Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Drei Antworten.

Bücher mit "ach Hause nehmen, denn er hat als fast vereinzelt dastehende Eigen¬
art seines Berufs zwei Werkstätten, in denen er dasselbe Handwerkszeug braucht.
Er bedarf ihrer zu deu "Hausarbeiten."

Ach, mein Verehrtester rMeriÄrmlias, was sagen Sie zu diesem Kapitel?
Was meinen Sie als Mann ohne alle pädagogische Voreingenommenheit zu
folgendem Gedankenerguß?

Die Gebäude unsrer höhern Schulen find zum allergrößten Teile geräumig,
licht am Tag und am Abend, gut ventilirt und normal heizungsfähig; sie enthalten
Musterschulbänke, auf denen allerdings noch hie und da die Schüler nach ihrer
vermeintlichen geistigen, aber nicht nach der Körpergröße geordnet sind, obwohl
die letztere faktisch einmal in einer Klasse zwischen 190 und 130 Centimetern
differiren kann. Es ist ein Lehrerzimmer da, welches den nichtbeschäftigten Lehrern
ermöglicht, Korrekturen und andre Arbeiten zu erledigen, und die Schullokale
sind weitaus geeigneter zu Privatarbeiten der Schüler als das Haus. (Aus
meinen Schülerbesucheu könnte ich ergötzliche Dinge erzählen, inwieweit die häus¬
liche Einrichtung dem Schüler das Arbeiten ermöglicht.)

Wie nun, wenn man in dem Satze: "Häusliche Arbeit ist zur Befestigung
und Übung des in der Schule Gelernten nicht zu entbehren!" statt des Wortes
"häuslich" das Wort "Privat-" oder "Schul-" setzte und in dem Satze: "Das
Haus muß die private Thätigkeit der Jugend mit Gewissenhaftigkeit überwachen!"
das Wort "Haus" durch das Wort "Schule" ersetzte und die sechste, fünfte und
vierte Klasse 1--2 Stunden, die dritte, zweite und erste Klasse 2--3 Stunden
täglich länger in der Schule festhielte und dabei natürlich richtige Pausen mit
Spielen zwischen die auf sechs Arbeitstage verteilten Stunden einlegte? Wie, wenn
die Lehrer statt der Eltern jene Überwachung übernahmen und auch nicht wie
bisher den Korrekturärger mit den Heften und die halbe Lehrerbibliothek zur
Vorbereitung ins stille Heim sich tragen ließen? Wie, wenn man mit diesen
Einrichtungen bei der untersten Klasse und bei dem jungen Anflug der Lehrer¬
schaft begänne? Dann würde sich nach und nach ein Halbinternat als die
unsrer Ansicht nach beste Form der yöhern Schule herausbilden. Der Schule
käme zu, was der Schule ist, und dem Hause, was des Hauses ist, und dem
letztern wahrlich noch genug am Gesamtwerke der Erziehung. Die Lehrer wären
viel öfter in Gemeinschaft und flögen nicht von Stunde zu Stunde ein und
aus, während nur der Direktor immer am Orte seiner Arbeit zu finden ist.
An Stelle der leidigen Pflichtstundenzahl träte eine gehörige Amts- und Ex¬
peditionszeit, auf welche wirkliche Ruhe und Erholung folgen würden. Entweder
Lehrer und Schüler gingen nach dem Tagewerke befriedigt nach Hause, weil sie
sich sagten: Unsre Berufspflichten für den Tag sind vollständig erledigt; ich,
Lehrer, kann nun meiner Familie leben, den Pegasus oder irgend ein andres
Pferd reiten, einem längst gefühlten Bedürfnis bez. eines neuen Lehrbuchs ab¬
helfen, oder auch der Geselligkeit leben; ich, Schüler, kann nun mit Vater, Mutter


Drei Antworten.

Bücher mit »ach Hause nehmen, denn er hat als fast vereinzelt dastehende Eigen¬
art seines Berufs zwei Werkstätten, in denen er dasselbe Handwerkszeug braucht.
Er bedarf ihrer zu deu „Hausarbeiten."

