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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Der Staatsrat.

rat nicht mehr, seit im Jahre 1875 ein Oberverwaltungsgerichtshof eingesetzt
wurde, der diese Funktionen übernommen hat. Da sodann in Preußen es als
ein Recht der Krone verfassungsmäßig verbürgt ist, sich die Minister frei zu
wählen, ohne sich solche vom Parlament aufdrängen zu lassen, so ist die
Krone bereits in der Lage, sich des Rats der Minister als Männer, die dem
Parteitreiben fern stehen, zu bedienen. Eine Kontrole über diese könnte nur
lähmend wirken und würde jeden selbständigen Charakter verhindern, in ein
Ministerium einzutreten. So bleibt also nur noch die Begutachtung von Ge¬
setzen und Verordnungen übrig. Aber auch in dieser Hinsicht wäre eine Auf¬
erstehung des Staatsrath als Verkörperung der Beamtenhierarchie überflüssig.
Denn in jeden, Ministerium im Reiche wie in Preußen finden sich die geschulten
tüchtigen Kräfte für die Ausarbeitung, und es kann doch gewiß keinen Unter¬
schied machen, ob der Entwurf von einem Ministerialrat oder einem Staats¬
rat bearbeitet wird. Zudem findet im Reiche wie in Preußen bei wichtigeren
Gesetzen stets eine Mitwirkung des Gesamtministeriums oder verschiedener Reichs-
ämter statt, sodaß die verschiedenen Gesichtspunkte in materieller und formeller
Hinsicht vertreten sind. Auch bei den Ausschüssen im Bundesrate sind diese
Referenten der Reichsämter vertreten und wissen auch ihren Einfluß geltend
zu machen.

Dagegen ist in der That bei der Aufstellung von Entwürfen ein Mangel
vorhanden, dessen Beseitigung wünschenswert ist. Die Wichtigkeit des ersten Ent¬
wurfs bedarf keiner Ausführung; er giebt dem ganzen Gesetz die Richtung, und was
auch in den späteren Stadien abgeändert werden mag, die Tendenz bleibt
bestehen. So tüchtig nun auch die Referenten in den Ministerien sein mögen,
größtenteils fehlt ihnen die Berührung mit dem wirtschaftlichen Leben. Es ist un¬
möglich, daß sie die Bedürfnisse der einzelnen Interessenkreise genau kennen, sie müssen
sich ihre Informationen aus Berichten und Büchern holen. Man findet deshalb
sehr häufig, daß außerparlamentarische Kommissionen aus den beteiligten Kreisen
berufen werden, denen die Entwürfe, ehe sie den dornenvollen Weg zu den
gesetzgeberischen Faktoren beginnen, zur Begutachtung vorgelegt werden. Allein
auch dies ist ein schwacher Behelf. Zunächst ist schon immer der erste Entwurf
fertig, die Sachverständigen erhalten eine gebundene Marschroute, sodann aber
sind sie doch nur immer zu einem einzelnen Entwurf berufen, der Überblick über das
Ganze fehlt ihnen. Hier müßte ein Staatsrat eintreten, aber nicht ein aus
"Staatsdienern" bestehender, sondern aus Männern des wirtschaftlichen Lebens.
Der Reichskanzler hat sehr wohl dieses Bedürfnis gefühlt und sowohl für das
Reich wie für Preußen einen Volkswirtschaftsrat verlangt. Es ist bekannt,
wie seine Bemühungen an dem Eigenwillen der Opposition gescheitert sind, auch
für den preußischen Volkswirtschaftsrat hat der Landtag die Mittel nicht mehr
bewilligt. Vielleicht möchte es sich anders gestalten, wenn statt desselben ein
Staatsrat einträte, dessen Schwerpunkt in den wirtschaftlichen Kreisen läge.


Grenzboten II. 1833. 42
Der Staatsrat.

rat nicht mehr, seit im Jahre 1875 ein Oberverwaltungsgerichtshof eingesetzt
wurde, der diese Funktionen übernommen hat. Da sodann in Preußen es als
ein Recht der Krone verfassungsmäßig verbürgt ist, sich die Minister frei zu
wählen, ohne sich solche vom Parlament aufdrängen zu lassen, so ist die
Krone bereits in der Lage, sich des Rats der Minister als Männer, die dem
Parteitreiben fern stehen, zu bedienen. Eine Kontrole über diese könnte nur
lähmend wirken und würde jeden selbständigen Charakter verhindern, in ein
Ministerium einzutreten. So bleibt also nur noch die Begutachtung von Ge¬
setzen und Verordnungen übrig. Aber auch in dieser Hinsicht wäre eine Auf¬
erstehung des Staatsrath als Verkörperung der Beamtenhierarchie überflüssig.
Denn in jeden, Ministerium im Reiche wie in Preußen finden sich die geschulten
tüchtigen Kräfte für die Ausarbeitung, und es kann doch gewiß keinen Unter¬
schied machen, ob der Entwurf von einem Ministerialrat oder einem Staats¬
rat bearbeitet wird. Zudem findet im Reiche wie in Preußen bei wichtigeren
Gesetzen stets eine Mitwirkung des Gesamtministeriums oder verschiedener Reichs-
ämter statt, sodaß die verschiedenen Gesichtspunkte in materieller und formeller
Hinsicht vertreten sind. Auch bei den Ausschüssen im Bundesrate sind diese
Referenten der Reichsämter vertreten und wissen auch ihren Einfluß geltend
zu machen.

