Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.Bismarcks Inkonsequenz in: Streite mit den Ultramontanen. letztern hätte stellen sollen, ihm aber ihren Beistand niemals voll zu Teil Inzwischen waren die Pläne des Kanzlers zur Umgestaltung der wirt¬ Bismarcks Inkonsequenz in: Streite mit den Ultramontanen. letztern hätte stellen sollen, ihm aber ihren Beistand niemals voll zu Teil Inzwischen waren die Pläne des Kanzlers zur Umgestaltung der wirt¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0436" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153185"/> <fw type="header" place="top"> Bismarcks Inkonsequenz in: Streite mit den Ultramontanen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1719" prev="#ID_1718"> letztern hätte stellen sollen, ihm aber ihren Beistand niemals voll zu Teil<lb/> werden ließ.</p><lb/> <p xml:id="ID_1720" next="#ID_1721"> Inzwischen waren die Pläne des Kanzlers zur Umgestaltung der wirt¬<lb/> schaftlichen Einrichtungen des Reiches gereift, und zu diesem Zwecke suchte er<lb/> sich die Mitwirkung der Nationalliberalen zu verschaffen. Bennigsen, mit dem<lb/> er darüber verhandelte, wollte sich nicht allein entscheiden, er nahm die Vor¬<lb/> schläge Bismarcks einfach entgegen, um sich darüber mit rudern Führern seiner<lb/> Partei zu besprechen. Dies geschah, und einige Tage nachher wurde von den<lb/> Blättern der Nationalliberalen die Parole „konstitutionelle Garantien" aus¬<lb/> gegeben. Es war der deutliche Ausdruck des nie ganz geschwundenen und vom<lb/> linken Flügel der Partei wiederholt schon geäußerten Gefühls, daß man im<lb/> Reichskanzler nicht sowohl einen Freund und Mitarbeiter, als einen Gegner<lb/> vor sich habe, dem man sich nur mit größter Vorsicht weiter nähern dürfe, und<lb/> dessen Vorschläge man mit allerlei Kautelen durchspicken müsse, wenn sie für<lb/> die Macht des Parlaments ungefährlich sein sollten. Das Verlangen nach jenen<lb/> Garantien schmeckte halb nach der Denkart eines Handelsmannes, halb nach der<lb/> eines Advokaten. Es war ein merkantiles Geschäft, das offenbar von Herrn<lb/> Laster angeraten worden war, welcher schon 1863 bemerkt hatte, daß man end¬<lb/> lich auch „Volksrechte" fordern und gewähren müsse. Jetzt, wo man als be¬<lb/> gehrt, als notwendig und unumgänglich erschien, war, wie Herr Laster meinte,<lb/> die Zeit gekommen, diese günstige Konjunktur kaufmännisch auszunutzen und der<lb/> Regierung abzudrücken, was man wünschte. Der Kanzler aber lehnte das Ver¬<lb/> langen als unerfüllbar ab, und von jetzt an verwandelten sich die National¬<lb/> liberalen in eine Partei, die fast in allen Fragen, welche den Reichstag und<lb/> den Landtag beschäftigten, mehr oder minder entschieden mit der Opposition<lb/> stimmte und der Regierung bisweilen die natürlichsten Dinge abschlug, lediglich<lb/> um einen Druck auf sie auszuüben. Das Ausscheiden des linken Flügels aus<lb/> dem Fraktionsverbande änderte daran wenig. Die ganze Partei war von der<lb/> alten Mißgunst erfüllt, und ihre Blätter verrieten dies deutlich, wenn sie die<lb/> Sache auch in allerlei Phrasen hüllten. Man hatte die Gelegenheit benutzen<lb/> wollen, sich zu höherer Geltung, zur Mitherrschaft zu verhelfen, und als das<lb/> mißlungen, wollte man dem spröden Kanzler dadurch, daß man ihm Hindernisse<lb/> in den Weg legte, wenigstens zeigen, daß man eine Macht sei, die schaden<lb/> könne und die durch Zugeständnisse gewonnen werden müsse. Daß der wahre<lb/> Fortschritt darunter litt, der Ausbau des Reiches gehemmt wurde, war Neben¬<lb/> sache, es galt den Fortschritt des Parlamentarismus über die Verfassung hinaus,<lb/> die Erweiterung der Befugnis der Herren am Dönhofsplatz und auf der Leip¬<lb/> ziger Straße und zunächst die Befriedigung des Ehrgeizes der Parteiführer.<lb/> Fürst Bismarck aber hat seit Beginn dieses Auftretens der Nationalliberalcn<lb/> nur stärker als früher empfunden, daß sie unzuverlässige Bundesgenossen sind,<lb/> und im übrigen mit Hilfe andrer wesentliche Punkte seines reformatorischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0436]
Bismarcks Inkonsequenz in: Streite mit den Ultramontanen.
