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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Der Staatsrat.

meist nur Subalternbeamte sind. Dazu kommt, daß die Minister selbst nicht
nach ihren technischen Fähigkeiten, sondern nach den politischen Parteimotiven
berufen werden. Die Folge davon ist, daß für die Ausarbeitung eines Gesetz¬
entwurfs in einem Ministerium die geeigneten Kräfte fehlen. Hier hat wiederum
der Staatsrat einzutreten, welcher die Gesetze abzufassen hat, die ihm aufge¬
tragen werden. Daß dabei zuweilen Mißstände hervortreten müssen, ist klar,
da nicht der Staatsrat, sondern der Minister es ist, dem die Vertretung des
Gesetzentwurfs vor den Kammern obliegt, und es sich wohl ereignet, daß der
Staatsrat einen ministeriellen Gedanken ganz anders zur Erscheinung bringt.
Nur so kann man es sich erklären, daß in neuester Zeit vielfach die Minister
Kommissionen berufen, denen sie die Ausarbeitung des Gesetzentwurfs auftragen,
sodaß dieser nur zur Begutachtung an den Staatsrat gelangt, der Minister selbst
aber die Direktion in der Hand behält.

Auch in Deutschland finden sich in einzelnen Territorien nach französischem
Vorbilde Einrichtungen unter dem gleichen Namen, so besonders in Würtem-
berg und Baiern, wo der Geheime Rat oder der Staatsrat mit ähnlichen ver¬
waltungsgerichtlichen und begutachtenden Funktionen betraut ist. Das Über¬
gewicht liegt hier vorzugsweise in der obersten Vcrwaltungsgerichtsbarkeit, sowie
darin, daß man für gewisse, die Verfassung ändernde Gesetze eine Garantie zu
finden glaubt, wenn der König neben seinem Kabinet auch noch von verdienten
und erfahrenen Staatsmännern beraten ist. Von einer bestimmenden Wirkung
für die Politik und Verwaltung des Landes ist jedoch der Staatsrat in diesen
Ländern nicht; für die kleineren Territorien hat sich ein Bedürfnis nicht geltend
gemacht.

Eine höchst eigentümliche Wendung hat die Geschichte des Staatsrath in
Preußen genommen. Der Name des "Geheimen Staatsrath" findet sich schon
für eine im Jahre 1604 von Kurfürst Joachim Friedrich ins Leben gerufene Be¬
hörde; allein dieselbe war nicht nur die höchste beratende, sondern auch die höchste
verwaltende Körperschaft und somit vielmehr der Vorläufer des jetzigen Staats-
ministeriums. Der eigentliche Staatsrat, welcher ausdrücklich nur eine beratende
Behörde sein sollte, wurde durch Verordnung vom 27. Oktober 1810 begründet,
aber erst nach dem glücklichen Ende der Freiheitskriege durch Verordnung vom
20. März 1817 vollständig organisirt. Zu seinem Wirkungskreise gehörten:

g.) Alle Gesetze, Verfassungs- und Vcrwaltungsnormen, Pläne über Verwal¬
tungsgegenstände, dnrch welche die Verwaltungsgrundsätze abgeändert
werden, und Beratungen über allgemeine Verwaltungsmaßregeln, zu welchen
die Ministerien noch nicht autorisire sind, dergestalt, daß sämtliche Vor¬
schläge zu neuen oder zur Aufhebung, Abänderung und authentischen
Deklaration von bestehenden Gesetzen und Einrichtungen durch ihn an den
König zur Sanktion gelangen müssen;
v) Streitigkeiten über den Wirkungskreis der Ministerien;

Der Staatsrat.

meist nur Subalternbeamte sind. Dazu kommt, daß die Minister selbst nicht
nach ihren technischen Fähigkeiten, sondern nach den politischen Parteimotiven
berufen werden. Die Folge davon ist, daß für die Ausarbeitung eines Gesetz¬
entwurfs in einem Ministerium die geeigneten Kräfte fehlen. Hier hat wiederum
der Staatsrat einzutreten, welcher die Gesetze abzufassen hat, die ihm aufge¬
tragen werden. Daß dabei zuweilen Mißstände hervortreten müssen, ist klar,
da nicht der Staatsrat, sondern der Minister es ist, dem die Vertretung des
Gesetzentwurfs vor den Kammern obliegt, und es sich wohl ereignet, daß der
Staatsrat einen ministeriellen Gedanken ganz anders zur Erscheinung bringt.
Nur so kann man es sich erklären, daß in neuester Zeit vielfach die Minister
Kommissionen berufen, denen sie die Ausarbeitung des Gesetzentwurfs auftragen,
sodaß dieser nur zur Begutachtung an den Staatsrat gelangt, der Minister selbst
aber die Direktion in der Hand behält.

Auch in Deutschland finden sich in einzelnen Territorien nach französischem
Vorbilde Einrichtungen unter dem gleichen Namen, so besonders in Würtem-
berg und Baiern, wo der Geheime Rat oder der Staatsrat mit ähnlichen ver¬
waltungsgerichtlichen und begutachtenden Funktionen betraut ist. Das Über¬
gewicht liegt hier vorzugsweise in der obersten Vcrwaltungsgerichtsbarkeit, sowie
darin, daß man für gewisse, die Verfassung ändernde Gesetze eine Garantie zu
finden glaubt, wenn der König neben seinem Kabinet auch noch von verdienten
und erfahrenen Staatsmännern beraten ist. Von einer bestimmenden Wirkung
für die Politik und Verwaltung des Landes ist jedoch der Staatsrat in diesen
Ländern nicht; für die kleineren Territorien hat sich ein Bedürfnis nicht geltend
gemacht.