Ach, mein Verehrtester rMeriÄrmlias, was sagen Sie zu diesem Kapitel?
Was meinen Sie als Mann ohne alle pädagogische Voreingenommenheit zu
folgendem Gedankenerguß?

Die Gebäude unsrer höhern Schulen find zum allergrößten Teile geräumig,
licht am Tag und am Abend, gut ventilirt und normal heizungsfähig; sie enthalten
Musterschulbänke, auf denen allerdings noch hie und da die Schüler nach ihrer
vermeintlichen geistigen, aber nicht nach der Körpergröße geordnet sind, obwohl
die letztere faktisch einmal in einer Klasse zwischen 190 und 130 Centimetern
differiren kann. Es ist ein Lehrerzimmer da, welches den nichtbeschäftigten Lehrern
ermöglicht, Korrekturen und andre Arbeiten zu erledigen, und die Schullokale
sind weitaus geeigneter zu Privatarbeiten der Schüler als das Haus. (Aus
meinen Schülerbesucheu könnte ich ergötzliche Dinge erzählen, inwieweit die häus¬
liche Einrichtung dem Schüler das Arbeiten ermöglicht.)

Wie nun, wenn man in dem Satze: „Häusliche Arbeit ist zur Befestigung
und Übung des in der Schule Gelernten nicht zu entbehren!" statt des Wortes
„häuslich" das Wort „Privat-" oder „Schul-" setzte und in dem Satze: „Das
Haus muß die private Thätigkeit der Jugend mit Gewissenhaftigkeit überwachen!"
das Wort „Haus" durch das Wort „Schule" ersetzte und die sechste, fünfte und
vierte Klasse 1—2 Stunden, die dritte, zweite und erste Klasse 2—3 Stunden
täglich länger in der Schule festhielte und dabei natürlich richtige Pausen mit
Spielen zwischen die auf sechs Arbeitstage verteilten Stunden einlegte? Wie, wenn
die Lehrer statt der Eltern jene Überwachung übernahmen und auch nicht wie
bisher den Korrekturärger mit den Heften und die halbe Lehrerbibliothek zur
Vorbereitung ins stille Heim sich tragen ließen? Wie, wenn man mit diesen
Einrichtungen bei der untersten Klasse und bei dem jungen Anflug der Lehrer¬
schaft begänne? Dann würde sich nach und nach ein Halbinternat als die
unsrer Ansicht nach beste Form der yöhern Schule herausbilden. Der Schule
käme zu, was der Schule ist, und dem Hause, was des Hauses ist, und dem
letztern wahrlich noch genug am Gesamtwerke der Erziehung. Die Lehrer wären
viel öfter in Gemeinschaft und flögen nicht von Stunde zu Stunde ein und
aus, während nur der Direktor immer am Orte seiner Arbeit zu finden ist.
An Stelle der leidigen Pflichtstundenzahl träte eine gehörige Amts- und Ex¬
peditionszeit, auf welche wirkliche Ruhe und Erholung folgen würden. Entweder
Lehrer und Schüler gingen nach dem Tagewerke befriedigt nach Hause, weil sie
sich sagten: Unsre Berufspflichten für den Tag sind vollständig erledigt; ich,
Lehrer, kann nun meiner Familie leben, den Pegasus oder irgend ein andres
Pferd reiten, einem längst gefühlten Bedürfnis bez. eines neuen Lehrbuchs ab¬
helfen, oder auch der Geselligkeit leben; ich, Schüler, kann nun mit Vater, Mutter


