Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.Der Staatsrat, 1848 entzog demselben die sämtlichen Gesetzesvorschläge und Streitigkeiten der Fragt mau, ob eine Wiederbelebung des Staatsrath in Preußen und in Für die Beratung der Gesetze, meint man, sind die Kammern da, für Unzweifelhaft ist die letzte Thätigkeit eine sehr wesentliche; sie ist das Der Staatsrat, 1848 entzog demselben die sämtlichen Gesetzesvorschläge und Streitigkeiten der Fragt mau, ob eine Wiederbelebung des Staatsrath in Preußen und in Für die Beratung der Gesetze, meint man, sind die Kammern da, für Unzweifelhaft ist die letzte Thätigkeit eine sehr wesentliche; sie ist das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0336" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153085"/> <fw type="header" place="top"> Der Staatsrat,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1344" prev="#ID_1343"> 1848 entzog demselben die sämtlichen Gesetzesvorschläge und Streitigkeiten der<lb/> Ministerien und ließ ihm nur solche Gutachten, die der König von ihm auf<lb/> Vorschlag des Gesamtministeriums erforderte. Auch seine Organisation wurde<lb/> verändert, und es blieb von dem Staatsrate eigentlich nichts übrig als eine<lb/> g.Ä Iwo zusammenzusetzende Gesetzeskommission. Aber selbst in dieser Gestaltung<lb/> hat der Staatsrat die Ereignisse von 1848 nicht überdauert. Der mittelst Ver¬<lb/> ordnung vom 27. Dezember 1848 verkündete und demnächst von den Kammern<lb/> genehmigte Etat für das Jahr 1849 setzte die gesamten Ausgaben für das<lb/> Staatssekrctariat mit dem Bemerken ab, daß dasselbe aufgelöst sei. Allein eine<lb/> gesetzliche Aufhebung des Staatsrath ist nie erfolgt, vielmehr wurde später von<lb/> seiten der Regierung jene Bemerkung im Etat abgeschwächt, ja sogar im Jahre<lb/> 1852 durch königlichen Erlaß der Staatsrat wieder in Wirksamkeit gesetzt und<lb/> 1854 wieder eröffnet. Thatsächlich jedoch ist der Staatsrat nie wieder in<lb/> Thätigkeit getreten, und die Reaktivirung desselben hatte vorzugsweise in dem<lb/> Gesetz vom 8. April 1847 über das Verfahren bei Kompetenzkonflikten zwischen<lb/> Gerichten und Verwaltungsbehörden ihren Grund, wonach zur Entscheidung ein<lb/> Gerichtshof berufen war, dessen Mitglieder aus dem Staatsrat genommen werden<lb/> mußten. Seit dem neuen Gerichtsverfassungsgcsetz ist aber dieses Gesetz auf¬<lb/> gehoben, und die Verordnung vom 1. August 1879 beruft für die Entscheidung<lb/> dieser Konflikte nicht mehr Mitglieder des Staatsrath. Wenn daher das preußische<lb/> Staatshcmdbuch solche noch aufführt, so ist das lediglich eine Reminiscenz aus<lb/> früherer Zeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_1345"> Fragt mau, ob eine Wiederbelebung des Staatsrath in Preußen und in<lb/> welcher Gestaltung sie erfolgen könnte, so sind zunächst die Gesichtspunkte zu<lb/> prüfen, die einen solchen entbehrlich oder empfehlenswert machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1346"> Für die Beratung der Gesetze, meint man, sind die Kammern da, für<lb/> die wichtigern Verordnungen das Gesamtministerium, für die minder wichtigen<lb/> aber genügt der einzelne Ressortchef. Dagegen wird wieder geltend gemacht,<lb/> daß die Güte eines Gesetzes vorzugsweise von der Trefflichkeit des Entwurfs<lb/> abhänge und daß daher eine Beratung und Begutachtung durch eine ständige, in<lb/> der Gesetzgebung erfahrene Behörde sehr wünschenswert sei. Mau weist auch<lb/> darauf hin, daß im Reich eine solche Vorberatung durch die Ausschüsse des<lb/> Bundesrath stattfinde und sich in hohem Grade bewähre. Sodann soll der<lb/> Staatsrat bei Erlaß allgemeiner Verordnungen einen Ersatz für die