenn einmal an solcher Stelle wie dies Blatt ans diese Fragen eingegangen
wird-, vielleicht trägt es zur Klärung und zum Entschluß in den nächstbetei¬
ligte» Kreisen selbst bei.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0438" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153187"/>
          <fw type="header" place="top"> Lewegungen im deutschen Buchhandel.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1724" prev="#ID_1723"> in dem Geschrei zu liegen, welches sie begleitet. Je größer dies ist, desto ge¬<lb/>
ringer die Sache. Während über das Tabaksmonopol, welches doch nur für<lb/>
eine beschränkte Gesellschaftsklasse in seinen fatalen Wirkungen fühlbar sein würde,<lb/>
die gesamte gebildete und ungebildete Welt Zetermord schreit, hat das Eisen¬<lb/>
bahnwesen, welches von ungeheuerm Einfluß auf das Eigentum von Tau¬<lb/>
sende!? war, nur in seinein Entstehen Kämpfe gegen das Privatinteresse zu<lb/>
führen gehabt; jetzt werden seine Konsequenzen überall gleichgiltig als selbst¬<lb/>
verständlich hingenommen. Und die That des &#x201E;Postgeneralsdie faktisch im<lb/>
kommerziellen Verkehr das unterste zu oberst zu kehren droht und zersplitternd<lb/>
wirkt wie eine Dynamitmine, ist nicht nur ohne allen Widerstand ins Leben<lb/>
getreten, sondern wurde sogar von dem Beifall derjenigen begrüßt, in deren<lb/>
Interessen sie am tiefsten einschneiden sollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1725"> In welcher Weise zerstörend und umwälzend eine solche dem Anschein nach<lb/>
geringfügige und bequeme Neuerung auf Einrichtungen wirken kann, die durch<lb/>
lauge Entwicklung vor äußerem Einflüsse geschützt zu sein und nnr den Gesetzen<lb/>
der innern Gravitation zu gehorchen scheinen, das zeigt der Zustand, in<lb/>
welchen ein so festgefügter Bau wie der deutsche Buchhandel in kurzer Zeit<lb/>
gerate» konnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1726"> Auf den nachfolgenden Blättern, die sich mit dem Eindrucke, welchen die<lb/>
veränderten Verkehrsbedingungen auf die buchhändlerischen Verhältnisse hervor¬<lb/>
gebracht haben, und mit den Bewegungen und Kämpfen und den sonstigen<lb/>
Folgen, die sie veranlaßt haben, beschäftigen sollen, werden Angelegenheiten<lb/>
zur Sprache kommen, von denen man behaupten könnte, sie gehörten als In-<lb/>
terna einer geschlossenen Berufsgenossenschaft nicht vor das Forum der Öffent¬<lb/>
lichkeit. Uns aber scheint es, daß gerade die Angelegenheiten des Buchhandels,<lb/>
mit deren Prosperiren das der besten Güter der Nation so eng verknüpft ist,<lb/>
der allgemeinen Beachtung würdig sind, und daß vor allem der Leserkreis, an<lb/>
welchen sich diese Blätter wenden, das lebhafteste Interesse an den Vorgänge»<lb/>
nehmen muß, welche sich im Buchhandel abspielen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1727"> Daß sich Bewegungen im Buchhandel entwickelt haben, welche nicht nur<lb/>
dessen bestehende Einrichtungen umzustürzen, sondern auch von verhängnisvoller<lb/>
Einwirkung auf die geistige Produktion selbst zu werden drohen, davon ist die<lb/>
Kenntnis bereits in weite Kreise gedrungen. Man hört auch von Nichtbuchhändlern<lb/>
die Fragen erörtern, welche den Buchhandel bewegen, aber die Komplizirtheit<lb/>
der Verhältnisse gestattet den Außenstehenden kaum, sich ein richtiges Bild der<lb/>
Sachlage und ihrer Konsequenzen zu machen &#x2014; herrscht doch selbst in den zu¬<lb/>
nächst beteiligten Kreisen noch vielfach Unklarheit über die nahenden Gefahren<lb/>