letztern hätte stellen sollen, ihm aber ihren Beistand niemals voll zu Teil
werden ließ.
Inzwischen waren die Pläne des Kanzlers zur Umgestaltung der wirt¬
schaftlichen Einrichtungen des Reiches gereift, und zu diesem Zwecke suchte er
sich die Mitwirkung der Nationalliberalen zu verschaffen. Bennigsen, mit dem
er darüber verhandelte, wollte sich nicht allein entscheiden, er nahm die Vor¬
schläge Bismarcks einfach entgegen, um sich darüber mit rudern Führern seiner
Partei zu besprechen. Dies geschah, und einige Tage nachher wurde von den
Blättern der Nationalliberalen die Parole „konstitutionelle Garantien" aus¬
gegeben. Es war der deutliche Ausdruck des nie ganz geschwundenen und vom
linken Flügel der Partei wiederholt schon geäußerten Gefühls, daß man im
Reichskanzler nicht sowohl einen Freund und Mitarbeiter, als einen Gegner
vor sich habe, dem man sich nur mit größter Vorsicht weiter nähern dürfe, und
dessen Vorschläge man mit allerlei Kautelen durchspicken müsse, wenn sie für
die Macht des Parlaments ungefährlich sein sollten. Das Verlangen nach jenen
Garantien schmeckte halb nach der Denkart eines Handelsmannes, halb nach der
eines Advokaten. Es war ein merkantiles Geschäft, das offenbar von Herrn
Laster angeraten worden war, welcher schon 1863 bemerkt hatte, daß man end¬
lich auch „Volksrechte" fordern und gewähren müsse. Jetzt, wo man als be¬
gehrt, als notwendig und unumgänglich erschien, war, wie Herr Laster meinte,
die Zeit gekommen, diese günstige Konjunktur kaufmännisch auszunutzen und der
Regierung abzudrücken, was man wünschte. Der Kanzler aber lehnte das Ver¬
langen als unerfüllbar ab, und von jetzt an verwandelten sich die National¬
liberalen in eine Partei, die fast in allen Fragen, welche den Reichstag und
den Landtag beschäftigten, mehr oder minder entschieden mit der Opposition
stimmte und der Regierung bisweilen die natürlichsten Dinge abschlug, lediglich
um einen Druck auf sie auszuüben. Das Ausscheiden des linken Flügels aus
dem Fraktionsverbande änderte daran wenig. Die ganze Partei war von der
alten Mißgunst erfüllt, und ihre Blätter verrieten dies deutlich, wenn sie die
Sache auch in allerlei Phrasen hüllten. Man hatte die Gelegenheit benutzen
wollen, sich zu höherer Geltung, zur Mitherrschaft zu verhelfen, und als das
mißlungen, wollte man dem spröden Kanzler dadurch, daß man ihm Hindernisse
in den Weg legte, wenigstens zeigen, daß man eine Macht sei, die schaden
könne und die durch Zugeständnisse gewonnen werden müsse. Daß der wahre
Fortschritt darunter litt, der Ausbau des Reiches gehemmt wurde, war Neben¬
sache, es galt den Fortschritt des Parlamentarismus über die Verfassung hinaus,
die Erweiterung der Befugnis der Herren am Dönhofsplatz und auf der Leip¬
ziger Straße und zunächst die Befriedigung des Ehrgeizes der Parteiführer.
Fürst Bismarck aber hat seit Beginn dieses Auftretens der Nationalliberalcn
nur stärker als früher empfunden, daß sie unzuverlässige Bundesgenossen sind,
und im übrigen mit Hilfe andrer wesentliche Punkte seines reformatorischen
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