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0368" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153117"/>
            <fw type="header" place="top"> Drei Antworten.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1450" prev="#ID_1449"> Bücher mit »ach Hause nehmen, denn er hat als fast vereinzelt dastehende Eigen¬<lb/>
art seines Berufs zwei Werkstätten, in denen er dasselbe Handwerkszeug braucht.<lb/>
Er bedarf ihrer zu deu &#x201E;Hausarbeiten."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1451"> Ach, mein Verehrtester rMeriÄrmlias, was sagen Sie zu diesem Kapitel?<lb/>
Was meinen Sie als Mann ohne alle pädagogische Voreingenommenheit zu<lb/>
folgendem Gedankenerguß?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1452"> Die Gebäude unsrer höhern Schulen find zum allergrößten Teile geräumig,<lb/>
licht am Tag und am Abend, gut ventilirt und normal heizungsfähig; sie enthalten<lb/>
Musterschulbänke, auf denen allerdings noch hie und da die Schüler nach ihrer<lb/>
vermeintlichen geistigen, aber nicht nach der Körpergröße geordnet sind, obwohl<lb/>
die letztere faktisch einmal in einer Klasse zwischen 190 und 130 Centimetern<lb/>
differiren kann. Es ist ein Lehrerzimmer da, welches den nichtbeschäftigten Lehrern<lb/>
ermöglicht, Korrekturen und andre Arbeiten zu erledigen, und die Schullokale<lb/>
sind weitaus geeigneter zu Privatarbeiten der Schüler als das Haus. (Aus<lb/>
meinen Schülerbesucheu könnte ich ergötzliche Dinge erzählen, inwieweit die häus¬<lb/>
liche Einrichtung dem Schüler das Arbeiten ermöglicht.)</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1453" next="#ID_1454"> Wie nun, wenn man in dem Satze: &#x201E;Häusliche Arbeit ist zur Befestigung<lb/>
und Übung des in der Schule Gelernten nicht zu entbehren!" statt des Wortes<lb/>
&#x201E;häuslich" das Wort &#x201E;Privat-" oder &#x201E;Schul-" setzte und in dem Satze: &#x201E;Das<lb/>
Haus muß die private Thätigkeit der Jugend mit Gewissenhaftigkeit überwachen!"<lb/>
das Wort &#x201E;Haus" durch das Wort &#x201E;Schule" ersetzte und die sechste, fünfte und<lb/>
vierte Klasse 1&#x2014;2 Stunden, die dritte, zweite und erste Klasse 2&#x2014;3 Stunden<lb/>
täglich länger in der Schule festhielte und dabei natürlich richtige Pausen mit<lb/>
Spielen zwischen die auf sechs Arbeitstage verteilten Stunden einlegte? Wie, wenn<lb/>
die Lehrer statt der Eltern jene Überwachung übernahmen und auch nicht wie<lb/>
bisher den Korrekturärger mit den Heften und die halbe Lehrerbibliothek zur<lb/>
Vorbereitung ins stille Heim sich tragen ließen? Wie, wenn man mit diesen<lb/>
Einrichtungen bei der untersten Klasse und bei dem jungen Anflug der Lehrer¬<lb/>
schaft begänne? Dann würde sich nach und nach ein Halbinternat als die<lb/>
unsrer Ansicht nach beste Form der yöhern Schule herausbilden. Der Schule<lb/>
käme zu, was der Schule ist, und dem Hause, was des Hauses ist, und dem<lb/>
letztern wahrlich noch genug am Gesamtwerke der Erziehung. Die Lehrer wären<lb/>
viel öfter in Gemeinschaft und flögen nicht von Stunde zu Stunde ein und<lb/>
aus, während nur der Direktor immer am Orte seiner Arbeit zu finden ist.<lb/>
An Stelle der leidigen Pflichtstundenzahl träte eine gehörige Amts- und Ex¬<lb/>
peditionszeit, auf welche wirkliche Ruhe und Erholung folgen würden. Entweder<lb/>
Lehrer und Schüler gingen nach dem Tagewerke befriedigt nach Hause, weil sie<lb/>
sich sagten: Unsre Berufspflichten für den Tag sind vollständig erledigt; ich,<lb/>
