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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Der Staatsrat.

Der Staatsrat ist es gewesen, der das Königtum in dem Kampfe mit den stän¬
dischen Rechten einer durch Besitz zerrissenen Gesellschaft siegen ließ. Die eigent¬
liche Gerichtsbarkeit ging von dem König ans die Parlamente über, die ganze
übrige Verwaltung aber blieb in den Händen des Staatsrath vereinigt. Unter
Heinrich IV. erhielt der oovssil ein roi eine besondre Organisation; er zerstel
in mehrere Abteilungen und hatte die Aufgabe, in allen streitigen Verwaltungs¬
angelegenheiten die letzte Entscheidung zu fällen, als Rat der Regierung die Ge¬
setze vorzubereiten und zu beraten, die Steuern festzusetzen und die Art ihrer
Verteilung zu bestimmen, sowie die allgemeine" Anordnungen für alle Zweige der
Staatsverwaltung zu erlassen. Die Minister waren nur leitende Departements¬
chefs, die uur als Ausführungsorgane des Staatsrath ohne eine selbständige Leitung
der Politik vollbrachten, was in diesem beschlossen wurde. Die Revolution
machte auch diesem Institut ein Ende, man zweigte die höchste Rechtsprechung
in Verwaltungsangelegenheiten ab und löste im übrigen den Staatsrat auf,
ja die Verfassung vom 5. Fruktidvr des Jahres III ging sogar im Artikel 151
soweit, den Ministern die Bildung eines Ministerrath zu untersagen und somit
den Grund zu einer Erscheinung zu legen, die noch heute in Frankreich als
Übelstand empfunden wird, nämlich zur Abhängigkeit des Ministers von seinem
Bureau, das allein ständig und allein Information zu erheben in der Lage ist.
Jedoch schon die Konsularverfassung unter Napoleon stellte den von8<zik ä'owl
wieder her; Artikel 52 des Jahres VIII teilte ihm als Aufgabe zu: et" rödiZöi
Iss xrosgts ass lois se les rö^lsinsuts <Z'g,Äininistrg.lion MvliHus se Ah rosonärs
Iss äiKieultss ani s'vlsvönt Matiörö Ääinini8trMvs. Napoleon I. legte
einen großen Wert auf denselben und wie Las Cases in seinen Denkwürdigkeiten
aus Se. Helena berichtet, hat sich der Kaiser sehr anerkennend über die Wirk¬
samkeit dieser Einrichtung ausgesprochen; er bezeichnete den Staatsrat als seinen
Gedanken in dem Stadium der Überlegung (xsusss clölidsration), während
er die Minister als seinen Gedanken in der Ausführung erklärte (pkusss su
vXLvution). Seit dieser Zeit ist der Staatsrat trotz mannichfacher Änderungen,
die er unter den verschiedenen Regierungen erfuhr, im großen und ganzen mit
seinen Aufgaben derselbe geblieben, und auch die Regierung der Republik hat
denselben nicht entbehren können. Er besteht aus verschiedenen Sektionen, einem
Präsidenten und einer Reihe von Räten und Hilfsarbeitern und vereinigt in
sich die höchsten Verwaltungskapazitäten des Landes. Da es in Frankreich mit
der vollständigen Ausbildung des Prcifektensystems ein geordnetes Verwaltungs¬
verfahren nicht giebt, so bedarf es wenigstens einer Zentralinstnnz, um die ärgsten
Übelstände zu beseitigen und eine Gleichmäßigkeit in der Verwaltung, eine kon-
tradiktorische Behandlung der Streitigkeiten zwischen Fiskus und Privaten herbei¬
zuführen. Ebenso giebt es in Frankreich keine Ministerien mit technischen Räten
des höhern Dienstes, wie sie bei uns üblich sind; es sind subalterne Verwaltungs-
bürecms, an deren Spitze sogenannte vdecks cle äivision stehen, die ebenfalls


Der Staatsrat.

