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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Deutsche Familiennamen aus Franenncimen.

sprungene Geschlechtsnamen lauten. Heute giebt es einen Schriftsteller Elsensohn
(Elfe aus Elisabeth), dessen Name sich wie Mendelssohn, Philippsohn und
andre zumeist jüdische Patronymika verhält.

Gleichfalls in die alte Zeit fallen die Anfänge der Unterdrückung des
Wortes Sohn, d. h. der Individualisirung eines Personennamens durch den
bloßen Genetiv des Mutternamens, der alsdann als Bei- oder Zuname, wenn
auch keineswegs sofort als Geschlechts- oder Familienname, zu betrachten ist.
Aus dem dreizehnten Jahrhundert werden angeführt z. B. Re-nrions Insäiläis
(--?freili1als), Hsnrious KiläsgÄrclis, aus dem vierzehnten LkrtolÄ Tg,t<zrin<zu,
?niävriou8 Vsrennsrr!Z.as8 (der Frau Herrad Sohn); öfters begegnen die
Formen Oäilio und Oäilisn als Zunamen einer männlichen Person, wobei
es sich trifft, daß dieser Name in den drei Formen Ottiliae, Odiliae und
Ottilige in heutigen Geschlechtern fortlebt. Das bemerkenswerteste Beispiel
der Erhaltung des metronymischen Genetivs ist aber der zugleich mit jenem Vsr
(Genetiv Vsrn) versehene Familienname Vernaleken (in Wien), Vernalken
(in Köln), d. h. Sohn der Frau Adelheid (niederdeutsch Alere, Alle); dasselbe
bedeutet auch der heutige friesische Geschlechtsname Aljets, da Aljet gleich
Adelheid ist.

Daß dem Mutternamen im Verlaufe auch die Genetivflexion entfällt,
begreift sich aus derselben Erscheinung nuf dem Gebiete der Patronymika, womit
nebenbei die Unterdrückung der Präposition in zahllosen Familiennamen, die
auf ein Lokal hinweisen, verglichen werden kann, z. B. von der Becke, Verdeck
und Beek, zur Linde, Terlindeu und Linde, aus dem Dahl, Jmdahl
und Dahl. Es darf nicht wunder nehmen, daß die ältere Zeit für diese
Vereinfachung wenig oder gar nicht empfänglich war. Insbesondre muß be¬
zweifelt werden, daß der RotZsr HaÄsvion, welcher 1362 zu Osnabrück gelebt
haben soll, seinen Beinamen von der Mutter und nicht vielmehr vom Vater
bekommen habe. Schon im frühesten Altertume hat sich der Unterschied zwischen
den Namen auf -riss (Kampf) und denen auf -^vin (Heiligtum) verwischt;
die letztern scheinen allerdings ausschließlich weiblich gewesen zu sein, während
die Zusammensetzungen mit -viZ weit überwiegend und vielleicht durchweg
als Masculina zu gelten haben. Wer möchte annehmen, daß der Name des
Abtes Hscl^ivus, welcher um 1200 in Holstein gelebt hat, sich nicht auf das
Masculin Hg.ä6viA, sondern auf das Feminin llaäöwid stütze? Hieraus
folgt nun, daß kein sicherer Grund vorliegt, die heutigen Geschlechtsnamen
Hedwig, Hedewig, Hellwig, Hawich als Metronymika zu betrachten-
Dagegen wird in einer mittelalterlichen Urkunde aus Naumburg ein Mann
Namens Lu^g-them vorgeführt; daß dieser Name metronymisch sei oder wenigstens
sein könne, leidet keinen Widerspruch.

Im Einklange mit den oben angeführten Bezeichnungen ^onannss Als-r-
Ersten, Lsrtolä ILÄtkrinen, Höiu'ious HilckeAg,räis darf man geneigt sein,


Deutsche Familiennamen aus Franenncimen.

sprungene Geschlechtsnamen lauten. Heute giebt es einen Schriftsteller Elsensohn
(Elfe aus Elisabeth), dessen Name sich wie Mendelssohn, Philippsohn und
andre zumeist jüdische Patronymika verhält.

Gleichfalls in die alte Zeit fallen die Anfänge der Unterdrückung des
Wortes Sohn, d. h. der Individualisirung eines Personennamens durch den
bloßen Genetiv des Mutternamens, der alsdann als Bei- oder Zuname, wenn
auch keineswegs sofort als Geschlechts- oder Familienname, zu betrachten ist.
Aus dem dreizehnten Jahrhundert werden angeführt z. B. Re-nrions Insäiläis
(--?freili1als), Hsnrious KiläsgÄrclis, aus dem vierzehnten LkrtolÄ Tg,t<zrin<zu,
?niävriou8 Vsrennsrr!Z.as8 (der Frau Herrad Sohn); öfters begegnen die
Formen Oäilio und Oäilisn als Zunamen einer männlichen Person, wobei
es sich trifft, daß dieser Name in den drei Formen Ottiliae, Odiliae und
Ottilige in heutigen Geschlechtern fortlebt. Das bemerkenswerteste Beispiel
der Erhaltung des metronymischen Genetivs ist aber der zugleich mit jenem Vsr
(Genetiv Vsrn) versehene Familienname Vernaleken (in Wien), Vernalken
(in Köln), d. h. Sohn der Frau Adelheid (niederdeutsch Alere, Alle); dasselbe
bedeutet auch der heutige friesische Geschlechtsname Aljets, da Aljet gleich
Adelheid ist.