Eine höchst eigentümliche Wendung hat die Geschichte des Staatsrath in
Preußen genommen. Der Name des „Geheimen Staatsrath" findet sich schon
für eine im Jahre 1604 von Kurfürst Joachim Friedrich ins Leben gerufene Be¬
hörde; allein dieselbe war nicht nur die höchste beratende, sondern auch die höchste
verwaltende Körperschaft und somit vielmehr der Vorläufer des jetzigen Staats-
ministeriums. Der eigentliche Staatsrat, welcher ausdrücklich nur eine beratende
Behörde sein sollte, wurde durch Verordnung vom 27. Oktober 1810 begründet,
aber erst nach dem glücklichen Ende der Freiheitskriege durch Verordnung vom
20. März 1817 vollständig organisirt. Zu seinem Wirkungskreise gehörten:

g.) Alle Gesetze, Verfassungs- und Vcrwaltungsnormen, Pläne über Verwal¬
tungsgegenstände, dnrch welche die Verwaltungsgrundsätze abgeändert
werden, und Beratungen über allgemeine Verwaltungsmaßregeln, zu welchen
die Ministerien noch nicht autorisire sind, dergestalt, daß sämtliche Vor¬
schläge zu neuen oder zur Aufhebung, Abänderung und authentischen
Deklaration von bestehenden Gesetzen und Einrichtungen durch ihn an den
König zur Sanktion gelangen müssen;
v) Streitigkeiten über den Wirkungskreis der Ministerien;

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[0334] Der Staatsrat. meist nur Subalternbeamte sind. Dazu kommt, daß die Minister selbst nicht nach ihren technischen Fähigkeiten, sondern nach den politischen Parteimotiven berufen werden. Die Folge davon ist, daß für die Ausarbeitung eines Gesetz¬ entwurfs in einem Ministerium die geeigneten Kräfte fehlen. Hier hat wiederum der Staatsrat einzutreten, welcher die Gesetze abzufassen hat, die ihm aufge¬ tragen werden. Daß dabei zuweilen Mißstände hervortreten müssen, ist klar, da nicht der Staatsrat, sondern der Minister es ist, dem die Vertretung des Gesetzentwurfs vor den Kammern obliegt, und es sich wohl ereignet, daß der Staatsrat einen ministeriellen Gedanken ganz anders zur Erscheinung bringt. Nur so kann man es sich erklären, daß in neuester Zeit vielfach die Minister Kommissionen berufen, denen sie die Ausarbeitung des Gesetzentwurfs auftragen, sodaß dieser nur zur Begutachtung an den Staatsrat gelangt, der Minister selbst aber die Direktion in der Hand behält. Auch in Deutschland finden sich in einzelnen Territorien nach französischem Vorbilde Einrichtungen unter dem gleichen Namen, so besonders in Würtem- berg und Baiern, wo der Geheime Rat oder der Staatsrat mit ähnlichen ver¬ waltungsgerichtlichen und begutachtenden Funktionen betraut ist. Das Über¬ gewicht liegt hier vorzugsweise in der obersten Vcrwaltungsgerichtsbarkeit, sowie darin, daß man für gewisse, die Verfassung ändernde Gesetze eine Garantie zu finden glaubt, wenn der König neben seinem Kabinet auch noch von verdienten und erfahrenen Staatsmännern beraten ist. Von einer bestimmenden Wirkung für die Politik und Verwaltung des Landes ist jedoch der Staatsrat in diesen Ländern nicht; für die kleineren Territorien hat sich ein Bedürfnis nicht geltend gemacht. Eine höchst eigentümliche Wendung hat die Geschichte des Staatsrath in Preußen genommen. Der Name des „Geheimen Staatsrath" findet sich schon für eine im Jahre 1604 von Kurfürst Joachim Friedrich ins Leben gerufene Be¬ hörde; allein dieselbe war nicht nur die höchste beratende, sondern auch die höchste verwaltende Körperschaft und somit vielmehr der Vorläufer des jetzigen Staats- ministeriums. Der eigentliche Staatsrat, welcher ausdrücklich nur eine beratende Behörde sein sollte, wurde durch Verordnung vom 27. Oktober 1810 begründet, aber erst nach dem glücklichen Ende der Freiheitskriege durch Verordnung vom 20. März 1817 vollständig organisirt. Zu seinem Wirkungskreise gehörten: g.) Alle Gesetze, Verfassungs- und Vcrwaltungsnormen, Pläne über Verwal¬ tungsgegenstände, dnrch welche die Verwaltungsgrundsätze abgeändert werden, und Beratungen über allgemeine Verwaltungsmaßregeln, zu welchen die Ministerien noch nicht autorisire sind, dergestalt, daß sämtliche Vor¬ schläge zu neuen oder zur Aufhebung, Abänderung und authentischen Deklaration von bestehenden Gesetzen und Einrichtungen durch ihn an den König zur Sanktion gelangen müssen; v) Streitigkeiten über den Wirkungskreis der Ministerien;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/334>, abgerufen am 24.08.2024.