Der Staatsrat ist es gewesen, der das Königtum in dem Kampfe mit den stän¬
dischen Rechten einer durch Besitz zerrissenen Gesellschaft siegen ließ. Die eigent¬
liche Gerichtsbarkeit ging von dem König ans die Parlamente über, die ganze
übrige Verwaltung aber blieb in den Händen des Staatsrath vereinigt. Unter
Heinrich IV. erhielt der oovssil ein roi eine besondre Organisation; er zerstel
in mehrere Abteilungen und hatte die Aufgabe, in allen streitigen Verwaltungs¬
angelegenheiten die letzte Entscheidung zu fällen, als Rat der Regierung die Ge¬
setze vorzubereiten und zu beraten, die Steuern festzusetzen und die Art ihrer
Verteilung zu bestimmen, sowie die allgemeine» Anordnungen für alle Zweige der
Staatsverwaltung zu erlassen. Die Minister waren nur leitende Departements¬
chefs, die uur als Ausführungsorgane des Staatsrath ohne eine selbständige Leitung
der Politik vollbrachten, was in diesem beschlossen wurde. Die Revolution
machte auch diesem Institut ein Ende, man zweigte die höchste Rechtsprechung
in Verwaltungsangelegenheiten ab und löste im übrigen den Staatsrat auf,
ja die Verfassung vom 5. Fruktidvr des Jahres III ging sogar im Artikel 151
soweit, den Ministern die Bildung eines Ministerrath zu untersagen und somit
den Grund zu einer Erscheinung zu legen, die noch heute in Frankreich als
Übelstand empfunden wird, nämlich zur Abhängigkeit des Ministers von seinem
Bureau, das allein ständig und allein Information zu erheben in der Lage ist.
Jedoch schon die Konsularverfassung unter Napoleon stellte den von8<zik ä'owl
wieder her; Artikel 52 des Jahres VIII teilte ihm als Aufgabe zu: et« rödiZöi
Iss xrosgts ass lois se les rö^lsinsuts <Z'g,Äininistrg.lion MvliHus se Ah rosonärs
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einen großen Wert auf denselben und wie Las Cases in seinen Denkwürdigkeiten
aus Se. Helena berichtet, hat sich der Kaiser sehr anerkennend über die Wirk¬
samkeit dieser Einrichtung ausgesprochen; er bezeichnete den Staatsrat als seinen
Gedanken in dem Stadium der Überlegung (xsusss clölidsration), während
er die Minister als seinen Gedanken in der Ausführung erklärte (pkusss su
vXLvution). Seit dieser Zeit ist der Staatsrat trotz mannichfacher Änderungen,
die er unter den verschiedenen Regierungen erfuhr, im großen und ganzen mit
seinen Aufgaben derselbe geblieben, und auch die Regierung der Republik hat
denselben nicht entbehren können. Er besteht aus verschiedenen Sektionen, einem
Präsidenten und einer Reihe von Räten und Hilfsarbeitern und vereinigt in
sich die höchsten Verwaltungskapazitäten des Landes. Da es in Frankreich mit
der vollständigen Ausbildung des Prcifektensystems ein geordnetes Verwaltungs¬
verfahren nicht giebt, so bedarf es wenigstens einer Zentralinstnnz, um die ärgsten
Übelstände zu beseitigen und eine Gleichmäßigkeit in der Verwaltung, eine kon-
tradiktorische Behandlung der Streitigkeiten zwischen Fiskus und Privaten herbei¬
zuführen. Ebenso giebt es in Frankreich keine Ministerien mit technischen Räten
des höhern Dienstes, wie sie bei uns üblich sind; es sind subalterne Verwaltungs-
bürecms, an deren Spitze sogenannte vdecks cle äivision stehen, die ebenfalls


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[0333] Der Staatsrat. Der Staatsrat ist es gewesen, der das Königtum in dem Kampfe mit den stän¬ dischen Rechten einer durch Besitz zerrissenen Gesellschaft siegen ließ. Die eigent¬ liche Gerichtsbarkeit ging von dem König ans die Parlamente über, die ganze übrige Verwaltung aber blieb in den Händen des Staatsrath vereinigt. Unter Heinrich IV. erhielt der oovssil ein roi eine besondre Organisation; er zerstel in mehrere Abteilungen und hatte die Aufgabe, in allen streitigen Verwaltungs¬ angelegenheiten die letzte Entscheidung zu fällen, als Rat der Regierung die Ge¬ setze vorzubereiten und zu beraten, die Steuern festzusetzen und die Art ihrer Verteilung zu bestimmen, sowie die allgemeine» Anordnungen für alle Zweige der Staatsverwaltung zu erlassen. Die Minister waren nur leitende Departements¬ chefs, die uur als Ausführungsorgane des Staatsrath ohne eine selbständige Leitung der Politik vollbrachten, was in diesem beschlossen wurde. Die Revolution machte auch diesem Institut ein Ende, man zweigte die höchste Rechtsprechung in Verwaltungsangelegenheiten ab und löste im übrigen den Staatsrat auf, ja die Verfassung vom 5. Fruktidvr des Jahres III ging sogar im Artikel 151 soweit, den Ministern die Bildung eines Ministerrath zu untersagen und somit den Grund zu einer Erscheinung zu legen, die noch heute in Frankreich als Übelstand empfunden wird, nämlich zur Abhängigkeit des Ministers von seinem Bureau, das allein ständig und allein Information zu erheben in der Lage ist. Jedoch schon die Konsularverfassung unter Napoleon stellte den von8<zik ä'owl wieder her; Artikel 52 des Jahres VIII teilte ihm als Aufgabe zu: et« rödiZöi Iss xrosgts ass lois se les rö^lsinsuts <Z'g,Äininistrg.lion MvliHus se Ah rosonärs Iss äiKieultss ani s'vlsvönt Matiörö Ääinini8trMvs. Napoleon I. legte einen großen Wert auf denselben und wie Las Cases in seinen Denkwürdigkeiten aus Se. Helena berichtet, hat sich der Kaiser sehr anerkennend über die Wirk¬ samkeit dieser Einrichtung ausgesprochen; er bezeichnete den Staatsrat als seinen Gedanken in dem Stadium der Überlegung (xsusss clölidsration), während er die Minister als seinen Gedanken in der Ausführung erklärte (pkusss su vXLvution). Seit dieser Zeit ist der Staatsrat trotz mannichfacher Änderungen, die er unter den verschiedenen Regierungen erfuhr, im großen und ganzen mit seinen Aufgaben derselbe geblieben, und auch die Regierung der Republik hat denselben nicht entbehren können. Er besteht aus verschiedenen Sektionen, einem Präsidenten und einer Reihe von Räten und Hilfsarbeitern und vereinigt in sich die höchsten Verwaltungskapazitäten des Landes. Da es in Frankreich mit der vollständigen Ausbildung des Prcifektensystems ein geordnetes Verwaltungs¬ verfahren nicht giebt, so bedarf es wenigstens einer Zentralinstnnz, um die ärgsten Übelstände zu beseitigen und eine Gleichmäßigkeit in der Verwaltung, eine kon- tradiktorische Behandlung der Streitigkeiten zwischen Fiskus und Privaten herbei¬ zuführen. Ebenso giebt es in Frankreich keine Ministerien mit technischen Räten des höhern Dienstes, wie sie bei uns üblich sind; es sind subalterne Verwaltungs- bürecms, an deren Spitze sogenannte vdecks cle äivision stehen, die ebenfalls

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/333>, abgerufen am 24.08.2024.