Daß dem Mutternamen im Verlaufe auch die Genetivflexion entfällt,
begreift sich aus derselben Erscheinung nuf dem Gebiete der Patronymika, womit
nebenbei die Unterdrückung der Präposition in zahllosen Familiennamen, die
auf ein Lokal hinweisen, verglichen werden kann, z. B. von der Becke, Verdeck
und Beek, zur Linde, Terlindeu und Linde, aus dem Dahl, Jmdahl
und Dahl. Es darf nicht wunder nehmen, daß die ältere Zeit für diese
Vereinfachung wenig oder gar nicht empfänglich war. Insbesondre muß be¬
zweifelt werden, daß der RotZsr HaÄsvion, welcher 1362 zu Osnabrück gelebt
haben soll, seinen Beinamen von der Mutter und nicht vielmehr vom Vater
bekommen habe. Schon im frühesten Altertume hat sich der Unterschied zwischen
den Namen auf -riss (Kampf) und denen auf -^vin (Heiligtum) verwischt;
die letztern scheinen allerdings ausschließlich weiblich gewesen zu sein, während
die Zusammensetzungen mit -viZ weit überwiegend und vielleicht durchweg
als Masculina zu gelten haben. Wer möchte annehmen, daß der Name des
Abtes Hscl^ivus, welcher um 1200 in Holstein gelebt hat, sich nicht auf das
Masculin Hg.ä6viA, sondern auf das Feminin llaäöwid stütze? Hieraus
folgt nun, daß kein sicherer Grund vorliegt, die heutigen Geschlechtsnamen
Hedwig, Hedewig, Hellwig, Hawich als Metronymika zu betrachten-
Dagegen wird in einer mittelalterlichen Urkunde aus Naumburg ein Mann
Namens Lu^g-them vorgeführt; daß dieser Name metronymisch sei oder wenigstens
sein könne, leidet keinen Widerspruch.

Im Einklange mit den oben angeführten Bezeichnungen ^onannss Als-r-
Ersten, Lsrtolä ILÄtkrinen, Höiu'ious HilckeAg,räis darf man geneigt sein,


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[0339] Deutsche Familiennamen aus Franenncimen. sprungene Geschlechtsnamen lauten. Heute giebt es einen Schriftsteller Elsensohn (Elfe aus Elisabeth), dessen Name sich wie Mendelssohn, Philippsohn und andre zumeist jüdische Patronymika verhält. Gleichfalls in die alte Zeit fallen die Anfänge der Unterdrückung des Wortes Sohn, d. h. der Individualisirung eines Personennamens durch den bloßen Genetiv des Mutternamens, der alsdann als Bei- oder Zuname, wenn auch keineswegs sofort als Geschlechts- oder Familienname, zu betrachten ist. Aus dem dreizehnten Jahrhundert werden angeführt z. B. Re-nrions Insäiläis (--?freili1als), Hsnrious KiläsgÄrclis, aus dem vierzehnten LkrtolÄ Tg,t<zrin<zu, ?niävriou8 Vsrennsrr!Z.as8 (der Frau Herrad Sohn); öfters begegnen die Formen Oäilio und Oäilisn als Zunamen einer männlichen Person, wobei es sich trifft, daß dieser Name in den drei Formen Ottiliae, Odiliae und Ottilige in heutigen Geschlechtern fortlebt. Das bemerkenswerteste Beispiel der Erhaltung des metronymischen Genetivs ist aber der zugleich mit jenem Vsr (Genetiv Vsrn) versehene Familienname Vernaleken (in Wien), Vernalken (in Köln), d. h. Sohn der Frau Adelheid (niederdeutsch Alere, Alle); dasselbe bedeutet auch der heutige friesische Geschlechtsname Aljets, da Aljet gleich Adelheid ist. Daß dem Mutternamen im Verlaufe auch die Genetivflexion entfällt, begreift sich aus derselben Erscheinung nuf dem Gebiete der Patronymika, womit nebenbei die Unterdrückung der Präposition in zahllosen Familiennamen, die auf ein Lokal hinweisen, verglichen werden kann, z. B. von der Becke, Verdeck und Beek, zur Linde, Terlindeu und Linde, aus dem Dahl, Jmdahl und Dahl. Es darf nicht wunder nehmen, daß die ältere Zeit für diese Vereinfachung wenig oder gar nicht empfänglich war. Insbesondre muß be¬ zweifelt werden, daß der RotZsr HaÄsvion, welcher 1362 zu Osnabrück gelebt haben soll, seinen Beinamen von der Mutter und nicht vielmehr vom Vater bekommen habe. Schon im frühesten Altertume hat sich der Unterschied zwischen den Namen auf -riss (Kampf) und denen auf -^vin (Heiligtum) verwischt; die letztern scheinen allerdings ausschließlich weiblich gewesen zu sein, während die Zusammensetzungen mit -viZ weit überwiegend und vielleicht durchweg als Masculina zu gelten haben. Wer möchte annehmen, daß der Name des Abtes Hscl^ivus, welcher um 1200 in Holstein gelebt hat, sich nicht auf das Masculin Hg.ä6viA, sondern auf das Feminin llaäöwid stütze? Hieraus folgt nun, daß kein sicherer Grund vorliegt, die heutigen Geschlechtsnamen Hedwig, Hedewig, Hellwig, Hawich als Metronymika zu betrachten- Dagegen wird in einer mittelalterlichen Urkunde aus Naumburg ein Mann Namens Lu^g-them vorgeführt; daß dieser Name metronymisch sei oder wenigstens sein könne, leidet keinen Widerspruch. Im Einklange mit den oben angeführten Bezeichnungen ^onannss Als-r- Ersten, Lsrtolä ILÄtkrinen, Höiu'ious HilckeAg,räis darf man geneigt sein,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/339>, abgerufen am 02.10.2024.