Dagegen ist in der That bei der Aufstellung von Entwürfen ein Mangel
vorhanden, dessen Beseitigung wünschenswert ist. Die Wichtigkeit des ersten Ent¬
wurfs bedarf keiner Ausführung; er giebt dem ganzen Gesetz die Richtung, und was
auch in den späteren Stadien abgeändert werden mag, die Tendenz bleibt
bestehen. So tüchtig nun auch die Referenten in den Ministerien sein mögen,
größtenteils fehlt ihnen die Berührung mit dem wirtschaftlichen Leben. Es ist un¬
möglich, daß sie die Bedürfnisse der einzelnen Interessenkreise genau kennen, sie müssen
sich ihre Informationen aus Berichten und Büchern holen. Man findet deshalb
sehr häufig, daß außerparlamentarische Kommissionen aus den beteiligten Kreisen
berufen werden, denen die Entwürfe, ehe sie den dornenvollen Weg zu den
gesetzgeberischen Faktoren beginnen, zur Begutachtung vorgelegt werden. Allein
auch dies ist ein schwacher Behelf. Zunächst ist schon immer der erste Entwurf
fertig, die Sachverständigen erhalten eine gebundene Marschroute, sodann aber
sind sie doch nur immer zu einem einzelnen Entwurf berufen, der Überblick über das
Ganze fehlt ihnen. Hier müßte ein Staatsrat eintreten, aber nicht ein aus
„Staatsdienern" bestehender, sondern aus Männern des wirtschaftlichen Lebens.
Der Reichskanzler hat sehr wohl dieses Bedürfnis gefühlt und sowohl für das
Reich wie für Preußen einen Volkswirtschaftsrat verlangt. Es ist bekannt,
wie seine Bemühungen an dem Eigenwillen der Opposition gescheitert sind, auch
für den preußischen Volkswirtschaftsrat hat der Landtag die Mittel nicht mehr
bewilligt. Vielleicht möchte es sich anders gestalten, wenn statt desselben ein
Staatsrat einträte, dessen Schwerpunkt in den wirtschaftlichen Kreisen läge.


Grenzboten II. 1833. 42
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[0337] Der Staatsrat. rat nicht mehr, seit im Jahre 1875 ein Oberverwaltungsgerichtshof eingesetzt wurde, der diese Funktionen übernommen hat. Da sodann in Preußen es als ein Recht der Krone verfassungsmäßig verbürgt ist, sich die Minister frei zu wählen, ohne sich solche vom Parlament aufdrängen zu lassen, so ist die Krone bereits in der Lage, sich des Rats der Minister als Männer, die dem Parteitreiben fern stehen, zu bedienen. Eine Kontrole über diese könnte nur lähmend wirken und würde jeden selbständigen Charakter verhindern, in ein Ministerium einzutreten. So bleibt also nur noch die Begutachtung von Ge¬ setzen und Verordnungen übrig. Aber auch in dieser Hinsicht wäre eine Auf¬ erstehung des Staatsrath als Verkörperung der Beamtenhierarchie überflüssig. Denn in jeden, Ministerium im Reiche wie in Preußen finden sich die geschulten tüchtigen Kräfte für die Ausarbeitung, und es kann doch gewiß keinen Unter¬ schied machen, ob der Entwurf von einem Ministerialrat oder einem Staats¬ rat bearbeitet wird. Zudem findet im Reiche wie in Preußen bei wichtigeren Gesetzen stets eine Mitwirkung des Gesamtministeriums oder verschiedener Reichs- ämter statt, sodaß die verschiedenen Gesichtspunkte in materieller und formeller Hinsicht vertreten sind. Auch bei den Ausschüssen im Bundesrate sind diese Referenten der Reichsämter vertreten und wissen auch ihren Einfluß geltend zu machen. Dagegen ist in der That bei der Aufstellung von Entwürfen ein Mangel vorhanden, dessen Beseitigung wünschenswert ist. Die Wichtigkeit des ersten Ent¬ wurfs bedarf keiner Ausführung; er giebt dem ganzen Gesetz die Richtung, und was auch in den späteren Stadien abgeändert werden mag, die Tendenz bleibt bestehen. So tüchtig nun auch die Referenten in den Ministerien sein mögen, größtenteils fehlt ihnen die Berührung mit dem wirtschaftlichen Leben. Es ist un¬ möglich, daß sie die Bedürfnisse der einzelnen Interessenkreise genau kennen, sie müssen sich ihre Informationen aus Berichten und Büchern holen. Man findet deshalb sehr häufig, daß außerparlamentarische Kommissionen aus den beteiligten Kreisen berufen werden, denen die Entwürfe, ehe sie den dornenvollen Weg zu den gesetzgeberischen Faktoren beginnen, zur Begutachtung vorgelegt werden. Allein auch dies ist ein schwacher Behelf. Zunächst ist schon immer der erste Entwurf fertig, die Sachverständigen erhalten eine gebundene Marschroute, sodann aber sind sie doch nur immer zu einem einzelnen Entwurf berufen, der Überblick über das Ganze fehlt ihnen. Hier müßte ein Staatsrat eintreten, aber nicht ein aus „Staatsdienern" bestehender, sondern aus Männern des wirtschaftlichen Lebens. Der Reichskanzler hat sehr wohl dieses Bedürfnis gefühlt und sowohl für das Reich wie für Preußen einen Volkswirtschaftsrat verlangt. Es ist bekannt, wie seine Bemühungen an dem Eigenwillen der Opposition gescheitert sind, auch für den preußischen Volkswirtschaftsrat hat der Landtag die Mittel nicht mehr bewilligt. Vielleicht möchte es sich anders gestalten, wenn statt desselben ein Staatsrat einträte, dessen Schwerpunkt in den wirtschaftlichen Kreisen läge. Grenzboten II. 1833. 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/337>, abgerufen am 22.07.2024.