Lehrer, kann nun meiner Familie leben, den Pegasus oder irgend ein andres<lb/>
Pferd reiten, einem längst gefühlten Bedürfnis bez. eines neuen Lehrbuchs ab¬<lb/>
helfen, oder auch der Geselligkeit leben; ich, Schüler, kann nun mit Vater, Mutter</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0368] Drei Antworten. Bücher mit »ach Hause nehmen, denn er hat als fast vereinzelt dastehende Eigen¬ art seines Berufs zwei Werkstätten, in denen er dasselbe Handwerkszeug braucht. Er bedarf ihrer zu deu „Hausarbeiten." Ach, mein Verehrtester rMeriÄrmlias, was sagen Sie zu diesem Kapitel? Was meinen Sie als Mann ohne alle pädagogische Voreingenommenheit zu folgendem Gedankenerguß? Die Gebäude unsrer höhern Schulen find zum allergrößten Teile geräumig, licht am Tag und am Abend, gut ventilirt und normal heizungsfähig; sie enthalten Musterschulbänke, auf denen allerdings noch hie und da die Schüler nach ihrer vermeintlichen geistigen, aber nicht nach der Körpergröße geordnet sind, obwohl die letztere faktisch einmal in einer Klasse zwischen 190 und 130 Centimetern differiren kann. Es ist ein Lehrerzimmer da, welches den nichtbeschäftigten Lehrern ermöglicht, Korrekturen und andre Arbeiten zu erledigen, und die Schullokale sind weitaus geeigneter zu Privatarbeiten der Schüler als das Haus. (Aus meinen Schülerbesucheu könnte ich ergötzliche Dinge erzählen, inwieweit die häus¬ liche Einrichtung dem Schüler das Arbeiten ermöglicht.) Wie nun, wenn man in dem Satze: „Häusliche Arbeit ist zur Befestigung und Übung des in der Schule Gelernten nicht zu entbehren!" statt des Wortes „häuslich" das Wort „Privat-" oder „Schul-" setzte und in dem Satze: „Das Haus muß die private Thätigkeit der Jugend mit Gewissenhaftigkeit überwachen!" das Wort „Haus" durch das Wort „Schule" ersetzte und die sechste, fünfte und vierte Klasse 1—2 Stunden, die dritte, zweite und erste Klasse 2—3 Stunden täglich länger in der Schule festhielte und dabei natürlich richtige Pausen mit Spielen zwischen die auf sechs Arbeitstage verteilten Stunden einlegte? Wie, wenn die Lehrer statt der Eltern jene Überwachung übernahmen und auch nicht wie bisher den Korrekturärger mit den Heften und die halbe Lehrerbibliothek zur Vorbereitung ins stille Heim sich tragen ließen? Wie, wenn man mit diesen Einrichtungen bei der untersten Klasse und bei dem jungen Anflug der Lehrer¬ schaft begänne? Dann würde sich nach und nach ein Halbinternat als die unsrer Ansicht nach beste Form der yöhern Schule herausbilden. Der Schule käme zu, was der Schule ist, und dem Hause, was des Hauses ist, und dem letztern wahrlich noch genug am Gesamtwerke der Erziehung. Die Lehrer wären viel öfter in Gemeinschaft und flögen nicht von Stunde zu Stunde ein und aus, während nur der Direktor immer am Orte seiner Arbeit zu finden ist. An Stelle der leidigen Pflichtstundenzahl träte eine gehörige Amts- und Ex¬ peditionszeit, auf welche wirkliche Ruhe und Erholung folgen würden. Entweder Lehrer und Schüler gingen nach dem Tagewerke befriedigt nach Hause, weil sie sich sagten: Unsre Berufspflichten für den Tag sind vollständig erledigt; ich, Lehrer, kann nun meiner Familie leben, den Pegasus oder irgend ein andres Pferd reiten, einem längst gefühlten Bedürfnis bez. eines neuen Lehrbuchs ab¬ helfen, oder auch der Geselligkeit leben; ich, Schüler, kann nun mit Vater, Mutter

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/368
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/368>, abgerufen am 01.07.2024.