und über die Mittel, ihnen zu begegne». Es wird deshalb nicht überflüssig<lb/>
sein, wenn einmal an solcher Stelle wie dies Blatt ans diese Fragen eingegangen<lb/>
wird-, vielleicht trägt es zur Klärung und zum Entschluß in den nächstbetei¬<lb/>
ligte» Kreisen selbst bei.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0438] Lewegungen im deutschen Buchhandel. in dem Geschrei zu liegen, welches sie begleitet. Je größer dies ist, desto ge¬ ringer die Sache. Während über das Tabaksmonopol, welches doch nur für eine beschränkte Gesellschaftsklasse in seinen fatalen Wirkungen fühlbar sein würde, die gesamte gebildete und ungebildete Welt Zetermord schreit, hat das Eisen¬ bahnwesen, welches von ungeheuerm Einfluß auf das Eigentum von Tau¬ sende!? war, nur in seinein Entstehen Kämpfe gegen das Privatinteresse zu führen gehabt; jetzt werden seine Konsequenzen überall gleichgiltig als selbst¬ verständlich hingenommen. Und die That des „Postgeneralsdie faktisch im kommerziellen Verkehr das unterste zu oberst zu kehren droht und zersplitternd wirkt wie eine Dynamitmine, ist nicht nur ohne allen Widerstand ins Leben getreten, sondern wurde sogar von dem Beifall derjenigen begrüßt, in deren Interessen sie am tiefsten einschneiden sollte. In welcher Weise zerstörend und umwälzend eine solche dem Anschein nach geringfügige und bequeme Neuerung auf Einrichtungen wirken kann, die durch lauge Entwicklung vor äußerem Einflüsse geschützt zu sein und nnr den Gesetzen der innern Gravitation zu gehorchen scheinen, das zeigt der Zustand, in welchen ein so festgefügter Bau wie der deutsche Buchhandel in kurzer Zeit gerate» konnte. Auf den nachfolgenden Blättern, die sich mit dem Eindrucke, welchen die veränderten Verkehrsbedingungen auf die buchhändlerischen Verhältnisse hervor¬ gebracht haben, und mit den Bewegungen und Kämpfen und den sonstigen Folgen, die sie veranlaßt haben, beschäftigen sollen, werden Angelegenheiten zur Sprache kommen, von denen man behaupten könnte, sie gehörten als In- terna einer geschlossenen Berufsgenossenschaft nicht vor das Forum der Öffent¬ lichkeit. Uns aber scheint es, daß gerade die Angelegenheiten des Buchhandels, mit deren Prosperiren das der besten Güter der Nation so eng verknüpft ist, der allgemeinen Beachtung würdig sind, und daß vor allem der Leserkreis, an welchen sich diese Blätter wenden, das lebhafteste Interesse an den Vorgänge» nehmen muß, welche sich im Buchhandel abspielen. Daß sich Bewegungen im Buchhandel entwickelt haben, welche nicht nur dessen bestehende Einrichtungen umzustürzen, sondern auch von verhängnisvoller Einwirkung auf die geistige Produktion selbst zu werden drohen, davon ist die Kenntnis bereits in weite Kreise gedrungen. Man hört auch von Nichtbuchhändlern die Fragen erörtern, welche den Buchhandel bewegen, aber die Komplizirtheit der Verhältnisse gestattet den Außenstehenden kaum, sich ein richtiges Bild der Sachlage und ihrer Konsequenzen zu machen — herrscht doch selbst in den zu¬ nächst beteiligten Kreisen noch vielfach Unklarheit über die nahenden Gefahren und über die Mittel, ihnen zu begegne». Es wird deshalb nicht überflüssig sein, wenn einmal an solcher Stelle wie dies Blatt ans diese Fragen eingegangen wird-, vielleicht trägt es zur Klärung und zum Entschluß in den nächstbetei¬ ligte» Kreisen selbst bei.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/438
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/438>, abgerufen am 01.07.2024.