fehlende<lb/> Mitwirkung der Kammern bieten, er foll in allen wichtigen Fällen dem<lb/> Monarchen einen unparteiischen Rat erteilen, eine Kontrole über die Thätigkeit<lb/> der Minister bilden und die Verwaltungsstreitigkeiten in letzter Instanz ent¬<lb/> scheiden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1347" next="#ID_1348"> Unzweifelhaft ist die letzte Thätigkeit eine sehr wesentliche; sie ist das<lb/> notwendige Erfordernis eines Rechtsstaats, und ihr Mangel wird z. B. in<lb/> Italien schwer beklagt. Aber in dieser Hinsicht bedürfen wir einen Staats-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0336]
Der Staatsrat,
1848 entzog demselben die sämtlichen Gesetzesvorschläge und Streitigkeiten der
Ministerien und ließ ihm nur solche Gutachten, die der König von ihm auf
Vorschlag des Gesamtministeriums erforderte. Auch seine Organisation wurde
verändert, und es blieb von dem Staatsrate eigentlich nichts übrig als eine
g.Ä Iwo zusammenzusetzende Gesetzeskommission. Aber selbst in dieser Gestaltung
hat der Staatsrat die Ereignisse von 1848 nicht überdauert. Der mittelst Ver¬
ordnung vom 27. Dezember 1848 verkündete und demnächst von den Kammern
genehmigte Etat für das Jahr 1849 setzte die gesamten Ausgaben für das
Staatssekrctariat mit dem Bemerken ab, daß dasselbe aufgelöst sei. Allein eine
gesetzliche Aufhebung des Staatsrath ist nie erfolgt, vielmehr wurde später von
seiten der Regierung jene Bemerkung im Etat abgeschwächt, ja sogar im Jahre
1852 durch königlichen Erlaß der Staatsrat wieder in Wirksamkeit gesetzt und
1854 wieder eröffnet. Thatsächlich jedoch ist der Staatsrat nie wieder in
Thätigkeit getreten, und die Reaktivirung desselben hatte vorzugsweise in dem
Gesetz vom 8. April 1847 über das Verfahren bei Kompetenzkonflikten zwischen
Gerichten und Verwaltungsbehörden ihren Grund, wonach zur Entscheidung ein
Gerichtshof berufen war, dessen Mitglieder aus dem Staatsrat genommen werden
mußten. Seit dem neuen Gerichtsverfassungsgcsetz ist aber dieses Gesetz auf¬
gehoben, und die Verordnung vom 1. August 1879 beruft für die Entscheidung
dieser Konflikte nicht mehr Mitglieder des Staatsrath. Wenn daher das preußische
Staatshcmdbuch solche noch aufführt, so ist das lediglich eine Reminiscenz aus
früherer Zeit.
Fragt mau, ob eine Wiederbelebung des Staatsrath in Preußen und in
welcher Gestaltung sie erfolgen könnte, so sind zunächst die Gesichtspunkte zu
prüfen, die einen solchen entbehrlich oder empfehlenswert machen.
Für die Beratung der Gesetze, meint man, sind die Kammern da, für
die wichtigern Verordnungen das Gesamtministerium, für die minder wichtigen
aber genügt der einzelne Ressortchef. Dagegen wird wieder geltend gemacht,
daß die Güte eines Gesetzes vorzugsweise von der Trefflichkeit des Entwurfs
abhänge und daß daher eine Beratung und Begutachtung durch eine ständige, in
der Gesetzgebung erfahrene Behörde sehr wünschenswert sei. Mau weist auch
darauf hin, daß im Reich eine solche Vorberatung durch die Ausschüsse des
Bundesrath stattfinde und sich in hohem Grade bewähre. Sodann soll der
Staatsrat bei Erlaß allgemeiner Verordnungen einen Ersatz für die fehlende
Mitwirkung der Kammern bieten, er foll in allen wichtigen Fällen dem
Monarchen einen unparteiischen Rat erteilen, eine Kontrole über die Thätigkeit
der Minister bilden und die Verwaltungsstreitigkeiten in letzter Instanz ent¬
scheiden.
Unzweifelhaft ist die letzte Thätigkeit eine sehr wesentliche; sie ist das
notwendige Erfordernis eines Rechtsstaats, und ihr Mangel wird z. B. in
Italien schwer beklagt. Aber in dieser Hinsicht bedürfen wir einen Staats-
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